Nach tödlichen Schüssen in Oldenburg: Polizei entwaffnen!
Ein Mann wird rücklings von der Polizei erschossen, die Polizeigewerkschaft fordert Taser. Gerne – wenn die Beamten dafür auf Schusswaffen verzichten.

W ill man ein Thema politisch durchboxen, dann muss man seine gelegentlichen Chancen auf Aufmerksamkeit nutzen. Und so ist es ganz erwartbar, dass die Deutsche Polizeigewerkschaft in Niedersachsen nach den tödlichen Schüssen in Oldenburg in einem Interview mit dem NDR nach ein bisschen Vorgeplänkel (Schrecklich. Ermittlungen. Abwarten.) eine alte Forderung wiederholt: Sie wünscht sich Taser.
Verlässlich nach fast jedem Polizeitoten wird die Debatte rund um die Elektroschockpistolen als milderes Mittel angeheizt. Hätten die Polizist*innen eine Alternative zur tödlichen Waffe, heißt es, dann müssten sie auch nicht schießen.
Nach dem, was wir über den Oldenburger Fall wissen, ist die Argumentation hier besonders unpassend. Na sicher doch: Wer einen jungen Mann, bewaffnet offenbar mit nichts als Reizgas, mit drei Schüssen in den Rücken tötet, der hatte einfach keine andere Wahl.
Der Ruf nach den umstrittenen Elektroschockern wirkt eher wie ein Ablenkungsmanöver, um nicht stattdessen über überforderte Polizist*innen reden zu müssen – oder auch über Rassismus in der Polizei.
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Schusswaffen müssen weg
Da wir diese strukturellen Probleme nicht bis morgen wegbekommen, nehmen wir das Anliegen der Polizeigewerkschaft für einen Moment ernst – und machen einen Gegenvorschlag: um Himmels willen, ja! Besorgt euch Taser, stattet alle damit aus. Aber verdammt: Gebt im Gegenzug die Schusswaffen ab. Keine Streifenpolizistin, kein Einsatzpolizist, sollte mit geladener Knarre durch die Straßen ziehen dürfen.

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So revolutionär das klingt, so normal ist es andernorts: In Großbritannien beispielsweise sind Polizist:innen in der Regel unbewaffnet unterwegs. Das macht sie nicht zu besseren Menschen. Aber seit 2020 sind in Großbritannien 13 Menschen durch Polizeischüsse gestorben. In Deutschland waren es seitdem 77.
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