piwik no script img

Der Stadtrand wird abgehängt

Nextbike wird kleingeschrumpft: Der Senat will kein Geld mehr für ein öffentliches Fahrradleihsystem ausgeben

Von Johanna Weinz

Der Bus fällt aus, Sie haben kein eigenes Fahrrad zur Hand oder wollen nach der Bahnfahrt die letzten Meter nach Hause radeln? Für Berliner:innen, die schnell mal auf ein Leihrad aufspringen wollen, wird das Anbebot schlechter. Ab Juli wird es in der Hauptstadt kein öffentlich gefördertes Leihradsystem mehr geben. Grund dafür ist der auslaufende Vertrag zwischen dem Berliner Senat und dem Anbieter Nextbike.

Das Leihradsystem Nextbike mit Sitz in Leipzig gibt es weltweit in über 300 Städten. In Berlin besteht es seit 2017: Es ist das einzige Leihradangebot, das vom Land gefördert wird – damit können diese Räder auch außerhalb des S-Bahnrings ausgeliehen und abgegeben werden. Nach eigenen Angaben zählte Nextbike Berlin im ersten Quartal diesen Jahres über 1,25 Millionen Fahrte.

Doch der Vertrag des Landes mit der Nextbike GmbH läuft im Juni aus – und „vor dem Hintergrund der schwierigen Haushaltslage“ will die Verkehrsverwaltung den Wettbewerb um das öffentliche Fahrradverleihsystem nicht erneut ausschreiben. Nextbike sei nun verpflichtet, baulich errichtete Stationen rückzubauen.

Ganz konkret handelt es sich um 265 Fahrrad-Stationen, verkündete das Unternehmen. Gleichzeitig erfolge eine Verkleinerung des Bediengebietes, vor allem in Außenbezirken wie Steglitz, Neukölln, Tempelhof, Marzahn-Hellersdorf, Pankow, Reinickendorf. Nur Hotspots in den Außenbezirken blieben noch erhalten. „Wir werden den Betrieb nahtlos fortsetzen“, sagt Mareike Rauchhaus, Pressesprecherin von Nextbike. Die Stationen würden, wo es geht, durch virtuelle ersetzt.

Die Entscheidung des Senats versteht sie nicht: „Die deutsche Hauptstadt wird also in Kürze kein öffentliches städtisches Bike-Sharing mehr haben. Das ist ein absolut negatives Alleinstellungsmerkmal in Europa“, so Rauchhaus. Zudem werde das Angebot zukünftig etwas teurer. Derzeit kosten die ersten 15 Minuten ein Euro, künftig 1,50 Euro.

Nicht jeder hat das Angebot von Nextbike bisher zu würdigen gewusst Foto: Foto:Monika Skolimowska/picture alliance

Scharfe Kritik am Aus für ein öffentliches Fahrradleihsystem kommt von den Grünen. „Während die CDU erbittert um jeden Pkw-Parkplatz kämpft, hängt sie leichtfertig Tausende Menschen ab“, sagt die verkehrspolitische Sprecherin, Oda Hassepaß. Besonders in den Außenbezirken würden die Wege zur nächsten Haltestelle erschwert. „Ohne Förderung kann Nextbike nur noch in der Innenstadt betrieben werden.“ Zudem drohe ohne die Leihstationen Chaos auf den Gehwegen.

Auch Marlene Alber, politische Referentin beim Fahrradverband ADFC, bezeichnet die Entscheidung des Senats als fatal: „Die Mobilitätszahlen von 2018 bis 2023 zeigen, dass sich Bikesharing in dieser Zeit verdreifacht hat – das Angebot wirkt.“ Bike-Sharing leiste einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende, da es den ÖPNV entlaste und Strecken wie die die letzte Meile abdecke. „Treffen wird der Rückbau nun vor allem die Menschen in den Außenbezirken, die ohnehin schon schlechter angebunden sind“, beklagt sie.

Der regelmäßiger Nextbike-Leiher Malte Völker ist ebenfalls enttäuscht: „Studierende und Pendler verlieren ein wichtiges Stück Alltagsmobilität. Das ist ein weiterer Rückschritt für die Verkehrswende.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen