Kameruns Präsident will nicht abtreten: 92, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99 …
Kameruns Paul Biya ist schon der älteste Präsident der Welt. Nun kandidiert er für eine 8. Amtszeit. Er regiert im Hintergrund. Oder lässt regieren.
Nicht zuletzt, da immer wieder Gerüchte über seinen Geistes- und Gesundheitszustand kursierten, in denen er bereits für tot erklärt worden war. Biya aber hat anderes vor. „Seien Sie versichert, dass meine Entschlossenheit, Ihnen zu dienen, der Schärfe der Herausforderungen, vor denen wir stehen, entspricht“, verkündete er am Sonntagabend auf X in französischer und englischer Sprache.
Es sei seine „heilige Pflicht“, die Ergebnisse seiner jahrzehntelangen Regierungszeit seien zudem „greifbar, sichtbar und lobenswert“, sparte der Präsident nicht mit Eigenlob. Er könne sich angesichts „zunehmend schwieriger internationaler Umstände“ seiner Verantwortung nicht entziehen. Deshalb sei er den „zahlreichen und eindringlichen Aufrufen“ aus den zehn Regionen Kameruns und der Diaspora gefolgt und stelle sich erneut zur Wahl. „Das Beste kommt noch“, endet die Ankündigung bedeutungsschwanger.
Biya, geboren 1933 im Dorf Mvomeka’a im Süden Kameruns, ist seit 1982 Präsident des zentralafrikanischen Landes. Zuvor war er bereits Premierminister unter seinem Vorgänger Ahmadou Ahidjo und machte sich einen Namen als loyaler Technokrat, der sich geschickt an die Staatsspitze manövrierte. Er wuchs in einem streng katholischen Umfeld auf, studierte in Frankreich Verwaltungsrecht und Politikwissenschaft.
Biyas eigentlicher Amtssitz: Genf
Viel ist über Biyas Privatleben nicht bekannt. Öffentliche Auftritte sind rar und stets sehr kurz. Wenn er sich zeigt, dann meist in Uniform oder im Maßanzug. Öffentliche Reden, Interviews oder Pressekonferenzen meidet er grundsätzlich. Stattdessen regiert der stille Autokrat aus dem Hintergrund – oder lässt vielmehr regieren.
Längst heißt es, dass eigentlich die 37 Jahre jüngere First Lady, Chantal Biya, 55, diejenige ist, die im Etoudi-Palast die Strippen zieht. Bekannt für ihre turmhohen Frisuren und knalligen Outfits, gilt Chantal Biya als kontroverse Stilikone und dominante Persönlichkeit. Schlagzeilen macht das Präsidentenpaar samt seinen drei Sprösslingen immer wieder mit ihrem verschwenderischen Lebensstil und mit langen Auslandsaufenthalten auf Staatskosten.
Während Kamerun in der Vergangenheit mit Terror, Entführungen und einem blutigen Separatistenkonflikt in den englischsprachigen Regionen zu kämpfen hatte, regierte Biya oft aus einer komfortablen Luxussuite im schweizerischen Genf heraus. Statt sichtbarer Repression setzt er auf ein Patronagesystem. Die Schlüsselpositionen im Militär, in der Verwaltung und im Sicherheitsapparat sind mit langjährigen Vertrauten besetzt. Gleichzeitig tauscht er regelmäßig aus – ein System, das auf Abhängigkeit basiert. Innerhalb und außerhalb Kameruns werden immer mehr Forderungen laut, er solle zurücktreten.
Stattdessen schaffte Biya 2008 die Amtszeitbeschränkung ab und ebnete seiner unbegrenzten Wiederwahl den Weg. 2018 gewann er die Wahlen mit 71,28 Prozent der Stimmen. Die Oppositionsparteien zweifelten das Ergebnis an und beklagten massive Unregelmäßigkeiten – vergeblich, Biya ließ sämtliche Proteste niederschlagen. Auch dieses Mal gilt sein Sieg als nahezu sicher. Damit wäre er am Ende der Legislatur 99 Jahre alt – vorausgesetzt, er lebt dann noch.
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