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Deutsche EM-BilanzZehnkampf, wenig Spiel, ein Wolle-Orakel

Der Auftritt der deutschen Fußballerinnen hat besondere Momente für die Ewigkeit hinterlassen. Manche aber sollte man lieber schnellstens vergessen.

Ikonische Rettungstat: Ann-Katrin Berger verhindert gegen Frankreich mit einem Hechtsprung einen Gegentreffer Foto: Martin Meissner/ap

Parade für die Ewigkeit

Der spektakuläre Hechtsprung nach hinten bis zur eigenen Torlinie ist nur knapp eine Woche alt und schon ikonisch. Die Rettungstat der deutschen Nationaltorhüterin Ann-Katrin Berger im Viertelfinale gegen Frankreich bleibt unvergessen. Noch nie, sagte die Ersatzkeeperin Ena Mahmutovic, habe sie so eine krasse Parade im Frauenfußball gesehen. Die taz hat den Hechtsprung golden auf einer Seite einrahmen lassen. Eine Seite, die telefonisch bereits einige Male nachgefragt wurde.

Hilfe, Ballbesitz!

Wohin nur mit dem Ball, wenn das DFB-Team ihn sich erobert hat? Dieser Moment war während der EM fast ausnahmslos mit einem großen Schrecken verbunden. Weit und hoch in den Strafraum flanken, wo irgendwo Lea Schüller steht, das war zumindest eine wiederkehrende Idee. Ansonsten führte der Zufall die Regie, weshalb die Deutschen den Ball meist schnell wieder los waren. Puh, bei den anderen war er eh besser aufgehoben. Weshalb ganz Deutschland großen Gefallen am Spiel gegen Frankreich fand.

10 Minuten Fußball

Sie können es also doch, das Fußballspielen. Zumindest 10 Minuten lang gegen die Schweden. Mit schnellen Ballstafetten ist die DFB-Elf in die Partie gegen Schweden gestartet und kreierte im Minutentakt beste Torgelegenheiten. Die Qualitäten von Klara Bühl und Jule Brand wurden zum Erblühen gebracht. Auf der Tribüne mussten sich nicht wenige zwicken, wo war all die Rat- und Planlosigkeit geblieben? Ach ja hier: Ein schwedischer Gegentreffer reichte und alles war wieder beim Alten.

Mentalitätsmythos

Gestartet ist Querseinsteiger Christian Wück als Tiger. Der Sprung nach vorne sollte mit dominantem und attraktivem Fußball bewerkstelligt werden. Gelandet ist er bei der EM als Bettvorleger aus ganz grauem, abgewetztem Stoff. Schon gegen Dänemark pries er die Mentalität des Teams als besondere deutsche Errungenschaft, die schon den deutschen Jugendteams eingeflößt werde. Oh je.

Ersatz für die Unersetzliche

Gerade 36 Minuten waren bei der EM gespielt, da passierte etwas, für das es eigentlich keinen Plan B gab. Kapitänin Giulia Gwinn fiel mit einer schwereren Knieverletzung für das ganze Turnier aus. Der Worst Case war eingetreten. Als sich Carlotta Wamser zum Erstaunen aller als Alternative etablierte, musste diese wegen einer Roten Karte durch Sarai Linder ersetzt werden, die sich wiederum am Sprungelenk verletzte und ausgetauscht werden musste. Von all diesen Rückschlägen ließ sich das Team nicht beirren und hatte immer eine Lösung parat.

Legendärer Zehnkampf

Wer hätte in diesem Moment irgendetwas von Wert auf das deutsche Team setzen wollen? Gegen die ohnehin favorisierten Französinnen schon in der 14. Minute in Unterzahl zu geraten, nur weil Kathrin Hendrich unabsichtlich im Zopf ihrer Gegenspielerin „hängengeblieben war“ (O-Ton DFB-Sportdirektorin Nia Künzer) und Frankreich mit dem darauffolgenden Elfmeter in Führung ging. Doch die verbliebenen zehn deutschen Spielerinnen stemmten sich in einem heroischen Kampf gegen die schon vorgezeichnete Niederlage.

Deutsche Reflexe

Zwei große Rätsel dieses Turniers werden die Torhüterparade von Carlotta Wamser und das doch eher absichtliche Zopfgezerre von Kathrin Hendrich bleiben. Zwei Rote Karten hatten die deutschen Reflexe zur Folge. Aber ohne diese Kurzschlussreaktionen hätte die DFB-Elf ihr Können im Unterzahlspiel nicht vorführen können.

Alte weiße Männer

Selbst die KI ist ratlos. Wolfgang Petry, der von den deutschen Fußballerinnen kollektiv angehimmelt wird, hat auch nach KI-Auskunft seine Fanbase eigentlich eher im fortgeschritteneren Alterssegment. Zur teaminternen EM-Hymne wurde sein Lied „Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n“. Ein Glücksbringer ist der 73-jährige Schlagersänger und bekennende Frauenfußballfan nun nicht geworden, dafür taugt Wolle als zuverlässiges EM-Orakel. Friedrich Merz heftete sich im letzten Moment auch an Wolles Fersen. Das Bundeskanzleramt teilte mit, er sei ein fanatischer Fan der Frauen-EM. Im Fall der Fälle hätte er bestimmt mitgesungen. Glück gehabt!

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