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Holger FriedrichDie schärfsten Kritiker der Elche sind selber welche

Der Verleger der „Berliner Zeitung“ und Herausgeber der „Weltbühne“ Holger Friedrich fühlt sich unfair behandelt. Dabei gehen seine Medien genauso vor.

Holger Friedrich fühlt sich missverstanden Foto: Markus Schreiber/ap

W enn sich Ver­le­ge­r*in­nen im eigenen Blatt mehrseitig zu Wort melden, hat das in Deutschland Seltenheitswert. Oder es handelt sich um Mathias Döpfner. Am Dienstag war es aber Holger Friedrich, der uns allen mitteilte, dass wir ihn nicht loswerden.

„Warum ich weiter für die Freiheit kämpfe“ ist der sich über die ersten drei Seiten der Berliner Zeitung erstreckende Spaß betitelt. Friedrich fängt noch mal ganz von vorn an, wie ihn alle etablierten Medien doof fanden. Nur weil da ein Selfmade-IT-Millionär aus dem Osten plötzlich in ihre kuschelig-vermiefte Branche eindrang. Wie hinterhältig vor allem die Welt seine erzwungenen Kontakte zur Stasi ausschlachtete. Und wie er immer gezielt missverstanden wird.

Denn Friedrich ist natürlich kein Autokratenversteher, sondern ein Freund Russlands, der „jeden dortigen imperialen Reflex ablehne“. Er könne auch „in Beijing den Fortschritt“ Chinas „ohne jedes Störgefühl“ würdigen, auch wenn er wisse, „dass dort der Grad meiner Individualität […] zu Schwierigkeiten führen würde“.

Weil er die Weltbühne wiederbelebt hat, fühlt sich Friedrich jetzt vom Enkel des Gründers dieser legendären Zeitschrift der Weimarer Zeit, Nicholas Jacobson, verfolgt. Jacobson wirft Friedrich vor, sich nicht ganz sauber um die Titelrechte gekümmert und auf seine Kontaktversuche kaum reagiert zu haben. Friedrich wiederum sieht sich als Antisemiten gegeißelt, weil er im Zusammenhang mit den Weltbühne-Rechten gesagt hatte, ihn freue es, sich als Ostdeutscher gegen den Ostküsten-Geldadel in den USA durchgesetzt zu haben. Und damit natürlich Nicholas Jacobson meinte.

Macht Friedrich nicht genau dasselbe, was der Verleger seinen medialen Widersachern vorwirft?

Aber macht Friedrich nicht genau dasselbe, was der Verleger seinen medialen Widersachern vorwirft? Da wärmt die Weltbühne noch mal längst ausgeräumte Zweifel am Jüdischsein des Chefredakteurs der Jüdischen Allgemeinen, Philipp Peyman-Engel, auf. Beziehungsweise „fragt“, warum Engel „wesentliche Teile seiner Biografie, nennen wir es, unterbelichtete“, wie Friedrich schreibt. Damit diskreditiert er Engel genauso, wie er es anderen Medien mit Blick auf seine Person unterstellt. Die würden halt immer weglassen, was ihnen nicht passt.

Wie die Berliner Zeitung in der von Übermedien ausgegrabenen Geschichte, in der ein aserbaidschanischer Geschäftsmensch gefragt wird, warum „Aserbaidschan mehr bietet, als viele erwarten“. Wobei das Blatt leider zu schreiben vergaß, wie dicht dessen Pasha Holding an der Familie des lupenreinen Autokraten und Präsidenten Ilham Alijew dran ist. Also auch chez Friedrich gilt es, wegzulassen, was nicht passt.

Die schärfsten Kritiker der Elche sind wie immer selber welche, womit sich Friedrich den Wind aus dem Rauschebart nimmt. Und weiter im Trüben fischt. „Oder mächtig dickköpfig dafür sorgt, in die Geschichte einzugehen“, sagt die Mitbewohnerin.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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1 Kommentar

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  • Da es sich bei Herrn Friedrich ja um einen IT-Nerd-Millionär handelt, genügt allein schon, eine Stichprobe in seinem Social-Media-Resonanzraum: Er hat die Berliner Zeitung mit bis heute befeuerter Coronaleugnung, Parteinahme für Putin, BSW, AfD, gekränkte Männlichkeiten, Empörung über "Gender*" zu einer "Quelle" gemacht, die gern von Aluhutträgern und gekränkten Männern zitiert wird. Dass man ihn dann auch noch als Medienpartner bezirzt und auf die Podien des Hans-Otto-Theaters in Potsdam und des Gerhart-Hauptmann-Theaters Görlitz-Zittau bittet, festigt diesen "interessanten" Fritz-Mix aus Arroganz und „O(ut)ssi(der)tum“, das „den Osten“ als Abenteuer-Ruine für Start Ups feiert. Das Görlitzer "Gespräch" mit dem Intendanten: www.youtube.com/watch?v=KVmHRDy4SKY Das Phänomen ist natürlich uralt und brandaktuell zugleich: Entweder die Menschen, die sich von Holger Friedrich und seinen China-Sympathien gespiegelt fühlen, sind sämtlich in der Rolle von Bundeskanzler*innen besetzt und entsprechend besoldet oder fühlen sich um diesen Posten durch "den Westen" geprellt. Dass die neoliberale Managersprache im Fritz-Mix niemanden abschreckt, ist erstaunlich.