piwik no script img

Nach tödlichen Schüssen in OldenburgPolizei entwaffnen!

Kommentar von Lotta Drügemöller

Ein Mann wird rücklings von der Polizei erschossen, die Polizeigewerkschaft fordert Taser. Gerne – wenn die Beamten dafür auf Schusswaffen verzichten.

Po­li­zis­t*in­nen in Deutschland sind scharf bewaffnet. Dieses Kalenderjahr gab es schon 11 Tote Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa

W ill man ein Thema politisch durchboxen, dann muss man seine gelegentlichen Chancen auf Aufmerksamkeit nutzen. Und so ist es ganz erwartbar, dass die Deutsche Polizeigewerkschaft in Niedersachsen nach den tödlichen Schüssen in Oldenburg in einem Interview mit dem NDR nach ein bisschen Vorgeplänkel (Schrecklich. Ermittlungen. Abwarten.) eine alte Forderung wiederholt: Sie wünscht sich Taser.

Verlässlich nach fast jedem Polizeitoten wird die Debatte rund um die Elektroschockpistolen als milderes Mittel angeheizt. Hätten die Po­li­zis­t*in­nen eine Alternative zur tödlichen Waffe, heißt es, dann müssten sie auch nicht schießen.

Nach dem, was wir über den Oldenburger Fall wissen, ist die Argumentation hier besonders unpassend. Na sicher doch: Wer einen jungen Mann, bewaffnet offenbar mit nichts als Reizgas, mit drei Schüssen in den Rücken tötet, der hatte einfach keine andere Wahl.

Der Ruf nach den umstrittenen Elektro­schockern wirkt eher wie ein Ablenkungsmanöver, um nicht stattdessen über überforderte Po­li­zis­t*in­nen reden zu müssen – oder auch über Rassismus in der Polizei.

Hinweise an die taz​

Sie haben Hinweise, denen wir nachgehen sollten? Schreiben Sie uns eine Mail an investigativ@taz.de

Wenden Sie sich an uns, gern auch anonym und ­verschlüsselt. Sichere Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier: taz.de/investigativ

Schusswaffen müssen weg

Da wir diese strukturellen Probleme nicht bis morgen wegbekommen, nehmen wir das Anliegen der Polizeigewerkschaft für einen Moment ernst – und machen einen Gegenvorschlag: um Himmels willen, ja! Besorgt euch Taser, stattet alle damit aus. Aber verdammt: Gebt im Gegenzug die Schusswaffen ab. Keine Streifenpolizistin, kein Einsatzpolizist, sollte mit geladener Knarre durch die Straßen ziehen dürfen.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

So revolutionär das klingt, so normal ist es andernorts: In Großbritannien beispielsweise sind Po­li­zis­t:in­nen in der Regel unbewaffnet unterwegs. Das macht sie nicht zu besseren Menschen. Aber seit 2020 sind in Großbritannien 13 Menschen durch Polizeischüsse gestorben. In Deutschland waren es seitdem 77.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

    Die Moderation    

  • Wie hilfreich, eine tödliche Waffe durch eine andere tödliche Waffe zu ersetzen. Ein deutlicheres Zeichen wäre es, die Täter schnell und zügig als das zu Verurteilen, was sie sind: Mörder.



    Dazu benötigt es vorallem eine unabhängige Instanz, die bei Verbrechen durch Polizisten ermittelt - wie in GB. Dagegen lobbyieren die Polizeigewerkschaften seit Jahren, weil sie wissen, wie gefährlich das für sie ist.



    Eine Demokratie lebt von Kontrollmechanismen, die bei der Polizei ganz offensichtlich fehlen. Zeit, diesen Missstand zu beheben.