Korruptionsskandal in Spanien: Durchhalten um jeden Preis
Der sozialistische Regierungschef Pedro Sánchez kämpft um sein politisches Überleben, während die rechte Opposition auf vorgezogene Neuwahlen hofft.

„Mein Herz ist gebrochen, meine Entschlossenheit nicht“, erklärte Sánchez. Er sprach von „Enttäuschung“ und „Verrat“ und von der „Überraschung“ in der Partei, als die dunklen Machenschaften, die seinem Organisationssekretär Santos Cerdán vorgeworfen werden, bekannt wurden. Der mittlerweile in Untersuchungshaft sitzende starke Mann an der PSOE-Spitze soll bei öffentlichen Bauaufträgen die Hand aufgehalten haben.
Auch wenn die Sozialisten ihn sofort aus allen Ämtern entließen und zwangen, als Abgeordneter abzutreten, hinterlässt der Skandal schwere Schäden am Image von Sánchez. Denn der kam einst bei einem Misstrauensvotum an die Macht, das die PP verlor, weil sie sich mit Korruption finanziert hatte.
Es war Cerdán, der die parlamentarische Mehrheit aus linken Parteien und nationalistischen Abgeordneten aus unterschiedlichen Regionen hinter Sánchez’ Minderheitsregierung vereinigte. Der Skandal Cerdáns ist nicht der erste unter dem PSOE-Chef. Auch gegen Cerdáns Vorgänger als Organisationssekretär, José Luis Ábalos, wird ermittelt. Die beiden arbeiteten – so der jetzige Ermittlungsstand – eng zusammen.
Gegenseitige Empfehlungen für Prostituierte
Die Antikorruptionspolizei entdeckte auf dem Rechner eines Komplizen Gesprächsmitschnitte, die – sofern sie echt sind, was die Beklagten bestreiten – von einem Lebenswandel zeugen, der alles andere als vorbildlich ist. Neben Verhandlungen über hohe Geldbeträge empfahlen sie sich gegenseitig Prostituierte. Deshalb beschloss die PSOE neben der Umbesetzung des Parteivorstandes auch am Wochenende, dass künftig aus der Partei ausgeschlossen wird, wer Prostituierte frequentiert.
„Der Kapitän gibt nicht auf, wenn die See rau ist. Er bleibt, um den Sturm zu überstehen und das Schiff zurück in den Hafen zu steuern“, erklärte Sánchez. Durchhalten bis zum regulären Wahltermin 2027 ist sein Motto. Die Linksregierung habe beim sozialen Umbau Spaniens noch viel zu tun, deshalb wolle er auf keinen Fall eine Regierung aus einem Bündnis aus PP und rechtsextremer Vox.
Die Angst vor einem Rechtsbündnis hält Sánchez’ Unterstützer zusammen. Das musste PP-Chef Feijóo kürzlich erneut erfahren. Ihm fehlen für ein Misstrauensvotum gegen Sánchez fünf Abgeordnete. Die konservativen Nationalisten aus dem Baskenland oder Katalonien, PNV und Junts, könnten beide diese beisteuern. Doch sie wollen auf keinen Fall eine Regierung unter Vox-Beteiligung.
Der PP-Parteitag dürfte die Nationalisten in ihrer Haltung bestärkt haben. Denn der Ex-Ministerpräsident José María Aznar heizte die Stimmung an, indem er die Nationalisten Verbrecher nannte und prophezeite, Sánchez werde im Gefängnis enden, weil er mit diesen Verbrechern eine Mehrheit gebildet habe. Aznar warnte erneut vor dem Ende der spanischen Nation, sollte die PSOE weiter mithilfe von Basken und Katalanen regieren.
Mit 99 Prozent als Spitzenkandidat bestätigt, gab sich Feijóo gemäßigt. Er wolle einen „grundlegenden Wandel Spaniens aus der Mitte heraus“. Er strebe zehn Millionen Stimmen an, um allein mit absoluter Mehrheit regieren zu können. Laut Umfragen würde die PSOE derzeit an Zustimmung verlieren und vor allem Vox zulegen. Feijóo wird ohne sie kaum regieren können.
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