piwik no script img

Rückzug der Grüne-Jugend-ChefinJette Nietzard geht, doch die Probleme bleiben

Tobias Schulze
Kommentar von Tobias Schulze

Ja, Jette Nietzard hat ihre Rolle bei den Grünen falsch eingeschätzt. Aber ihr Provokationskurs war auch das Produkt von Machtlosigkeit.

Jette Nietzard bei der Bundesdelegiertenkonferenz Bündnis 90/Grüne in Berlin im Januar 2025 Foto: Stefan Zeitz/imago

W enn Jette Nietzard im Herbst von der Spitze der Grünen Jugend abtritt, endet ein Missverständnis. Das zeigt auch das Video, in dem sie am Dienstag ihren Rückzug ankündigte. Der Clip besteht aus allerlei Schuldzuweisungen: an rechte Medien, gegen deren Macht sie nicht ankam. An den eigenen Jugendverband, in dem nicht alle so taff waren wie sie. Und an den Rest der Grünen, weil der ihr nicht solidarisch beisprang, wenn sie der Partei mal wieder ohne Not Ärger eingebrockt hat.

Was dagegen fehlt: Selbstreflexion und das Eingeständnis eigener Fehler. Kein Wort darüber, dass Nietzard falsch eingeschätzt hat, was die Grünen sind, was die Grüne Jugend sein kann und wie das mit ihrem gern gepflegten Stilmittel der Provokation zusammengeht. Natürlich, die Chefin einer Parteijugend muss provozieren. Oft gibt es in dieser Position kein anderes Mittel, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Die Sprecherin der Grünen Jugend hat auch nicht die Aufgabe, um Wäh­le­r*in­nen zu kämpfen, die zuletzt für Friedrich Merz gestimmt haben. Sollte das weiterhin das Ziel der Grünen sein, muss sie andere Leute darauf ansetzen. Die Jugend darf vor den Kopf stoßen.

Sie sollte sich aber überlegen, wen sie vor den Kopf stößt. Die Grüne Jugend ist keine Splittergruppe, der es genügen kann, sich selbst zu gefallen. Sie ist der Nachwuchs einer Partei, die flügelübergreifend Mehrheiten für ihre Politik anstrebt. Unter dieser Prämisse sorgt eine gelungene Provokation dafür, dass hinterher mehr Menschen hinter den eigenen Positionen stehen als vorher.

Das hat einst funktioniert, als der Juso Kevin Kühnert BMW vergesellschaften wollte. Die meisten Deutschen heißen nicht Quandt oder Klatten, seine Forderung war daher anschlussfähig. Weniger gut funktioniert es, wenn sich die Provokation pauschal gegen Männer oder Po­li­zis­t*in­nen richtet. Deutschland besteht nämlich fast zur Hälfte aus Männern, und Po­li­zis­t*in­nen genießen in der Bevölkerung ein erstaunlich großes Vertrauen. Bei den Grünen konnte Nietzards Methode deshalb gar nicht aufgehen.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Ist für die Partei jetzt also alles gut, da sie aufgibt? So ist es auch wieder nicht. Schon drei von Nietzards vier Vor­gän­ge­r*in­nen fremdelten mit dem Kurs der Partei und traten sogar aus. Dass es jetzt auch mit der nächsten Chefin der Grünen Jugend nicht klappte, ist kein Wunder. Der Nachwuchs darf auf Parteitagen fleißig Anträge stellen und sich manchmal sogar durchsetzen. Auf die Regierungspraxis und den Wahlkampf hatten die Beschlüsse dann aber keinen Einfluss. Dass junge Leute komische Sachen machen, wenn ihre Arbeit nichts bewirkt: Darüber sollten sich die Grünen nicht wundern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • „Taff“ würde ich die Aneinanderreihung unreflektierter, pauschal diskriminierender und politisch dummer Provokationen nicht nennen.

    Was ist bitte „taff“ daran, pauschal in sozialen Netzwerken Männer als Frauenschläger, Polizisten als „Bastarde“ zu framen, zum Verspeisen Reicher oder zum bewaffneten Bürgerkrieg gegen die AgD aufzurufen?

    Sicherlich ist Frau Nietzard nur ein Symptom für den Zustand der Grünen Jugend, wie es auch ihre Vorgängerinnen waren.

    Pauschal wütende, junge Frauen (Männer spielen ja keine erkennbare Rolle), die in ihrer Hilflosigkeit und bar jeder, konstruktiven Lösungen einfach verbal wild um sich schlagen.

    Anschluß- oder gar mehrheitsfähig ist das nicht. Gottlob!

    Wie ein Land aussähe, das von derartigen, politischen Kräften regiert würde, möchte ich mir nicht vorstellen.