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Migrationspolitik in UKPremier Starmer will Migration eindämmen

Die Einwanderung ins UK soll beschränkt werden. Die „Zeiten der offenen Grenze“ seien vorbei.

Will die Einwanderungspolitik verschärfen: der britische Premierminister Keir Starmer, London, am 12.Mau 2025 Foto: Ian Vogler/pool photo via ap

London taz | Der britische Premierminister Keir Starmer hat am Montag einen Kurswechsel in der Migrationspolitik angekündigt. Mit seinem neuen Gesetzesentwurf plane er, die Kontrolle über die Grenzen Großbritanniens wiederzuerlangen, verkündet er während einer Pressekonferenz in der Regierungszentrale in der Downing Street.

Konkret will der Labour-Chef „jeden Bereich des Einwanderungssystems – Arbeit, Familie und Studium“ – verschärfen und „das Experiment der offenen Grenze“ beenden. Die Regierung will unter anderem bessere Englischkenntnisse für die Migration voraussetzen und das für Einwanderungen notwendige Mindestausbildungslevel auf die Höhe eines Bachelor-Hochschuldiploms stellen. Außerdem soll es erst nach zehn, statt wie bisher nach fünf Jahren möglich sein, die britische Staatsbürgerschaft zu beantragen.

Auch Ausnahmen zur Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften im Pflegesektor sollen gestrichen werden und die Ausbildung von Pflegekräften vor Ort erhöht werden, während die Einreisemöglichkeiten für hochtalentierte und sehr gut ausgebildete ausländische Arbeitskräfte verbessert werden sollen. Auch werde es Verschärfungen der rechtlichen Möglichkeiten geben, Abschiebungen zu verhindern.

Starmer bediente sich in seiner Rede eines Slogans, der auf den Brexitanführer und heutigen Parteichef der Rechtsaußen-Partei Reform UK, Nigel Farage, zurückzuführen ist: „Take back control!“ Dieser hatte mit seiner Partei bei den Kommunalwahlen am 1. Mai großflächig Mehrheiten in den Home Counties im englischen Herzland erzielt und der Labour-Partei bei einer Nachwahl im nordwestenglischen Runcorn and Helsby einen eigentlich sicheren Unterhaussitz genommen.

Starmer kritisiert Vorgängerregierungen

Migration ist in Großbritannien seit Jahrzehnten ein wichtiges Thema – insbesondere seit der Osterweiterung der EU im Jahr 2004, als das inzwischen aus der EU ausgetretene Großbritannien seinen Arbeitsmarkt öffnete.

Laut Starmer scheiterten die bisher konservativen Regierungen zwischen 2019 und 2023 daran, die Einwanderung zu senken. Stattdessen sei die Nettoeinwanderung auf ein Vierfaches angestiegen und habe 2023 fast eine Million erreicht, erklärte Starmer. Das sei nicht die Kontrolle gewesen, welche die britische Bevölkerung wählte.

Er verspreche, die Einwanderung bis zum Ende seiner Regierungszeit zu senken und, falls nötig, weitere Schritte einzuleiten. Die Reduzierung von Einwanderung sei ein Hauptanliegen der Arbeiterpartei, behauptete Starmer weiter. „Ich tue dies, weil es fair ist und weil ich daran glaube.“ Die bisherige Einwanderungspolitik führe dazu, dass das Vereinigte Königreich, dessen Diversität zwar zu feiern sei, riskiere „eine Insel von Fremden“ zu werden.

Die Denkfabrik British Future verwies auf eine Bevölkerungsumfrage, die jedoch ergeben habe, dass der britische Missmut sich keineswegs gegen ausländische Pflegekräfte richte, sondern gegen illegal eingewanderte Personen. Oppositionsstimmen der schottischen SNP kritisierten die Maßnahmen als nicht im Interesse Schottlands stehend, wo man Einwanderung begrüße.

Kritik aus der Opposition

Auch die Grünen schlossen sich der Kritik an. Die konservative Oppositionsführerin Kemi Badenoch gab an, dass die Labourregierung einige der Maßnahmen der Tories rückgängig gemacht habe und die Maßnahmen nicht weit genug gingen.

Stimmen aus dem britischen Pflegesektor kritisierten, dass es der niedrige Lohn sei, der Menschen vom den Jobs abhalte, und dass sie bereits alles versuchten, Arbeitskräfte auszubilden und zu rekrutieren. Die angekündigten Maßnahmen würden den Sektor weiter belasten. Am Montagabend hat die Labour-nahe Organisation Stand-up-to-Racism aufgrund der von Starmer angekündigten Maßnahmen zu einer Protestkundgebung aufgerufen.

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4 Kommentare

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  • Dann wird UK wohl demnächst von Einwanderern aus Indien und anderen Commonwealth-Staaten mit hervorragenden Hochschulabschlüssen übernommen und die heimische Bevölkerung wird sich in Zukunft der Pflege und dem Zubereiten von Frühstück und dem Bierausschank für die Leistungsträger widmen. Super-Arbeitsteilung!



    Naja, Britannien hat ja schon mehrfache Übernahmen erlebt: zuerst durch Caesar und das Römische Reich, dann nach dem "ersten Brexit" im Jahr 410 n. Chr. durch die Angelsachsen, nach der Schlacht von Hastings durch die Normannen und jetzt weiß man es noch nicht so genau.

  • Wozu Labour wählen, wenn die rechtspopulistische Politik machen? Die Sozialdemokraten sind überall auf dem Weg nach rechts, machen sich damit überflüssig. Großbritannien ist eine Insel und behauptet ernsthaft, die Migration nicht kontrollieren zu können zumal ich schon als deutscher Touri eine Anmeldung mit Abzocke brauche um ins ach so traumhafte UK einreisen zu dürfen?

  • "Die Reduzierung von Einwanderung sei ein Hauptanliegen der Arbeiterpartei [...], weil es fair ist. " Endlich lässt mal einer die Katze aus dem Sack: Fair ist nicht, dass Menschen für das, was sie tun, einen angemessenen Lohn bekommen. Fair ist auch nicht, dass eine Gesellschaft sich solidarisch organisiert und jeder nach seinem Leistungsvermögen einen Beitrag dazu leistet. Fair ist, die Konkurrenz für diejenigen nach rassistischen Kriterien auszuschalten, die sich durch diese Gesellschaft in ihrem Status oder aber in ihrer Existenz bedroht sehen.



    Ja, Großbritannien droht tatsächlich, zu einer „einer Insel von Fremden“ zu werden. Dass es einen Zusammenhang zwischen sozialer Isolation, Deprivation, Konkurrenzgesellschaft, entfesselten Märkten und Kommodifizierung weiter Lebensbereiche gibt -- geschenkt. Wenn man am System nichts ändern will, muss halt irgendwer herhalten ...



    Dass die deutschen Sozialdemokraten noch nicht auf den Zug aufgesprungen sind -- zumal die Arbeiterschaft ja als tendenziell sozialkonservativ gilt.

    • @Libuzzi:

      "Fair ist, die Konkurrenz für diejenigen nach rassistischen Kriterien auszuschalten, die sich durch diese Gesellschaft in ihrem Status oder aber in ihrer Existenz bedroht sehen."



      Und Tatsache ist, dass es primär darum geht, (arme) Zuwanderer von dieser Gesellschaft fernzuhalten. Das ist nicht rassistisch, sondern ein Kampf gegen Arme.



      Das als rein rassistisch zu labeln, vernebelt das eigentliche Geschehen.