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Wahl für das BundesverfassungsgerichtEs droht ein Desaster

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Die Union weigert sich, bei der Wahl für Karlsruhe mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten. Dadurch könnte ihr vorgeschlagener Kandidat der erste Verfassungsrichter von AfDs Gnaden werden.

Wer setzt sich als nächstes den richterlichen Hut auf? Am Freitag wird das Urteil gefällt Foto: Stockhoff/imago

G ünter Spinner wäre möglicherweise keine schlechte Wahl für das Bundesverfassungsgericht. Der derzeitige Vorsitzende Richter am Bundesarbeitsgericht gilt als fachlich versierter und umgänglicher Jurist. Nach aktuellem Stand sollte er sich aber gut überlegen, ob er sich in das höchste deutsche Rich­te­r:in­nen­gre­mi­um wählen lassen will. Denn seiner Reputation droht schwerer Schaden, könnte Spinner doch zum ersten Verfassungsrichter von AfDs Gnaden werden.

Durch ihre ideologische Verblendung bringen CDU und CSU den von ihnen vorgeschlagenen Kandidaten mächtig in die Bredouille. Ihre Gesprächsverweigerung gegenüber der Linkspartei sorgt dafür, dass es auf die Stimmen der Rechts­ex­tre­mis­t:in­nen und Fa­schis­t:in­nen im Parlament ankommen dürfte, ob Spinner die notwendige Zweidrittelmehrheit erhält. Die Union scheint das billigend in Kauf nehmen zu wollen.

Dass die Linke eine generelle Vereinbarung zwischen den demokratischen Parteien über einen neuen Verteilungsschlüssel für die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen anstrebt, ist legitim. Die bislang geltende informelle Regelung, nach der von den insgesamt sechzehn Karlsruher Rich­te­r:in­nen je sechs von der Union und der SPD sowie je zwei von den Grünen und der FDP vorgeschlagen werden, ist aus der Zeit gefallen.

Dass die Linke signalisiert hat, im Fall der Aufnahme von Gesprächen bereit zu sein, mit für die drei aktuellen Vorschläge von Union und SPD zu stimmen, zeugt dabei von Verantwortungsbewusstsein. Dass sie jedoch nicht die Spielchen von CDU und CSU mitmachen, sich also nicht als bloßes Stimmvieh missbrauchen lassen will, ist nachvollziehbar.

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel hat Spinners Wahl bereits empfohlen. Sie kann sich über das fragwürdige Agieren von Spahn & Co nur freuen. Sollte dann auch noch die Wahl der SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf an reaktionären Ab­weich­le­r:in­nen aus den Unionsreihen scheitern, denen die Potsdamer Rechtsprofessorin zu progressiv ist, würde die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen­wahl endgültig zum Desaster.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist Mitte vergangenen Jahres im Kohlhammer Verlag erschienen.
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7 Kommentare

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  • Einfach mal abwarten was am Freitag passiert bevor man von einem Desaster spricht.



    Man kann eine Abstimmung nicht davon abhängig machen wie die AfD ankündigt abzustimmen.

    Im Übrigen.



    Entweder ist ein Abgeordnerter damit einverstanden, dass jemand Verfassungsrichter wird oder nicht.



    Und danach sollte er abstimmen.



    Man kann doch die Wahl eines Richters des Bundesverfassungsgericht von sachfremden Dingen abhängig machen. Dazu ist so eine Wahl viel zu wichtig.



    Und es hat Gründe warum die Väter der Verfassung hier eine Zweidrittelmehrheit vorgesehen haben.

    www.gesetze-im-int....de/gg/art_38.html

  • Hat die CDU/CSU die Abstimmung zur Migrationspolitik zusammen mit der AfD schon vergessen? Kann sich dort niemand mehr an die kurze Rede von Heidi Reichinnek erinnern, die dazu beigetragen hat, den Stimmenanteil der Linken bei der Bundestagswahl zu verdoppeln? Will die CDU/CSU wieder so etwas erleben?

  • Falsches Verständnis von einer parlamentarischen Demokratie die der Autor hier an den Tag legt. Die Zustimmung in Sachfragen hängt lediglich davon ab, ob eine Fraktion sich mit den Inhalten identifizieren kann.

    Ist die AfD davon überzeugt, dass der vorgeschlagene Richter die richtige Wahl für den Posten ist, dann ist deren Zustimmung kein Desaster sondern eine Beleg für ein funktionierendes Parlament. Und auch der Linken steht es frei nach objektiven Kriterien abzustimmen.

    Eine Sache wird nicht dadurch allein falsch, nur weil sie die Feinde der Demokratie für richtig halten. Das ist Ideologiegedöns anno 19 Jahrhundert. Es gibt schon noch einen Unterschied zwischen Zusammenarbeit und Abstimmungsverhalten der Fraktionen.

    • @Sam Spade:

      Es geht darum, ob man eine Mehrheit auch ohne die Stimmen der AfD zusammenbekommt, um nichts anderes. Sollen wir Ihnen das noch einmal genauer erklären?

      • @Aurego:

        Es geht darum, dass man die Wahl eines Richters des höchsten deutschen Gerichts nicht von sachfremden Dingen abhängig macht.



        Es geht hier nicht um einen Deal sondern um die Wahl eines Richters des höchsten deutschen Gerichts.



        Entweder man ist mit der Person einverstanden oder nicht.



        Je nachdem sollte man abstimmen.

      • @Aurego:

        Am Thema vorbei und zu kurz gedacht. Der Autor schreibt von einem Desaster und von einem Verfassungsrichter von AfDs Gnaden und betont den Schaden für die Reputation des Richters, sollte dieser durch die Stimmen der AfD ernannt werden.

        Nach Logik des Autors wären dann seit Jahrzehnten in den Parlamenten von Norwegen, Schweden, Dänemark, Niederlande oder Belgien kaum noch Gesetze verabschiedet worden, von Ernennungen ganz zu schweigen.

        Diese Länder haben gelernt zu differenzieren zwischen einer Abstimmung und Kooperation. Grundvoraussetzung bei Minderheitsregierungen, man kooperiert in Sachfragen und zwar nach allen Seiten, da sich ein Parlament keine ideologischen Grabenkämpfe leisten kann, wenn es funktionsfähig bleiben will, das bleibt Sache der Parteien aber nicht der Fraktionen.

  • Ich kann immer nur wieder mit dem Kopf schütteln. Einerseits lehnen CDU/CSU eine Zusammenarbeit mit der AfD ab, andererseits nehmen sie deren Stimmen billigend in Kauf, was dann doch einer Zusammenarbeit entspricht.



    Eine Zusammenarbeit mit der Linken lehnen sie ebenfalls ab. Aber als es um die Wahl des Bundeskanzlers ging, genaugenommen um den zeitnah vorgenommenen zweiten Wahlgang, da war die Zustimmung der Linken, diesen zweiten Wahlgang zeitnah vornehmen zu können, gerne in Anspruch genommen. Jetzt wollen sie sich aber nicht mehr dran erinnern, dass sie mal mit der Linken zusammengearbeitet haben. Was soll das Getue?