: Mit Haltung aus dem Chaos kommen
Wohin mit der Wut auf eine ungerechte Welt? Christian Ströbele, taz-Mitgründer und Grünen-Politiker, wusste es. Für Jüngere zeigt die Erinnerung an ihn, wie auch scheinbar aussichtslose Kämpfe geführt werden müssen – und dass das am besten gemeinsam funktioniert

Von Ehmi Bleßmann
Meine Verbindung zu Christian Ströbele ist einseitig. Sie hat sich in mein Leben gestrickt, als ich 2022 – damals neu bei der taz – dabei half, die Gedenkveranstaltung für ihn in der Arena Berlin zu organisieren.
Weil ich Christian Ströbele nie persönlich kennengelernt habe, kann ich nicht von Begegnungen mit ihm erzählen oder davon berichten, wie er sich über sein Leben hinweg als taz-Urgestein, Parlamentarier, Anwalt oder Freund einbrachte.
Ich kann jedoch erzählen, was ich als junger linker taz-Nachwuchs im kollektiven Gedenkens an seine Person lernen konnte. Wie unterschiedliche Perspektiven auf sein Leben an diesem Tag in der Arena und später im Gedenkheft zusammenkamen.
Als Christian Ströbeles Leben mit 82 Jahren zu Ende ging, war ich 24. Zwei Generationen zwischen uns. Wie die taz, für deren Entstehung er so eine große Rolle spielte, funktioniert, auf welcher Geschichte sie fußt, habe ich zu dem Zeitpunkt noch nicht verstanden. Ich fand es toll, an diesem Ort gelandet zu sein, weil es sich anfühlte, als wäre hier viel möglich.
Ansonsten war ich damals oft orientierungslos. Ich wusste mich politisch nicht einzuordnen und habe mich dieser Welt, die ungerecht ist und sich selbst zu zerstören scheint, gegenüber einfach nur ohnmächtig gefühlt. Ich war extrem wütend, wann immer ich etwas Ungerechtes, Asymmetrisches, Verschwenderisches, Mächtiges, das sich durch diese Gesellschaft zieht, wahrnahm. Das Gefühl zu haben, dagegen überhaupt nichts tun zu können, war lähmend.
Christians Gedenkveranstaltung zu organisieren war mir wichtig, weil ich merkte, dass sie für die taz und meine Kolleg*innen wichtig war. Ich wollte denjenigen, die über seinen Verlust tieftraurig waren, den Rücken freihalten. Das kam mir sinnvoll vor. Aber für mich ist dabei noch mehr passiert.
Bei den Vorbereitungen wurde mir viel erzählt: über Christian, und darüber, wie die taz im kreativen Chaos zu Stande kam, über einen Haufen Alternative beim Tunix-Kongress, über brisante Wortgefechte und knallende Türen bei Redaktionskonferenzen. Über eine Zeit, in der Kiffen im Büro noch cool war, und über eine spektakuläre Selbstverteidigung gegen die Konkurrenzlogik des Medienmarkts mit der Kollektivierung der Gründungsidee. Über all dem stand immer auch Christians „vermessener Wunsch“ nach einer „täglich linken und, ja, auch radikalen Zeitung“.
Wie funktioniert es?
Jede*r kann einen Betrag in Höhe eines oder mehrerer Anteile (mindestens 500 Euro) in den Generationenfonds einzahlen. Aus dem Generationenfonds werden Anteile für Menschen unter 25 Jahren bezahlt, die sich einen Anteil (noch) nicht leisten können. Die Anteilsempfänger*innen dürfen die Mitgliedschaft bis zu ihrem Ausscheiden aus der Genossenschaft nutzen, danach verbleibt die Einzahlung bei der taz, um weiter für die Ansprache junger Menschen eingesetzt zu werden.
Wie kann ich unterstützen?
Jede*r kann Pate oder Patin für das Generationenprojekt werden. Einfach online Geld für einen Anteil einzahlen unter: taz.de/Generationenprojekt oder über geno@taz.de einen Antrag per Post anfordern.
Wie kann ich mich bewerben?
Alle Menschen unter 25 Jahren, die in Deutschland leben, können sich unter: taz.de/Generationenprojekt bewerben. Von den Mitgliedern wünschen wir uns eine aktive Beteiligung. Dazu gehört zum Beispiel die jährliche Teilnahme an der Mitgliederversammlung im September in Berlin.
Der Geist der Idee der taz hat mich ehrlich ergriffen. Da ist mir klar geworden, dass Kämpfe, mit denen ich mich so allein gefühlt habe, schon Generationen vor mir Menschen den Anlass gaben, sich zusammenzutun, um sie gemeinsam zu bestreiten.
Dann, am 4. Oktober 2022, hat sich diese ewig lange Menschenschlange vor der Arena gebildet. Etwa 1.000 Leute aus den verschiedensten Kreisen, mit mindestens einem gemeinsamen Nenner: Christian Ströbele. Sie alle wollten zuhören und sich verabschieden, Ströbele hatte sie selbst nach seinem Tod noch bewegt. Auf der Bühne haben seine Wegbegleiter*innen Stunden mit Erzählungen gefüllt: Über einen 68er, der sich unermüdlich für eine gerechte Gesellschaft eingesetzt hat, die niemanden allein oder fallen lässt.
Der daran glaubte, dass eine neue Idee – wie die taz es einst war – allen Widerreden und Unwahrscheinlichkeiten zum Trotz Gestalt annehmen kann, wenn nur genug Menschen ihre Kräfte bündeln. Der gezeigt hat, dass eine humanistische Haltung auch trostlosen Zeiten und widerspenstiger Umgebung standhalten kann, Menschen Hoffnung geben und Mut machen kann, wenn sie konsequent ist.
So hat mich das Gedenken verstehen lassen, dass meine Wut auf das, was mir falsch erscheint und sich oft als unveränderbar tarnt, auch eine produktive Kraft sein kann. Wenn sie sich nicht ungezügelt in mir breitmacht, sondern ich sie als Motor nutze, der mich zum Handeln antreibt und zum Zusammenschluss mit anderen, die auch davon überzeugt sind, dass diese Gesellschaft es besser kann und verdient hat.
Die Weltpolitik wird nicht gerechter, selbstbestimmter, ökologischer oder solidarischer. Das macht den Leitsatz, dass allen Menschen das Gleiche zu steht, – nachdem auch Christian sein politisches Handeln ausrichtete – umso notwendiger. Politische Überzeugungen und die Kraft, etwas zu verändern, hängen nicht an Einzelnen, sondern werden getragen von und stärker durch viele.
Ich habe gelernt, dass man etwas tun muss, wenn man etwas verändern möchte. Neue Pläne können geschmiedet, neue Ideen formuliert und auch Alternativen können erkämpft werden. Bewegung ist möglich, sie passiert jeden Tag. Dafür müssen wir uns zusammenraufen, voneinander lernen, uns generationsübergreifend austauschen und den Blick nach vorn richten.
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