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Das Spiel ihres Lebens

Mit kleinen Schritten hat sich Werder Bremen in der Bundesliga etabliert. Im DFB-Pokalfinale gegen Bayern rechnet man sich trotz allem Chancen aus

Auf dem Weg zum großen Traum: Sophie Weidauer trifft im Halbfinale gegen den HSV Foto: Gregor Fischer/dpa

Von Ralf Lorenzen

Am Sonntagabend erst lief im NDR die TV-Dokumentation „Das Spiel ihres Lebens“, welche die Spielerinnen vor und nach dem DFB-Pokalhalbfinale zwischen dem HSV und Werder Bremen begleitete. 57.000 Zu­chaue­r:in­nen hatten es im Volksparkstadion gesehen. Am Donnerstag wird das Werder-Team ein noch bedeutenderes Spiel erleben – das Pokalfinale in Köln.

„Ich hätte mir niemals träumen lassen, dass ich nochmal im Pokalfinale stehe“, sagt Sophie Weidauer, die 2022 mit Turbine Potsdam schon mal im Finale stand und nun Werder mit einem Doppelpack gegen den HSV dahin brachte. Das Finale ist aber nicht nur für mich besonders, sondern auch für die ganze Mannschaft, für den Verein.“

Die erwähnte TV-Doku zeigt in einem Rückblick, wie die damalige Werder-Trainerin Birte Brüggemann 2007 die Spielerinnen für die gerade neu gegründete Frauen-Abteilung castete. Brüggemann, die bis heute als Abteilungsleiterin treibende Kraft und Kopf des Frauenfußballs bei Werder ist, erinnert sich an ein Interview des damaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger in Werders erstem Jahr, in dem dieser sagte, es wäre doch schön, wenn es auch im Frauenfußball irgendwann mal ein Spiel Werder Bremen gegen Bayern München geben würde.

Als Werder in der Verbandsliga neu begann, spielten die Bayern wie der VfL Wolfsburg bereits in der Bundesliga. An der Weser wurde auch danach nicht geklotzt wie an anderen Standorten. Mit einer Strategie der kleinen Schritte ging es über die zweite Liga und eine mehrjährigen Phase als Fahrstuhlteam ins gesicherte Mittelfeld des Oberhauses. Aktuell liegt das Team von Trainer Thomas Horsch auf Platz sieben, auf dem auch die letzte Saison abgeschlossen wurde.

Bei der Etablierung in der Bundesliga profitierte auch Werder vom Boom des Frauenfußballs nach der EM in England 2022, in deren Folge sowohl die TV- als auch die Sponsoreneinnahmen deutlich stiegen. „Wir haben in dieser Saison schon den Etat erhöht und werden das auch in der neuen Saison tun“, sagt Werders Sportvorstand Clemens Fritz. „Mehr Vereine in der Liga investieren und es geht immer mehr um die Professionalisierung. Das sind wichtige Schritte.“ Bei Werder bedeutet Professionalisierung unter anderem, dass der Trainerstab besser ausgestattet wurde. Und die Spielerinnen können mittlerweile auch in Bremen von ihrem Gehalt leben. Die Top-Drei der Liga – Bayern München, VfL Wolfsburg und Eintracht Frankfurt sind allerdings so weit entrückt, dass es mittelfristig nur darum gehen kann, sich im Mittelfeld gegen Freiburg, Hoffenheim und Leipzig zu behaupten. Und sich dem Ansturm neuer Wettbewerber aus Berlin, Stuttgart oder Dortmund zu erwehren.

Werder bleibt auch weiter ein Ausbildungsverein, der regelmäßig seine besten Spielerinnen verliert. Wie nach dieser Saison Sophie Weidauer, die ihren Vertrag nicht verlängerte. Oder Eigengewächs Michelle Ulbrich, die im Winter zu Bayern München ausgeliehen wurde. „Gute Spielerinnen zu haben, heißt auch, gute Spielerinnen zu verlieren“, sagte Brüggemann Ende letzten Jahres. „Es gibt nichts Schöneres, als Stars selbst zu formen und nicht zu kaufen.“

Den Vertrag nicht verlängert hat auch Thomas Horsch, der nach vier Jahren als Cheftrainer der Frauen für sich „ein neues Kapitel“ aufschlagen möchte. Dafür kommt mit Friederike Kromp, die derzeit die U20 von Eintracht Frankfurt trainiert, eine ausgewiesene Expertin für die Nachwuchsarbeit.

„Wir haben in dieser Saison den Etat erhöht und werden das auch in der neuen Saison tun“

Clemens Fritz, Sportvorstand

Vorher will die Mannschaft Horsch aber noch den Pokal schenken. Gegen Bayern München sind die Bremerinnen zwar krasse Außenseiterinnen, doch in der Liga verloren sie zuletzt in München nur knapp mit 0:1. Die Münchnerinnen reisen zwar als deutsche Meisterinnen an, den Pokal konnten sie aber das letzte Mal vor 13 Jahren gewinnen.

Die Kulisse von 44.000 Zuschauer:innen, zu der der Bremer Anhang die Hälfte beitragen wird, schreckt Sophie Weidauer nicht: „Das beflügelt mich noch mehr“, sagte Weidauer dem Weser-Kurier. „Man weiß: Diese Menschen, die sind für uns gekommen und wollen uns Fußballspielen sehen. Und es ist für mich dann das befreiendste Gefühl zu wissen, ich darf heute da draußen stehen. Solche Kulissen können einen tragen.“

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