90 Tage Atempause: USA und China verkünden Einigung in Zoll-Gesprächen
China und die USA werden ihre gegenseitigen Zölle 90 Tage lang zum Teil aussetzen und zeigen sich kompromissbereit. Investoren sind skeptisch.

Die Welthandelsorganisation (WTO) und Investoren begrüßten die Äußerungen der beiden Politiker, deren Delegationen am Samstag und Sonntag hinter verschlossenen Türen verhandelt hatten. An den Finanzmärkten wurden tendenziell positive Kursreaktionen erwartet.
Der US-Handelsbeauftragte Jamieson Greer sprach bei dem gemeinsamen Auftritt mit US-Finanzminister Scott Bessent von einer „Vereinbarung, die wir mit unseren chinesischen Partnern getroffen haben“. Diese werde dazu beitragen, das Defizit der USA im internationalen Warenhandel von zuletzt 1,2 Billionen Dollar zu verringern.
„Es ist wichtig zu verstehen, wie schnell wir zu einer Einigung kommen konnten, was zeigt, dass die Differenzen vielleicht nicht so groß waren wie möglicherweise gedacht“, sagte Greer.
China zufrieden
Der chinesische Delegationschef He sprach anschließend ebenfalls von substanziellen Fortschritten. Beide Seiten hätten einen wichtigen Konsens erzielt. Man habe einen Konsultationsmechanismus für Handels- und Wirtschaftsfragen vereinbart. Aufgrund beiderseitiger Bemühungen sei das Treffen produktiv gewesen und ein wichtiger erster Schritt.
Die Unterhändler beider Seiten hatten darüber beraten, wie der Konflikt um drastische Zollerhöhungen zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Welt entschärft werden kann.
Trump hatte nach dem ersten Verhandlungstag bereits eine positive Zwischenbilanz gezogen: „Ein sehr gutes Treffen mit China heute in der Schweiz. Viele Dinge besprochen, viel vereinbart“, schrieb er auf seinem Kurznachrichtendienst Truth Social. „Wir wollen, zum Wohle Chinas und der USA, eine Öffnung Chinas für die amerikanische Wirtschaft.“
Weltweit wurden die Gespräche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, da ihr Ausgang als entscheidend für die weitere Entwicklung des globalen Handels gilt. Die von Trump angekündigten Zölle hatten an den Finanzmärkten weltweit schwere Turbulenzen und starke Kurseinbrüche ausgelöst.
Trump zeigt sich kompromissbereit
Bereits am Freitag hatte er sich zu Abstrichen an seinem restriktiven Kurs bereit gezeigt und erklärt, Zölle von 80 Prozent auf chinesische Waren seien „richtig“. Bislang gelten Zölle in Höhe von 145 Prozent.
Vergangene Woche haben die USA mit Großbritannien ein erstes von zig geplanten bilateralen Handelsabkommen abgeschlossen. Ein Abkommen mit China gilt aber als das wichtigste wegen des enormen Handelsvolumens und der Bedeutung für die Weltwirtschaft. Die Verhandlungsteams trafen sich in der Villa des Schweizer UN-Botschafters, die über einen eigenen Park mit Blick auf den Genfer See im Vorort Cologny verfügt.
Nach Auffassung der USA ist China bestrebt, die bilateralen Handelsbeziehungen neu zu gestalten. „Es sieht so aus, als ob die Chinesen sehr, sehr erpicht darauf sind, mitzumachen und die Dinge wieder zu normalisieren“, sagte Kevin Hassett, Direktor des Nationalen Wirtschaftsrats der USA, dem Sender Fox News. Nach der jüngsten Bekanntgabe eines Abkommens mit Großbritannien könnten weitere Handelsabkommen bevorstehen, sagte Hassett.
Die Chefin der Welthandelsorganisation, Ngozi Okonjo-Iweala, zeigt sich „erfreut über das positive Ergebnis“ der Handelsgespräche zwischen den USA und China.
Einige Finanzexperten sind skeptisch
„Ich fordere beide Staaten auf, diese Dynamik zu nutzen, indem sie weiterhin praktische Lösungen entwickeln, die Spannungen verringern, Berechenbarkeit wiederherstellen und das Vertrauen in das multilaterale Handelssystem stärken“, erklärt die WTO-Generaldirektorin. Dies sei auch für den Rest der Welt wichtig, einschließlich der schwächsten Volkswirtschaften.
„Ich halte das für einen Schritt in die richtige Richtung. Es ist nicht wahrscheinlich, dass dies eine dramatische Markterholung auslöst, aber es wird sicherlich auch keinen Verkaufsdruck erzeugen“, erklärte Eric Kuby, Investmentchef der North Star Investment Management Corp.
David Wagner von Aptus Capital Advisors erklärte, zwar sei bereits Optimismus in den Markt eingepreist. „Aber die positive Stimmung rund um das Thema sollte eine Markterholung weiter vorantreiben.“
Gennadiy Goldberg von TD Securities gab jedoch zu bedenken die Vereinbarung könne weniger substanziell sein als erwartet: „Dann könnte sich der Markt enttäuscht abwenden.“
Skeptisch äußerte sich Christopher Hodge von Natixis: „Ich denke, die Risiken zum extrem Negativen sind zwar vom Tisch. Aber am Ende werden die Zölle immer noch dramatisch höher sein und das Wachstum in den USA belasten.“
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