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Fünf Preiszonen wären ideal

Der Strompreis im deutschen Großhandel kennt keine regionale Differenzierung. Die Übertragungsnetzbetreiber wollen das ändern

Dies ist keine Kupferplatte, sondern eine Starkstromleitung bei Pforzheim Foto: Arnulf Hettrich/imago

Von Bernward Janzing

Deutschlands Strommarkt müsste idealerweise in bis zu fünf regionale Zonen aufgeteilt werden. Zu diesem Ergebnis kommt eine von den europäischen Übertragungsnetzbetreibern am Montag nach jahrelangen Vorarbeiten präsentierte Analyse der europäischen Großhandelsmärkte. Aktuell nämlich gibt es in Deutschland – anders als etwa in Norwegen und Schweden – an der Strombörse nur einen landesweiten Einheitspreis. An welchem Ort Stromerzeuger und -verbraucher ansässig sind, spielt bei diesem Konzept keine Rolle. Das führt immer wieder zu erheblichen Marktverwerfungen.

Politisch ist das ein heißes Eisen, weil eine Aufspaltung in mehrere Zonen dazu führen würde, dass der Strompreis je nach örtlichem Angebot und örtlicher Nachfrage regional zeitweise unterschiedlich hoch sein kann. Die Politik schreckt deswegen davor zurück: „Wir halten an einer einheitlichen Stromgebotszone fest“, heißt es auch im aktuellen Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD. Spötter nennen dies „das Prinzip Kupferplatte“: Man tut einfach so, als könne der Strom jederzeit in jeder Menge von überall an jeden Ort im Land fließen.

Weil das natürlich nicht der Fall ist, zeigen die Analysen der Stromwirtschaft, dass eine Aufteilung der deutschen Preiszone (die auch Luxemburg umfasst) in fünf Regionen unter den analysierten Alternativen wirtschaftlich am besten abschneidet. Grob betrachtet, würde in diesem Fall eine Zone Baden-Württemberg, Bayern und Hessen umfassen, die zweite von der Pfalz bis Nord-Rhein-Westfalen reichen, die dritte Niedersachsen, die vierte Schleswig-Holstein und die fünfte die ostdeutschen Länder abdecken.

Ein solcher Neuzuschnitt des Stromgroßhandels wäre freilich mit Aufwand verbunden. Deshalb plant der europäische Dachverband der Transportnetzbetreiber, Entso-E, drei bis fünf Jahre für die Umsetzung ein. Die anschließende Amortisationszeit, bis sich die Umstellung also rechnet, nimmt der Entso-E mit vier bis neun Jahren an.

Zwar räumt der Entso-E ein, dass sich die Verhältnisse zum Beispiel durch Netzausbau wieder verändern werden. Gleichwohl ist unter Energieökonomen die grundsätzliche Erkenntnis, dass eine von erneuerbaren Energien geprägte Stromwirtschaft an regional differenzierten Preisen kaum vorbeikommt, weitgehend unstrittig. „Lokale Preise sind notwendig, um Erzeuger, Speicher, Elektroautos, industrielle Flexibilitäten, Importe und Exporte zu koordinieren“, sagt etwa Lion Hirth, Professor für Energiepolitik an der Hertie School in Berlin.

Ein plastisches Beispiel, wie Stromspeicher durch falsche Preissignale fehlgeleitet werden, liefert immer wieder das Schluchseewerk im Schwarzwald: Das Pumpspeicherkraftwerk pumpt nämlich Wasser den Berg hinauf, wenn Strom in Gesamtdeutschland im Überfluss vorhanden und damit billig ist – selbst dann, wenn zugleich im Südwesten ein Engpass herrscht und Strom dort eigentlich teuer sein müsste. Ökonomen sprechen von Fehlallokationen.

Nach dem nun vorliegenden sogenannten „Bidding Zone Review“ muss Deutschland in Zusammenarbeit mit den vier hiesigen Übertragungsnetzbetreibern innerhalb von sechs Monaten einen nationalen oder multinationalen Aktionsplan erstellen, oder aber die Konfiguration seiner Gebotszone überprüfen und anpassen. Entscheidet sich Deutschland für eine Änderung der Gebotszone, muss zusammen mit den betroffenen Nachbarländern innerhalb von sechs Monaten darüber einstimmig entschieden werden. Gelingt der Konsens nicht, übernimmt die Europäische Kommission das Verfahren und entscheidet darüber nach Rücksprache mit Acer, dem Verband der europäischen Regulierungsbehörden im Strommarkt, binnen sechs Monaten.

„Wir halten an einer einheitlichen Stromgebotszone fest“

Die Groko

Vor allem die südlichen Bundesländer, die tendenziell knapp mit Strom versorgt sind, stellen sich bereits gegen die Pläne – die Parteizugehörigkeit rückt dabei in den Hintergrund. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte kürzlich: „Unser Land darf nicht gespalten werden.“ Für Baden-Württemberg teilte das grün geführte Umweltministerium mit, es sei „der Erhalt der einheitlichen deutschen Stromgebotszone einer Trennung vorzuziehen“; die vorgestellte Analyse sei „keine belastbare Grundlage“ für einen Split der Einheitszone.

Doch seit Montag ist klar, dass regionale Partialinteressen in den Hintergrund rücken und eine entscheidende Rolle im weiteren Verlauf die EU spielen wird – und mehr als bisher auch die Physik.

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