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Terroranschlag in IndienViele Tote bei Angriff im indischen Teil Kaschmirs

Angreifer haben in einem Urlaubsgebiet das Feuer auf männliche Touristen eröffnet. Indiens Innenminister spricht von Terror, die Täter sind flüchtig.

Indische Sicherheitskräfte patrouillieren im von einem Generalstreik geschlossenen Touristenort Pahalgam am Tag nach dem Angriff Foto: Dar Yasin/ap/dpa

Mumbai taz/afp | Am Mittwochmorgen hat ein Streik das öffentliche Leben im indisch verwalteten Teil der Himalaja-Region Kaschmir lahmgelegt. Auch Schulen und Hochschulen blieben geschlossen. Mit dem Ausstand wurde gegen einen Anschlag am Vortag in einem Waldgebiet nahe dem bei Tou­ris­t:in­nen beliebten Ort Pahalgam protestiert. Laut Augenzeugen waren Angreifer aus dem Dickicht herausgesprungen und hatten das Feuer auf Touristen eröffnet. Frauen hätten sie verschont, auf Männer gezielt geschossen, berichteten Augenzeugen.

Nach Polizeiangaben kamen am Dienstag 26 Menschen ums Leben, viele weitere wurden verletzt. Eine Besucherin aus Südindien berichtete der Nachrichtenagentur AFP, einer der bewaffneten Männer habe zu ihr gesagt: „Ich werde dich nicht töten. Geh und sag das [Regierungschef Narendra] Modi.“ Unter den Toten sind Männer aus verschiedenen Teilen Indiens, zwei aus der Region selbst sowie ein Marineoffizier und ein Geheimdienstmitarbeiter.

Die Nachricht des Angriffs löste Trauer und Entsetzen aus. In Kaschmir hat sich der Tourismus, der auch eine wichtige Einnahmequelle ist, zuletzt wieder erholt. Die Bergregion bietet Wintersportmöglichkeiten und im Sommer die Option, der drückenden Hitze in anderen Regionen des Subkontinents zu entkommen.

Im Jahr 2024 besuchten 3,5 Millionen Menschen die Region. Diesen Wirtschaftszweig wiederzuleben ist auch ein Anliegen der indischen Regierung. Doch wird dieser Vorfall die Pläne zurückwerfen. Die Behörden erleichtern derzeit die Ausreise von Tourist:innen. Die Zurückgebliebenen sollen entschädigt werden, äußerte sich der lokale Regierungschef Omar Abdullah.

Touristen verlassen betroffenen Ferienort

„Es bricht uns das Herz, dass unsere Gäste das Tal nach dem gestrigen tragischen Terroranschlag in Pahalgam verlassen – aber wir verstehen es vollkommen“, sagte Abdullah. Der betroffene Ferienort befindet sich etwa 90 Kilometer von Srinagar, der Hauptstadt des Unionsterritoriums, entfernt. Zur Evakuierung der Verletzten wurden Militärhubschrauber eingesetzt, da das Gebiet nur zu Fuß oder zu Pferd erreichbar ist.

Premierminister Narendra Modi von der hindunationalistischen Volkspartei BJP brach inzwischen seinen Saudi-Arabien-Besuch ab und flog nach Indien zurück. Er sprach von einer „abscheulichen Tat“ und kündigte an, die noch flüchtigen Täter zur Rechenschaft zu ziehen.

Innenminister Amit Shah reiste an den Anschlagsort. „Indien wird sich dem Terror nicht beugen“, sagte er. Die Verantwortlichen würden „mit aller Härte“ bestraft. Medien berichteten über Sicherheitslücken, die zum Ausmaß der Tat geführt haben könnten. Aus der Opposition gibt es Forderungen nach dem Rücktritt des Innenministers.

Zunächst bekannte sich niemand zu dem Angriff. In der mehrheitlich muslimischen Region kommt es jedoch immer wieder zu Aufständen – manche fordern ein unabhängiges Kaschmir oder den Anschluss an Pakistan. Auch Pakistan beansprucht Teile des umstrittenen Gebiets, von dem es einen Teil kontrolliert. Mehrfach kam es deshalb schon zum Krieg zwischen den weiterhin verfeindeten Nachbarn.

Internationale Verurteilung des Anschlags

Indien beschuldigt Pakistan regelmäßig, bewaffnete Aufständische zu unterstützen, was Islamabad zurückweist. Indien hat eine halbe Million Soldaten in der Region stationiert und geht dort seit 1989 gegen Rebellengruppen vor. Dabei wurden zehntausende Zivilisten, Soldaten und Rebellen getötet. Die Modi-Regierung hob 2019 die Teilautonomie des Gebiets auf, seitdem haben die Kämpfe etwas nachgelassen.

Zuletzt erschütterte ein schwerer Anschlag die Region im Februar 2019 in Pulwama: Damals rammte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug in einen indischen Polizeikonvoi – mindestens 40 Menschen starben.

Der Angriff wurde international verurteilt und ereignete sich nur einen Tag nach dem Besuch von US-Vizepräsident J. D. Vance bei Modi. Vance, der mit seiner Familie auf einer viertägigen Indien-Reise ist, sprach bei X den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.

Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte auf X den „brutalen Terroranschlag“ aufs Schärfste. Es gebe „keine Rechtfertigung für die Ermordung Unschuldiger“. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem „abscheulichen Terroranschlag“. Europa werde an Indiens Seite stehen. Auch UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den Angriff über seinen Sprecher. Attacken auf Zivilisten seien „unter keinen Umständen akzeptabel“.

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