Mindestlohn-Erhöhung: Löst die Kommission endlich auf!
Der Mindestlohn bleibt auch 2027 unter 15 Euro. Das magere Ergebnis zeigt: Das entscheidende Gremium ist eine Fehlkonstruktion.

E s war nicht mehr als ein sozialdemokratischer Wahlkampfgag: „Wir garantieren 15 Euro Mindestlohn“, tönte die SPD vollmundig. Sogar noch bei der Vorstellung des schwarz-roten Koalitionsvertrags tat die Parteiführung so, als ob sie Wort halten würde – entgegen ihrer äußerst vagen Vereinbarung mit der Union. Nun steht fest: Es wird keinen Mindestlohn von 15 Euro geben. Der Beschluss der Mindestlohnkommission, mit dem die Bundesarbeitsministerin und neue SPD-Vorsitzende Bärbel Bas nach eigenem Bekunden „gut leben“ kann, liegt deutlich darunter. Die Betroffenen werden damit weniger gut leben können.
Zu Recht spricht der Ökonom Marcel Fratzscher von einer verpassten Chance, da ein höherer Mindestlohn nicht nur Millionen Beschäftigten helfen, sondern auch die Produktivität steigern, faire Wettbewerbsbedingungen fördern und den Arbeitsmarkt attraktiver machen würde. Allerdings war nichts anderes zu erwarten.
Erneut hat sich gezeigt, dass die Mindestlohnkommission eine Fehlkonstruktion ist. Denn die paritätische Besetzung mit jeweils drei Vertreter:innen der Gewerkschaften und der Arbeitgeber:innen suggeriert nur einen Aushandlungsprozess auf Augenhöhe. Anders als in Tarifauseinandersetzungen fehlt der Gewerkschaftsseite jegliches Druckmittel.
In der Konsequenz führt das dazu, dass sie selbst völlig unzureichenden Erhöhungen zustimmt, damit es überhaupt eine Verbesserung gibt. Oder sie lässt sich, wie 2023, zur Gesichtswahrung auch mal überstimmen. Diesmal fiel der Beschluss für die 13,90 Euro im kommenden Jahr und die 14,60 Euro für 2027 mal wieder einstimmig. Dass DGB und SPD das auch noch schönreden, ist Ausdruck der Krise beider Institutionen.

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So jedoch funktioniert es nicht. Am besten wäre es, die Mindestlohnkommission aufzulösen. Stattdessen sollte sich das Arbeitsministerium einfach an der Europäischen Mindestlohnrichtlinie orientieren. Danach müsste ein Mindestlohn mindestens 60 Prozent des mittleren Einkommens entsprechen, um als angemessen zu gelten. Für Deutschland wären das schon heute etwa jene 15 Euro, die die SPD versprochen, aber nicht gehalten hat.
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