piwik no script img

Kanzlerwahl im BundestagLetzte Hürde für Schwarz-Rot und einen Kanzler Merz

CDU-Chef Merz will sich an diesem Morgen im Bundestag zum zehnten Bundeskanzler wählen lassen. Die Mehrheit von Union und SPD ist aber äußerst knapp.

Das Bundeskanzleramt in Berlin: Merz muss die absolute Mehrheit aller Bundestagsmitglieder bekommen, nicht nur der Anwesenden

Berlin dpa | Auf den Tag genau ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampelkoalition soll die Bildung einer neuen Bundesregierung von CDU, CSU und SPD am Dienstag abgeschlossen werden. CDU-Chef Friedrich Merz stellt sich am Morgen im Bundestag für das Amt des Bundeskanzlers zur Wahl. Obwohl das Polster der schwarz-roten Koalition zur erforderlichen „Kanzlermehrheit“ von 316 Stimmen mit zwölf Stimmen recht dünn ist, gilt die Wahl als ziemlich sicher.

Sollte es im ersten Anlauf nicht klappen, wären weitere Wahlgänge möglich. Läuft alles wie geplant, werden Merz und seine 17 Bundesministerinnen und -minister bis zum Nachmittag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ernannt und im Bundestag vereidigt.

Anschließend geht die fünfte schwarz-rote Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik an die Arbeit. Der scheidende Kanzler Olaf Scholz (SPD) will die Amtsgeschäfte bereits am Nachmittag an Merz übergeben. Am Mittwoch will Merz dann zu seinen ersten Antrittsreisen nach Paris und Warschau aufbrechen.

Sowohl Merz als auch der SPD-Chef und designierte Vizekanzler Lars Klingbeil haben sich aber zuversichtlich gezeigt, dass nichts mehr schiefgehen kann. Ausnahmslos alle Abgeordneten seien am Dienstag an Bord, versprach Merz am Montag. Klingbeil sagte über seine Fraktion: „Ich rechne damit, dass wir vollständig sind und ich rechne damit, dass alle mit Ja stimmen.“

Erste Kabinettssitzung mit Streichliste für Beauftragte

Die erste Kabinettssitzung soll bereits am Abend stattfinden (18.00 Uhr). Zum Auftakt will Schwarz-Rot ein erstes Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösen: die drastische Kürzung der Sonderbeauftragten, Beauftragten und Koordinatoren. Nach der Beschlussvorlage, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, sollen 25 dieser Posten gestrichen werden. Zuerst hatten Politico und die Süddeutsche Zeitung darüber berichtet.

Auf der Streichliste stehen unter anderem die Beauftragten für die Meere, den Radverkehr, die feministische Außenpolitik, die „Planung der Zeitenwende“ und für die internationale Klimapolitik.

Dobrindt will sofort Grenzkontrollen verschärfen

Deutlich mehr Aufmerksamkeit wird bekommen, was der designierte Innenminister Alexander Dobrindt zur Eindämmung der irregulären Migration angekündigt hat. „Die ersten Entscheidungen werden nach Amtsantritt an diesem Mittwoch getroffen. Dazu werden die Grenzkontrollen hochgefahren und die Zurückweisungen gesteigert“, hat der CSU-Politiker in der Bild am Sonntag angekündigt.

Am selben Tag absolviert Merz seine ersten Antrittsbesuche in den Nachbarländern Frankreich und Polen. Warschau ist alles andere als begeistert von den deutschen Plänen zur Kontrolle der Grenzen. Das dürfte Thema beim Treffen von Merz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk sein.

Beatles, Bach und „Respect“ beim Zapfenstreich für Scholz

Die Amtsübergabe im Kanzleramt ist für Dienstagnachmittag geplant – unmittelbar nach der Vereidigung des Kabinetts. Der scheidende Kanzler Olaf Scholz war dann 1.245 Tage im Amt. Am Montagabend wurde er auf dem Paradeplatz des Verteidigungsministeriums von der Bundeswehr in Anwesenheit von Merz mit einem großen Zapfenstreich verabschiedet. Das Stabsmusikkorps spielte zum Abschied Beatles, Bach und den Soul-Klassiker „Respect“ für den 66-jährigen SPD-Politiker.

Auf der Tribüne saßen neben seiner Frau Britta Ernst viele Weggefährten seiner drei Regierungsjahre. Einer fehlte aber. Der frühere Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner, den Scholz im erbittert geführten Ampel-Streit über den Haushalt entlassen hatte, blieb der Abschiedszeremonie fern. „Meine Abwesenheit hat keinen politischen Hintergrund. Heute Abend gehen väterliche Pflichten vor“, schrieb er auf X zur Begründung.

Scholz: „Ausdruck demokratischer Normalität“

Den unmittelbar bevorstehenden Regierungswechsel nannte Scholz in seiner Rede einen „Ausdruck demokratischer Normalität“. Es sei in diesen Zeiten „keineswegs normal, dass sich ein solcher Wechsel so zivilisiert, so kollegial und so anständig vollzieht, wie wir das in diesen Tagen hier in Deutschland erleben“, sagte er. Scholz wird nun vom Kanzleramt auf die Hinterbank des Bundestags wechseln und will dort als direkt gewählter Abgeordneter in seinem Wahlkreis Potsdam auch die ganze Legislaturperiode bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!