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Einstellung der Epstein-ErmittlungenDeep State Donald Trump

Nicholas Potter
Kommentar von Nicholas Potter

Jahrelang schürte Donald Trump Verschwörungsmythen über Jeffrey Epstein, nun wird er selbst Opfer davon. Doch die Schadenfreude hält sich in Grenzen.

Ziemlich beste Freunde: Trump und Epstein auf einem Demoplakat im Juni in Texas Foto: IMAGO/Jaime Carrero

D ie Revolution frisst bekanntlich ihre Kinder – das lernt diese Woche Donald Trump aus erster Hand. Seit Jahren facht der US-Präsident etliche Verschwörungserzählungen unter seinen Anhängerinnen und Anhängern an, um daraus politisches Kapital zu schlagen. So viele, dass sie in einem eigenen Wikipedia-Eintrag aufgelistet werden, der von der vermeintlich nicht-US-amerikanischen Staatsbürgerschaft Barack Obamas bis hin zu gefährlichen Internetobsessionen wie QAnon und Pizzagate reicht.

Es ist aber der unstillbare Durst der MAGA-Bewegung um Trump nach Antworten zum Fall Jeffrey Epstein, der ihm nun selbst zum Verhängnis wird.

Der Investmentbanker und verurteilte Sexualstraftäter Epstein soll Minderjährige und junge Frauen über Jahre hinweg missbraucht haben. Er wurde 2019 in einer New Yorker Haftzelle tot aufgefunden, bevor er sich vor Gericht wegen Sexhandel hätte verantworten müssen. Eine Untersuchung ergab, dass er sich das Leben genommen hatte.

Seitdem grassieren im Internet diverse Verschwörungserzählungen, die behaupten: Epstein sei in Wirklichkeit ermordet worden, um seine mächtigen Freunde zu schützen. Gerüchte über eine „Klientenliste“ Epsteins mit den Namen etlicher Promis und Politiker, die auf seiner Privatinsel Sex mit Minderjährigen gehabt haben sollen und die er deshalb erpresst haben soll, gehen viral.

Dieses Narrativ knüpft an Pizzagate und QAnon an, deren Anhängerinnen und Anhänger behaupten: Pädophile Eliten, oft jüdisch konnotiert, missbrauchen Kinder in satanischen Ritualen.

Das Spiel mit dem Feuer

Doch bei Epstein liegt der eigentliche Skandal darin, dass sein Leben kein Geheimnis war: Sein VIP-Status machte den systemischen Missbrauch junger Frauen erst möglich. Er agierte nicht im Verborgenen, sondern seine vielen Kontakte, selbst nach seiner Verurteilung 2008, sind seit Langem öffentlich bekannt.

Trump spielte mit Feuer, als er diese Verschwörungserzählungen dennoch schürte. Er versprach seiner Wählerschaft jahrelang das, was sie hören wollten, was er aber niemals hätte liefern können: den schlagenden Beweis für eine Fiktion. Auch nach seinem Wiedereinzug ins Weiße Haus spielte seine Administration weiter mit. Im Februar behauptete Pam Bondi – Trumps Justizministerin – in einem Interview mit Fox News, dass die angebliche Klientenliste auf ihrem Schreibtisch läge.

Nun wird Trump, der Epstein persönlich kannte, durch sein eigenes Spiel verbrannt. Vergangene Woche veröffentlichte sein Justizministerium zusammen mit dem FBI nach einer „umfassenden Überprüfung“ der Dokumente im Fall Epstein ein zweiseitiges Memo, in dem es heißt: Es gibt weder Beweise für eine „Klientenliste“ noch dafür, dass Epstein ermordet wurde. Case closed, sagt die Behörde.

Trump lernt nun auf die harte Tour, dass es wesentlich leichter ist, Verschwörungserzählungen in die Welt zu streuen, als sie zu entkräften

Die MAGA-Bewegung ist empört und wittert eine Vertuschung. Große Teile von Trumps Basis glauben weiterhin: Die USA wird heimlich von pädophilen Eliten regiert, die zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Einige sagen: Trump ist selbst zum Teil jenes „Deep State“ geworden, den er eigentlich bekämpfen wollte. Zum Chor der Kritiker gehören einflussreichen ­Figuren wie Steve Bannon, Tucker Carlson, Alex Jones und Marjorie Taylor Greene.

Auch Elon Musk, bis neulich noch Trump-Vertrauter, hat sich auf seiner Social-Media-Plattform X mehrfach kritisch zum Memo des Justizministeriums geäußert. Er teilte etwa einen Beitrag, in dem es heißt: „Wenn die gesamte Regierung Pädophile schützt, ist sie offiziell zu einer Regierung gegen das Volk geworden.“ Musk hat auch behauptet, dass Trump in den Epstein-Akten selbst vorkomme und sie deshalb nicht veröffentliche.

Der giftige Geist

Trump lernt nun auf die harte Tour, dass es wesentlich leichter ist, Verschwörungserzählungen zu streuen, als sie zu entkräften. Den giftigen Geist, den Trump allzu gerne für seine zynischen politischen Zwecke aus der Flasche herausgelassen hat, bekommt er nicht so einfach wieder rein. Denn Fakten spielen bei Verschwörungserzählungen nahezu keine Rolle: Es regiert die Macht der Emotionen.

Nun gibt Trump der demokratischen Partei dafür die Schuld. Die Entrüstung über die Einstellung der Ermittlungen zu Epstein? Ein „Scam“ und „Bullshit“ der Demokraten, so Trump in einem Beitrag auf seiner Plattform Truth Social. Und seine einstigen Fans, die sich desillusioniert von ihm abwenden? „Schwächlinge“, sagt der Präsident.

Man ist geneigt, einen Moment der Schadenfreude zu genießen. Denn die aktuelle MAGA-Revolte wirkt wie die Zersplitterung der rechtsradikalen Bewegung, die Trump zweimal ins Amt gehievt hat. Doch die treibende Kraft dahinter ist ein radikalisiertes Verschwörungsdenken, auf Paranoia gebaut, das die Fundamente der US-amerikanischen Demokratie gefährdet.

Trump offenbart damit, dass er seine eigene Bewegung weder versteht noch im Griff hat. Nicht nur er wird den Preis dafür zahlen.

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Nicholas Potter
Redakteur
Nicholas Potter ist Redakteur bei taz zwei (Gesellschaft/Medien). 2024 war er Fellow des Internationalen Journalistenprogramms bei der Jerusalem Post. Im selben Jahr wurde er für den Theodor-Wolff-Preis nominiert. Seine Texte sind auch im Guardian, Tagesspiegel, der Jüdischen Allgemeinen und der Haaretz erschienen. Er ist Mitherausgeber des Buches "Judenhass Underground" (2023).
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