+++ Nachrichten im Nahost-Konflikt +++: Leiche von getötetem Deutsch-Israeli identifiziert
Nach der Übergabe durch die Hamas wurde die Identität zweier Toter festgestellt. US-Vizepräsident J. D. Vance trifft am Vormittag Israels Premierminister.

dpa | Kurz vor den heutigen Gesprächen von US-Vizepräsident J. D. Vance mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat die islamistische Hamas zwei weitere Leichen ausgehändigt. Beide Opfer wurden inzwischen identifiziert, wie die israelische Armee in der Nacht mitteilte. Die Hamas hatte im Rahmen des Waffenruhe-Abkommens zugesagt, insgesamt 28 tote Geiseln zu übergeben. Nun werden noch die sterblichen Überreste von 13 Verschleppten im Gazastreifen vermutet.
Bei einem der Toten handelt es sich um Arie Salmanowich, der nach Informationen der israelischen Armee beim Überfall der Hamas und anderer islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023 lebend aus seinem Haus in einem Kibbuz entführt wurde. Man gehe davon aus, dass er am 17. November 2023 in Gefangenschaft ermordet wurde. Salmanowich sei zum Zeitpunkt seines Todes 85 Jahre alt gewesen. „Er war die älteste Geisel in der Gefangenschaft der Hamas“, teilte das Forum der Geisel-Angehörigen mit. Er hinterlässt den Angaben zufolge zwei Söhne und fünf Enkelkinder.
Bei dem anderen Opfer handelt es sich um den Deutsch-Israeli Tamir Adar, der am Tag des Überfalls bei der Verteidigung des Kibbuz, in dem er lebte, getötet wurde. Anschließend habe die Terrororganisation Volksfront für die Befreiung Palästinas seine Leiche in den Gazastreifen mitgenommen, hieß es. Adar sei zum Zeitpunkt seines Todes 38 Jahre alt gewesen. Der Landwirt und Mitglied des lokalen Zivilschutzes des Orts Nir Oz hinterlässt seine Frau und zwei Kinder. „Er war jemand, der immer lächelte und das Leben in seiner Einfachheit liebte“, hieß es in einer Mitteilung des Forums der Geisel-Familien.
USA üben Druck auf Hamas und Israel aus
Die US-Regierung hatte vor der Übergabe der Leichen laut Medienberichten sowohl die Hamas als auch auf Israel unter Druck gesetzt, das Waffenruhe-Abkommen im Gazastreifen aufrechtzuerhalten. Die USA pochen zwar auf die Entwaffnung der Hamas, setzen dafür bislang aber keine zeitliche Frist. Das erklärte Vizepräsident Vance in Israel auf eine entsprechende Frage von Journalisten.
Vieles sei in der aktuellen Lage unvorhersehbar, sagte Vance. Er betonte zugleich, die Hamas müsse sich an die Vereinbarungen halten. US-Präsident Donald Trump hatte zuvor erklärt, die Terrororganisation habe versichert, dass sie sich „anständig benimmt“. Sollte sie das nicht tun, werde man sie „auslöschen“ – das wisse die Hamas. Die Terrororganisation bekräftigte in einer Mitteilung ihre Entschlossenheit, das Abkommen zur Beendigung des Krieges umzusetzen.
Vance will heute am Vormittag Netanjahu treffen und auch ein Gespräch mit Israels Präsident Jitzchak Herzog führen. Die beiden bereits zuvor angereisten US-Sonderbeauftragten Steve Witkoff und Jared Kushner hatten Netanjahu laut dem Wall Street Journal deutlich vermittelt, dass Reaktionen Israels auf mutmaßliche Verstöße der Hamas gegen das Waffenruhe-Abkommen verhältnismäßig sein müssten. Die Warnungen erfolgten angesichts gewaltsamer Zusammenstöße in den vergangenen Tagen zwischen Israels Armee und der Hamas im Gazastreifen.
J. D Vance bittet um Geduld
Bezüglich der Rückgabe der noch im Küstenstreifen verbliebenen toten Geiseln durch die Hamas bat Vance um Geduld. Die Bergung der Leichen sei schwierig und könne nicht „über Nacht erfolgen“, sagte er Journalisten in Israel. Einige Opfer seien unter Tonnen von Trümmern begraben, bei anderen sei gänzlich unklar, wo sie sich befinden.
Auch die Hamas beruft sich darauf, dass es nach zwei Jahren Krieg und großflächiger Zerstörung in Gaza schwierig sei, aller Leichen habhaft zu werden. Man stehe bei der Bergung vor extremen Schwierigkeiten, setze die Bemühungen aber weiter fort, heißt es in einer Mitteilung vom Dienstag.
Im Zuge ihres Massakers am 7. Oktober 2023 hatten die Terroristen etwa 1.200 Menschen in Israel getötet und mehr als 250 in den angrenzenden Gazastreifen verschleppt. Das Massaker löste den Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas aus. Am Montag vergangener Woche ließen die Islamisten die letzten 20 lebenden Geiseln frei. Die erste Phase einer seit dem 10. Oktober geltenden Waffenruhe sieht die Übergabe aller lebenden und toten Geiseln an Israel vor.
Bericht: Netanjahu entlässt Sicherheitsberater
Am Dienstag entließ Israels Ministerpräsident Netanjahu seinen nationalen Sicherheitsberater Zachi Ha-Negbi mit sofortiger Wirkung, wie die Times of Israel berichtete. Ha-Negbi soll sich Berichten zufolge gegen Netanjahus Plan zur Einnahme der Stadt Gaza im Norden des Gazastreifens im Sommer sowie gegen den erfolglosen Luftangriff auf Hamas-Führer in Katar ausgesprochen haben. Die Aufgabe des nationalen Sicherheitsberaters wird demnach von Ha-Negbis bisherigem Stellvertreter Gil Reich übernommen.
UN-Gericht beurteilt Hilfsgüter-Blockade
Israels Vorgehen im Gazastreifen steht heute erneut im Fokus des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag. Die höchsten UN-Richter werden beurteilen, ob Israel mit der monatelangen Blockade humanitärer Hilfslieferungen gegen internationales Recht verstoßen hat.
Die Richter bewerten auch israelische Angriffe auf Mitarbeiter und Einrichtungen der Vereinten Nationen in Gaza. Israels Regierung hatte alle Vorhaltungen als unwahr zurückgewiesen und die Blockade von Hilfsgütern damit gerechtfertigt, dass die Hamas die Transporte überfalle und die Waren zu hohen Preisen verkaufe.
Bei den Befassungen der Richter geht es um ein Rechtsgutachten. Das ist zwar nicht bindend, könnte aber den Druck auf Israel erhöhen, mit den Vereinten Nationen zu kooperieren und viel mehr Hilfe für die notleidende Zivilbevölkerung im Gazastreifen zuzulassen.
Gemeinsam für freie Presse
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert