EU-Kommission: Nicht mal ihr eigenes Team steht hinter von der Leyen
Es hagelt Kritik am Plan der EU-Präsidentin, das EU-Budget auf zwei Billionen Euro zu erhöhen und die Macht zur Kommission zu verschieben.

Doch der Plan, den von der Leyen nach fieberhaften Beratungen in Brüssel vorlegt hat, stellt keinen zufrieden, nicht einmal ihr eigenes Team. Zu teuer, zu zentralistisch und im Kern undemokratisch, heißen die Vorwürfe. Mehrere EU-Kommissare leisteten bis zuletzt Widerstand, das Europaparlament fühlt sich übergangen.
Der Entwurf sei „ein Versuch, das Gleichgewicht der Institutionen zugunsten der Kommission und des Rats zu verschieben“, kritisiert Monika Hohlmeier (CSU), die stellvertretende Vorsitzende des Haushaltsausschusses. Es sei nicht hinnehmbar, „dass große Teile des Haushalts ohne Beteiligung des Parlaments verändert werden können“.
Tatsächlich versucht von der Leyen, die festgefügte Struktur des EU-Budgets zu lockern, um künftig besser auf Krisen wie die Coronapandemie oder den Ukrainekrieg reagieren zu können. Außerdem will sie die Auszahlung der Gelder mehr als bisher an Reformen binden. Die Kontrolle läge bei der EU-Kommission, also letztlich bei ihr.
Zwar gibt es auch noch einen Haushaltskommissar. Doch Piotr Serafin hat, genau wie die meisten anderen Kommissare, nicht viel zu melden. Von der Leyen hat die Macht in ihren Händen konzentriert, alle wichtigen Entscheidungen gehen über den Tisch von Kabinettchef Björn Seibert, einem alten Vertrauten aus Hannoveraner Zeiten.
Ein harter Machtkampf
„Ursula von der Leyen verfolgt mit ihrem Vorschlag einen klaren Machtanspruch“, kritisiert Jens Geier, haushaltspolitischer Sprecher der Europa-SPD: „Sie will die volle Kontrolle über die Ausgabenstruktur der EU an sich ziehen.“ Das sei mit den Sozialdemokraten nicht zu machen. Da bahnt sich ein harter Machtkampf an.
Gegenwind und eine Ankündigung kommen auch aus Berlin. Die geplante Erhöhung sei „nicht vermittelbar in Zeiten, in denen alle Mitgliedsstaaten erhebliche Anstrengungen zur Konsolidierung der nationalen Haushalte unternehmen“, erklärte Regierungssprecher Stefan Kornelius: „Daher werden wir den Vorschlag der Kommission nicht akzeptieren können.“
Rund 800 Milliarden Euro mehr als bisher umfasst der „Mittelfristige Finanzrahmen“ (MFR), wie das EU-Budget im Brüsseler Jargon heißt. Das sieht nach deutlich mehr Geld aus, ist aber gar nicht so viel, wenn man bedenkt, dass es neben dem EU-Budget derzeit auch noch den Corona-Aufbaufonds gibt, der rund 800 Milliarden umfasst.
Dieser Nebenhaushalt fällt bald weg. Zudem müssen ab 2028 auch noch die Coronaschulden zurückgezahlt werden, was den Haushalt mit jährlich 20 bis 30 Milliarden belasten dürfte. Berücksichtigt man noch die Inflation, so fällt der „Aufwuchs“ gar nicht mehr so hoch aus – von 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigt das Budget auf 1,26 Prozent.
Das sind Peanuts im Vergleich zu den 5 Prozent, die die Nato-Länder künftig für Aufrüstung und militärische Infrastruktur ausgeben sollen. Dieses Geld wird zwar von den Staaten ausgegeben und verwaltet, nicht von der Nato. Dennoch ist es erstaunlich, dass die EU-Länder mehr für die US-geführte Militärallianz tun als für ihre Union.
Bemerkenswert ist auch, dass die EU künftig 131 Milliarden Euro für Verteidigung und Raumfahrt ausgeben will – „fünfmal so viel wie bisher“, betont von der Leyen. Dabei ist die EU-Kommission gar nicht für die Verteidigung zuständig, das ist eine nationale Aufgabe. Bis 2024 gab es nicht einmal einen Verteidigungskommissar.
100 Milliarden Euro für die Ukraine
Als Andrius Kubilius im Dezember seine Arbeit in Brüssel aufnahm, musste die Kommission mühselig ein paar Milliarden Euro aus der EU-Kasse zusammenkratzen. Nun ist er einer der großen Gewinner der Budgetreform, zusammen mit Erweiterungskommissarin Marta Kos. Sie wird künftig über 100 Milliarden Euro allein für die Ukraine verfügen.
Dass von der Leyen so viel Geld für Aufrüstung und Verteidigung ausgibt, gefällt nicht allen in Brüssel. „Die Militärausgaben werden mehr als verzehnfacht, während bei Sozialem, der Demokratie, dem Klimaschutz massiv gekürzt werden soll“, klagt Martin Schirdewan, Ko-Fraktionschef der Linken. Kritik kommt auch von seinem früheren Genossen Fabio De Masi, heute beim BSW.
„Frau von der Leyen will den EU-Haushalt um 700 Milliarden erhöhen, um massiv aufzurüsten“, so De Masi. „Gleichzeitig knirscht und kracht es in den EU-Mitgliedsstaaten, da die Fiskalregeln zur Verlotterung der zivilen Infrastruktur führen und die Wirtschaftsmisere vertiefen.“
Zustimmung von den Grünen
Zustimmung signalisiert dagegen Hanna Neumann von den Grünen. Sie freut sich über „mehr Geld für Verteidigung, Außenpolitik und unsere Freunde in der Ukraine“. Dass es auch 17 Milliarden Euro für „militärische Mobilität“, also Panzerstraßen oder Pontonbrücken, und andere Militärprogramme geben soll, zeuge von „willkommenem Ehrgeiz“.
Allerdings seien noch viele Details zu klären, bevor das Parlament über das EU-Budget abstimmt, so Neumann. Auch die EU-Staaten müssen noch zustimmen – in Brüssel stellt man sich auf eine lange und harte Budgetschlacht ein.
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