: Wählen Sie Europa!
Die Migrationsdebatte bekommt einen neuen Aspekt: die Abwanderung von Forschern, die in ihrem Heimatland nicht mehr wohl gelitten sind. Derzeit baut sich eine Welle aus den USA auf, wo Präsident Donald Trump einen Feldzug gegen Hochschulen und bestimmte Wissenschaftsdisziplinen wie Klimaforschung und Gender Studies begonnen hat. Eine aktuelle Reaktion darauf ist das europäische Programm „Choose Europe for science“, das EU-Kommisssionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag dieser Woche in der Pariser Sorbonne-Universität vorstellte.
Auch in Deutschland richtet sich die neue Bundessregierung auf einen Forscher-Exodus nicht nur aus Amerika ein. Der schwarz-rote Koalitionsvertrag sieht ein „1.000-Köpfe-Programm“ vor, mit dem „internationale Talente gewonnen“ werden sollen. In Zeiten globaler Polarisierung wolle sich Deutschlland „als attraktives Zielland und sicherer Hafen der Wissenschaftsfreiheit für Forschende aus aller Welt“ präsentieren.
Während die deutsche Offerte noch nicht finanziell unterlegt ist, nannte von der Leyen auf der von Frankreichs Staatschef Emanuel Macron einberufenen Wissenschafts-Konferenz bereits eine konkrete Summe. 500 Millionen Euro aus EU-Mitteln sollen in den Jahren 2025 bis 2027 bereitstehen, um Forscher aus USA nach Europa zu locken. „Diejenigen, die sich für Europa entscheiden, erhalten höhere Vergütungen und längere Verträge“, kündigte sie an. Für arrivierte Spitzenforscher werde es einen „super grant“ für die Dauer von sieben Jahren geben. Förderquelle ist der Europäische Forschungsrat ERC (European Research Council), der im Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe“ für die Grundlagenforschung zuständig ist. Für jüngere NachwuchsfForscher werde das „Maria Skłodowska-Curie“-Programm aufgestockt, damit höhere Vergütungen und längere Verträge angeboten werden können. Auch für besondere Zukunftsfelder wie die KI-Forschung werde „Choose Europe“ zusätzliche Mittel anbieten.
Das Angebot des Alten Kontinents dürfte jenseits des Atlantiks auf gesteigertes Interesse stoßen. So haben sich nach einer Analyse der Fachzeitschrift Nature die US-Bewerbungen auf Stellenanzeigen von europäischen Wissenschaftseinrichtungen binnen eines Jahres um 41 Prozent erhöht. In einem offenen Brief warnten im April in der Washington Post rund 2.000 Forscher vor der Politik der Trump-Regierung nach deren Ankündigung, Hunderte Millionen Dollar an Fördergeldern zu kürzen und massive Entlassungen vorzunehmen. Dadurch würde unter anderem die Forschung zu neuen Behandlungsmethoden gegen Krankheiten unterbrochen, Lehrkräfte müssten entlassen und Doktoranden könnten nicht mehr eingestellt werden. „Der wissenschaftliche Betrieb der USA wird dezimiert“, heißt es in dem Appell.
Manfred Ronzheimer
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