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Nach Leak von Folter-VideoIsraels Militärstaatsanwältin verhaftet

Am Freitag erklärte Tomer-Jeruschalmi ihren Rücktritt, dann blieb sie eine Nacht verschwunden, nun sitzt sie ein. Zu ihrem Schutz, begründet der rechtsextreme Minister Ben Gvir.

Soll das Leak des Videos der Misshandlungen genehmigt haben: Jifat Tomer-Jeruschalmi Foto: Oren Ben Hakoon/ap

afp | Die am Freitag zurückgetretene ehemalige oberste Anwältin der israelischen Armee ist im Zuge von Ermittlungen wegen eines durchgesickerten Videos über die mutmaßliche Misshandlung eines palästinensischen Gefangenen festgenommen worden. Der rechtsextreme israelische Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir gab die Festnahme der früheren Generalstaatsanwältin der Streitkräfte, Jifat Tomer-Jeruschalmi, am Montag im Onlinedienst Telegram bekannt. Er begründete diese mit einem angeblichen Suizidversuch der Militärjuristin.

Es sei „angesichts der Ereignisse der vergangenen Nacht“ vereinbart worden, dass die Strafvollzugsbehörden „mit erhöhter Wachsamkeit“ vorgehen würden, um die Sicherheit Tomer-Jeruschalmis „in der Haftanstalt, in der sie in Gewahrsam genommen wurde, zu gewährleisten“, erklärte Ben Gvir.

Tomer-Jeruschalmi war am Sonntag mehrere Stunden lang verschwunden, nachdem am Freitag ihr Rücktritt bekannt geworden war. Dies führte zu Spekulationen über einen möglichen Suizidversuch.

Die Ex-Armeeanwältin hatte am Freitag ihren Rücktritt eingereicht, wie die Armee mitteilte, ohne Gründe dafür zu nennen. Laut israelischen Medien räumte Tomer-Jeruschalmi in ihrem Rücktrittsschreiben ein, dass ihre Behörde Informationen an die Medien weitergegeben hatte.

Aufnahmen zeigten Misshandlung eines Gefangenen

Anfang vergangener Woche war bekannt geworden, dass Ermittlungen wegen der Veröffentlichung von Filmmaterial aus dem Gefangenenlager Sde Teiman im Süden Israels eingeleitet worden waren. Das bereits im vergangenen Jahr durchgesickerte Video zeigt offenbar Misshandlungen eines Gefangenen durch israelische Reservisten und hatte in Israel und international Entrüstung ausgelöst.

Bereits im Februar hatte die israelische Armee in dem Zusammenhang Anklage gegen fünf Reservisten erhoben. „Den Beschuldigten wird vorgeworfen, schwere Gewalt gegenüber dem Gefangenen angewandt zu haben“, teilte die Armee mit.

Laut Anklage war den fünf Soldaten befohlen worden, den palästinensischen Gefangenen zu durchsuchen. Dem Mann waren „die Augen verbunden und die Hände und Füße gefesselt“, erklärte die Armee. Die darauffolgenden Misshandlungen führten den Militärangaben zufolge unter anderem zu „gebrochenen Rippen, Lungenverletzungen und einem Riss des Rektums“. Die Armee bezog sich in ihrer Anklageschrift auf mehrere Beweismittel, darunter auf Aufnahmen von Überwachungskameras und ärztliche Unterlagen.

In Sde Teiman sitzen Hamas-Kämpfer, aber auch Zivilisten

Das Gefängnis Sde Teiman war nach Beginn des von dem Hamas-Überfall auf Israel ausgelösten Gaza-Kriegs am 7. Oktober 2023 auf einem Militärstützpunkt eingerichtet worden. Dort werden vor allem Gefangene aus dem Gazastreifen festgehalten, darunter Hamas-Kämpfer.

Nahost-Konflikt

Nach dem Überfall der Hamas am 7. Oktober 2023 startete das israelische Militär eine Offensive in Gaza, 2024 folgte der Vorstoß gegen die Hisbollah im Libanon. Der Konflikt um die Region Palästina begann Anfang des 20. Jahrhunderts.

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Nach der Veröffentlichung des Videos war der Fall vor die Militärjustiz gebracht worden. Laut dem von israelischen Medien veröffentlichten Rücktrittsschreiben von Jifat Tomer-Jeruschalmi erklärte sie, die israelische Armee (IDF) sei „eine moralische und gesetzestreue Armee, und daher muss sie auch während eines schmerzhaften und langwierigen Krieges illegale Handlungen untersuchen“.

Verteidigungsminister Israel Katz begrüßte den Rücktritt der Anwältin als „eine gute Sache“. Wer „Soldaten der IDF verleumdet, hat keinen Platz in der Armee“, erklärte er nach Angaben seines Büros.

Im Oktober 2024 hatte eine UN-Kommission Israel vorgeworfen, dass tausende Häftlinge in israelischen Gefangenenlagern „weit verbreiteten und systematischen Misshandlungen“ ausgesetzt gewesen seien, was „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Folter“ gleichkomme. Israel wies die Vorwürfe als „empörend“ zurück.

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