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Attentat an israelischen DiplomatenMörderische Selbstgerechtigkeit

Bernd Pickert
Kommentar von Bernd Pickert

Für alle, denen es wirklich um das Leben der Pa­läs­ti­nen­se­r geht, ist heute ein schwarzer Tag – nicht nur wegen der erwartbaren Reaktionen Trumps.

Gestern Nacht am Tatort in Washington Foto: Mehmet Eser/Zuma/imago

Z wei junge Mit­ar­bei­te­r*in­nen der israelischen Botschaft in den USA sind erschossen worden. Noch ist unklar, ob der mutmaßliche Täter, der 30-jährige Elias Rodriguez aus Chicago, die beiden dezidiert als Ziel genommen hat. Ob er sie kannte und wusste, wer sie sind, oder ob er sich einfach nur vor das Jüdische Museum in der Innenstadt stellte und auf irgendjemanden seine Waffe richtete, der das Museum verließ, wo ein Empfang für Jungdiplomaten stattfand.

Wenn man das vermutlich authentische, unter dem Titel „Eine Erklärung“ veröffentlichte Manifest des Attentäters liest, spielt das keine Rolle. Lange referiert er über das israelische Vorgehen im Gazastreifen, das er als Genozid bezeichnet, um dann zum Kern zu kommen: der mörderischen Selbsterhöhung seiner selbst als eines Gerechten, der über das Leben anderer entscheiden darf. Anderer, denen er – in ihrer mutmaßlichen Eigenschaft als Täter in Gaza – das Menschsein abspricht. „Diejenigen von uns, die gegen den Genozid sind, argumentieren gern damit, dass die Täter und Helfershelfer ihre Menschlichkeit verwirkt haben. Ich sympathisiere mit diesem Standpunkt“, schreibt er.

Er weiß um Terror als Botschaft, und genau so will er seine Tat auch verstanden wissen – heute, so seine Ansicht, würde das auf Verständnis stoßen und anders als früher sogar als einzige wirklich angebrachte Handlungsoption gesehen werden.

Das ist, aus anderen Umständen heraus, die gleiche kranke Scheiße, die irgendwelche rassistischen Mörder anführen, um den Untergang der Weißen aufzuhalten. Die gleiche Selbstermächtigung, anderen das Leben zu nehmen, Familien zu zerstören. Die gleiche unerträgliche Selbstgerechtigkeit, die deutsche Linke von der RAF kannten – interessanterweise nicht zuletzt auch, wenngleich nicht nur, im Israel-Palästina-Zusammenhang.

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Für alle, denen es wirklich um das Leben der Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen geht, ist das ein schwarzer Tag. Nicht nur wegen der erwartbaren Reaktion der Trump-Regierung, die auch friedlichen Protest nicht dulden mag.

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Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. Bluesky: @berndpickert.bsky.social In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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4 Kommentare

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  • ich bin es einfach nur noch so satt das alles was wir bisher auf diesem Planeten geschafft haben, nur dazu dient einander noch effizienter zu töten.

  • Ich stimme zu, dass es die gleiche RAF Scheiße ist, aber das passivieren der Opfertötung, des Mordes ist schade.

    Es mag für Palisolis ein schlechter Tag sein ( TikTok feiert es eher ).

    Aber für wen es ein wirklich schlechter Tag ist für die zwei erschossenen. Für die zwei Menschen in ihrer Beziehung. Zwei Universen ausgelöscht und damit die Zukunft eines Pärchens in Deutschland, die bis dahin gezeigt haben, dass auch teils jüdisches Leben eine Zukunft hier hat.

  • Da haben wir es, schwarz auf weiß. Antisemitismus. Entmenschlichender tötender Hass, ohne jeden Raum für das Individuum oder die Würde und Rechte eines jeden Menschen.

    Der neue Antisemitismus hat sich (einmal mehr) selbst als der alte entlarvt.

    Die Debatte ist vorbei.

  • Danke an Bernd Pickert für die klaren Worte.