Regierungsumbau in Ecuador: Umweltministerium wird abgeschafft
Der Präsident baut den Staatsapparat in Ecuador um, das Umweltministerium wird abgeschafft. Dessen Aufgaben sind künftig ausgerechnet im Ministerium für Bergbau angesiedelt.

Außerdem werden ab sofort insgesamt 5.000 Beamt:innen entlassen. Das Ganze soll laut Regierung den Staatsapparat effizienter gestalten und Prozesse im öffentlichen Sektor beschleunigen.
Die Umweltschutzorganisation WWF reagiert „mit Sorge“. Das eigenständige Umweltministerium abzuschaffen, stelle einen institutionellen Rückschritt dar, der die Struktur des Staates sogar schwäche. „Hier gibt es einen klaren Interessenkonflikt, wenn die für den Umweltschutz zuständige Institution vom Rohstoffsektor übernommen wird“, heißt es in einer Stellungnahme des WWF.
Abgesehen davon ist das Ergebnis aus seiner Sicht auch potenziell verfassungswidrig. Denn: „In Ecuador schreibt die Verfassung vor, dass Umweltgenehmigungsverfahren unabhängig, qualitativ hochwertig und integer sein müssen und das Gemeinwohl Vorrang vor privaten oder Unternehmensinteressen hat“. Das nun zusammengelegte Ministerium sei künftig „Partei und Richter in einem“.
Landtitel für Indigene in Gefahr
Auch die Organisation Amazon Frontlines, die sich für Indigenen-Rechte einsetzt, hält die Maßnahmen für gefährlich und wenig zukunftsfähig. „In einem umfassenden Schritt zur Machtkonsolidierung öffnet Daniel Noboa mit der Abschaffung des ecuadorianischen Umweltministeriums die Tür für Rohstoffabbau – und gefährdet damit indigene Gebiete, die Artenvielfalt und das Klima.“
Auch das Ministerium für Frauen und Menschenrechte sowie weitere Behörden, die für die soziale Absicherung zuständig sind, löst Noboa auf. Diese Veränderungen bedeuteten eine erhebliche Schwächung der öffentlichen Institutionen und einen extremen Rückschritt der Rechte, so Amazon Frontlines. Das gelte insbesondere für die Rechte indigener Völker.
Justino Piaguaje, Anführer der Siekopai, fürchtet, dass die Chancen auf Landtitel und die damit verknüpften Mitspracherechte nun noch schlechter werden. Obwohl zwei Millionen Hektar innerhalb der Schutzgebiete indigenes Land sind, besitzen Indigene immer noch keine offiziellen Rechte daran. Dabei war das Umweltministerium 2023 gerichtlich verpflichtet worden, unter Beteiligung der beteiligten Gemeinschaften im Zeitraum eines Jahres ein Verfahren einzuleiten, mit dem die Landtitel für angestammtes Territorium verbrieft werden sollten. „Jetzt, da das Ministerium der Kontrolle von Rohstoffinteressen unterstellt ist, sind wir zutiefst besorgt, dass die Einhaltung dieser Anordnung noch schwieriger werden wird“, so Piaguaje.
Noboas Schnellschuss
Erst vor Kurzem hatte ein Schutzgebiete-Gesetz, das wegen wirtschaftlicher Dringlichkeit im Schnellverfahren verabschiedet wurde, ähnliche Sorgen geschürt. Es erlaubt Konzessionen an private Firmen, ohne die Rechte der Indigenen explizit zu garantieren.
Auch das aktuelle Dekret war ein solcher Schnellschuss. Die Inhalte verkündete Regierungsprecherin Carolina Jaramillo in einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Die Informationen blieben auch auf Nachfragen spärlich. Es gehe nicht darum, Geld zu sparen, sondern um Effizienz, betonte sie mehrfach. Bisher ist unklar, nach welchen Kriterien die Kündigungen sowie die Fusionen erfolgen – und was das finanziell bedeutet.
Bei jedem gefeuerten Beamten belege eine persönliche Akte, dass er die Funktionen nicht erfülle und die effiziente Arbeit der Regierung behindere, versicherte Jaramillo. Anders gesagt: Diese Leute seien ineffizient und korrupt. Die Zeitung El País hat jedoch recherchiert, dass die Betroffenen die Kündigungen aus heiterem Himmel erhalten hätten, Auswertungen oder Evaluationen habe es nicht gegeben.
Bei den 5.000 Entlassungen wird es nicht bleiben. Durch die Zusammenlegung der Ministerien fielen weitere Stellen weg, sagte die Regierungssprecherin. Gleichzeitig kündigte sie an, dass „junge Leute“ profitieren sollten, die „mit Exzellenz und Transparenz“ arbeiten wollten. Doch 5.000 Kündigungen bedeuteten nicht, dass 5.000 junge Leute eingestellt würden, betonte sie.
Einen Zusammenhang zum jüngsten Deal mit dem Internationalen Währungsfonds bestritt Jaramillo. Der IWF hatte Ecuador Kredite in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar bis 2028 zugesagt. Dafür musste sich die Regierung verpflichten, die Staatsausgaben beim Personal zu reduzieren. Die liegen aktuell bei 9 Milliarden US-Dollar für mehr als 650.000 Staatsangestellte.
Für Amazon Frontlines ist jedoch klar: „Seit Beginn seiner zweiten Amtszeit hat Noboa rasch eine Reihe von Gesetzesänderungen vorangetrieben, die darauf abzielen, seine neoliberale Wirtschafts- und Politikagenda ohne Einschränkungen durchzusetzen.“ Die Änderungen stünden im Einklang mit dem vom IWF unterstützten Finanzplan. Dieser strebe steuerliche und strukturelle Reformen an, um private Investitionen in Sektoren mit „hohem Potenzial“ wie Bergbau, Kohlenwasserstoffe und Energie anzuziehen.
Für die laufende Woche haben Gewerkschaften, Kulturschaffende und Sozialorganisationen zu Protesten aufgerufen.
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