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Aktivistin über Indigene in Peru„Der Staat ist die größte Bedrohung“

Die Aktivistin Ruth Buendía über ihren Kampf für mehr Sicherheit indigener Gemeinschaften und gegen die Kultur des Machismo in Peru.

Ruth Buendía träumt von der Gründung einer landesweiten politischen Partei der indigenen Völker Foto: OjoPúblico / David Diaz
Interview von Aramís Castro

CUSCO taz | taz: Frau Buendía, vor zehn Jahren haben Sie den renommierten Goldman-Umweltpreis erhalten. Was hat sich seitdem in Peru verändert?

Ruth Buendía: Wir sehen weiterhin massive Verletzungen der Rechte indigener Völker in der zentral gelegenen Selva-Region und im Amazonasgebiet. Der peruanische Staat lehnt vorherige Konsultationen (bei extraktiven Projekten, Anm. d. Autors) ab. Er hat große Angst davor. Seit der Preisverleihung hat ein Teil der peruanischen Bevölkerung sich mit unserem Kampf identifiziert, viele Menschen kennen uns nun mittlerweile. Ich werde international anerkannt, aber kaum in meinem eigenen Land. Auch die Behörden helfen uns nicht.

Green Panter Amazonia

Der Text ist im Rahmen des Klimaworkshops Green Panter Amazonia der taz Panter Stiftung entstanden. Mehr Texte der Teilnehmenden aus 8 Ländern der Amazonas-Region auf taz.de.

taz: Wie würden Sie die Lage der indigenen Völker im Zusammenhang mit der Klimakrise beschreiben?

Buendía: Staatsgelder sollten in den Gemeinden eingesetzt werden – aber oft leitet das Umweltministerium diese Mittel an NGOs weiter. Was bei uns ankommt, sind vor allem Schulungen – mehr nicht. Die Mittel decken nicht die Grundbedürfnisse wie Gesundheit oder Ernährungssicherheit der indigenen Völker. Was bringt es also, Menschen zu schulen, die unterernährt und krank sind?

taz: Ein weiteres wachsendes Problem in der Region sind der Drogenhandel und andere illegale Aktivitäten. Was läuft beim Schutz der indigenen Völker falsch?

Buendía: Solange Kongress, Innenministerium und Regierung keine klare Verpflichtung eingehen, wird es keine Sicherheit für Um­welt­schüt­ze­r*in­nen und indigene Gemeinschaften geben. Die Ver­tei­di­ge­r*in­nen schützen ihre Territorien, aber der Staat garantiert ihre Sicherheit nicht. Es gibt zwar Sitzungen und Treffen, aber meist ohne konkrete Ergebnisse. Am Ende kämpfen wir hier in unserem eigenen Land gegen uns selbst.

Im Interview: Ruth Buendía

Die indigene Anführerin Ruth Buendía Mestoquiari ist ehemalige Präsidentin der Zentralorganisation der Asháninka am Fluss Ene (CARE). Mit dieser stoppte sie verschiedene Wasserkraftprojekte, die damals die indigenen Gebiete im Zentrum Perus bedrohten.

taz: Was müssen die Behörden leisten?

Buendía: Sie müssen meine Rechte und die kollektiven Rechte der indigenen Völker schützen. Aber wir sehen: Der Staat selbst ist die größte Bedrohung für uns in unserem eigenen Land. Zum Beispiel erlässt die Regierung Gesetze ohne jegliche Konsultation der indigenen Völker. Sie kümmern sich nicht um unsere Existenz, und das, obwohl wir genauso peruanisch sind wie sie – vielleicht sogar mehr.

taz: Was fehlt auf lokaler und nationaler Ebene noch?

Buendía: Der peruanische Staat hat uns als indigene Völker anerkannt, aber uns keine wirtschaftlichen Mittel gegeben, um uns zu entwickeln. Wir haben alle Freiheiten – außer der wirtschaftlichen. Es ist, als ob sie sagen: Macht, was ihr könnt, und seht zu, wie ihr überlebt. Aber wie sollen wir uns ohne Ressourcen entwickeln?

taz: Aus Ihrer Erfahrung: Welche Herausforderungen haben indigene Frauen als Verteidigerinnen?

Buendía: Seit wir begonnen haben, unsere Organisation zu stärken, haben wir verstanden, dass wir die Fähigkeiten junger Frauen fördern müssen, die künftig die Organisation führen werden. Aber auch das ist eine große Herausforderung. Denn die Kultur in unseren Gemeinden, und generell im Land, ist sexistisch. In meinem Asháninka-Volk ist der Machismo tief verwurzelt. Ich selbst habe Neid und Widerstand von männlichen Führungspersonen erlebt.

taz: Würden Sie gern ein öffentliches Amt übernehmen?

Buendía: Mein Traum als indigene Frau und Anführerin ist es, eine landesweite politische Partei zu gründen, in der indigene Völker ihre eigenen Ver­tre­te­r*in­nen stellen können. Wenn wir heute bei politischen Parteien mitmachen, werden wir oft instrumentalisiert. Aber indigene Völker sind sich oft nicht bewusst, dass wir, wenn wir eine Partei gründen oder uns einer anschließen, zusammenarbeiten müssen, um unser Land zu verbessern oder sogar neu aufzubauen.

Interviewer Aramís Castro ist ein peruanischer Journalist. Er arbeitet für das Investigativmedium OjoPúblico.

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