Verleihung Deutscher Filmpreis: Trauerrede für ein Wunder
Beim 75. Deutschen Filmpreis gingen viele Ehrungen an politische Filme. Die verstorbene Holocaustüberlebende Margot Friedländer wurde spontan geehrt.

„Act Now!“ lautet der Untertitel des vorgeblich besten deutschen Dokumentarfilms des Jahres. Der Appell könnte nicht lauter, nicht dringlicher sein. Am Freitag, als im Berliner Theater am Potsdamer Platz die Deutschen Filmpreise verliehen wurden, ging er über Doris Metzs filmisches Dokumentarporträt der Politikerin Petra Kelly, das mit einer Lola ausgezeichnet wurde, hinaus.
Die 75. Verleihung stand ganz im Geiste eines Aufrufs zum Handeln. Denn auf dem Spiel stünde die Erhaltung von Vielfalt, sagte Akademiepräsident und Regisseur Florian Gallenberger, kritisierte gemeinsam mit seiner Präsidiumskollegin Vicky Krieps die (kultur-)politisch-nationalistischen Bestrebungen der AfD – und holte den neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer mit der Frage auf die Bühne, wie er diese Vielfalt zu sichern gedenke. Weimer ließ sich jedoch nicht von seinen ebenso worthülsenstarken wie unkonkreten Begrüßungsworten abbringen.
„Wir sind in einer Vorkriegszeit“, befand kurz darauf Liedermacher Wolf Biermann, der seinen Song mit einer bedrückenden Rede über den Rechtsruck in Politik und Gesellschaft einleitete, „der besiegte Faschismus feiert facettenreich seine Renaissance“.
Eine traurige Nachricht
Dass die wichtigsten Spielfilm-Lolas an politische Filme gingen, passte demzufolge: Andreas Dresens Porträt der Widerstandskämpferin Hilde Coppi, „In Liebe, Eure Hilde“, wurde mit Bronze, Mohamad Rasoulofs eindrücklicher Thriller über die iranische Diktatur, „Die Saat des heiligen Feigenbaums“, mit der Trophäe in Silber geehrt.
Die goldene Lola gesellte sich zu acht weiteren, unter anderem für die Beste Regie, das Beste Drehbuch, die Beste weibliche Nebenrolle und den Besten Schnitt: „September 5“, Tim Fehlbaums Kammerspiel über die mediale Berichterstattung beim Olympia-Attentat 1972, konnte so am Ende neunmal feiern.
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Die Trauerrede von Igor levit

Die vage bis konkrete Beklemmung, die momentan jedes Zusammentreffen befällt, war dennoch so deutlich wie nie – und schien in einer traurigen Nachricht zu kulminieren, von der Pianist und Laudator Igor Levit ebenso überrascht wurde wie das Publikum: „Vor acht Minuten habe ich erfahren, dass Margot Friedländer gestorben ist“, sagte ein um Fassung ringender Levit auf der Bühne.
Seine spontane Trauerrede bewegte den Saal: Friedländer sei „ein Wunder“ gewesen und dass sich zeigen werde, „ob ihre Appelle dazu führen, dass wir nicht nur in diesen Räumen, da, wo es bequem ist, ihre Ziele formulieren, sondern dass wir die Ziele da draußen auch verfolgen“. Mit anderen Worten: „Act Now!“
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