Wahl für das Bundesverfassungsgericht: Es droht ein Desaster
Die Union weigert sich, bei der Wahl für Karlsruhe mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Dadurch könnte ihr vorgeschlagener Kandidat der erste Verfassungsrichter von AfDs Gnaden werden.

G ünter Spinner wäre möglicherweise keine schlechte Wahl für das Bundesverfassungsgericht. Der derzeitige Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht gilt als fachlich versierter und umgänglicher Jurist. Nach aktuellem Stand sollte er sich aber gut überlegen, ob er sich in das höchste deutsche Richter:innengremium wählen lassen will. Denn seiner Reputation droht schwerer Schaden, könnte Spinner doch zum ersten Verfassungsrichter von AfDs Gnaden werden.
Durch ihre ideologische Verblendung bringen CDU und CSU den von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten mächtig in die Bredouille. Ihre Gesprächsverweigerung gegenüber der Linkspartei sorgt dafür, dass es auf die Stimmen der Rechtsextremist:innen und Faschist:innen im Parlament ankommen dürfte, ob Spinner die notwendige Zweidrittelmehrheit erhält. Die Union scheint das billigend in Kauf nehmen zu wollen.
Dass die Linke eine generelle Vereinbarung zwischen den demokratischen Parteien über einen neuen Verteilungsschlüssel für die Verfassungsrichter:innen anstrebt, ist legitim. Die bislang geltende informelle Regelung, nach der von den insgesamt sechzehn Karlsruher Richter:innen je sechs von der Union und der SPD sowie je zwei von den Grünen und der FDP vorgeschlagen werden, ist aus der Zeit gefallen.
Dass die Linke signalisiert hat, im Fall der Aufnahme von Gesprächen bereit zu sein, mit für die drei aktuellen Vorschläge von Union und SPD zu stimmen, zeugt dabei von Verantwortungsbewusstsein. Dass sie jedoch nicht die Spielchen von CDU und CSU mitmachen, sich also nicht als bloßes Stimmvieh missbrauchen lassen will, ist nachvollziehbar.
AfD-Fraktionschefin Alice Weidel hat Spinners Wahl bereits empfohlen. Sie kann sich über das fragwürdige Agieren von Spahn & Co nur freuen. Sollte dann auch noch die Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf an reaktionären Abweichler:innen aus den Unionsreihen scheitern, denen die Potsdamer Rechtsprofessorin zu progressiv ist, würde die Verfassungsrichter:innenwahl endgültig zum Desaster.
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