Prozess gegen Querdenker: Gericht möchte Ballweg-Verfahren einstellen
Wegen Betrugs steht Querdenker-Gründer Ballweg vor Gericht. Die Richter halten seine Schuld für „geringfügig“. Die Staatsanwaltschaft widerspricht.

Ballweg steht seit Herbst letzten Jahres wegen Betrugs und Steuerhinterziehung vor Gericht. Nach dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft soll er Spenden an die Querdenker-Bewegung in Höhe von mehr als einer halben Million Euro privat zweckentfremdet haben. Diese Vorwürfe sieht das Gericht offenbar durch den bisherigen Verlauf der Verhandlung als nicht mehr gegeben an. Richter, Verteidigung und Staatsanwaltschaft hatten sich bereits vergangene Woche in nichtöffentlicher Sitzung über den Verfahrensstand ausgetauscht.
Die Staatsanwaltschaft widerspricht einer Einstellung des Verfahrens. Die bisherige Beweisaufnahme rechtfertige diese nicht, so die Staatsanwaltschaft. Sie gehe nach wie vor davon aus, dass Ballweg in den Anklagepunkten schuldig gesprochen würde.
Bei den Querdenker-Demonstrationen ab Sommer 2020 hatte Ballweg seine Anhänger zu Spenden und Schenkungen aufgerufen und versprochen, aus der Bewegung einen gemeinnützigen Verein zu machen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll er dadurch mehr als eine Million Euro für die Organisation eingeworben, die Spender aber über die Verwendung der Gelder getäuscht haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, 575.929,84 Euro für private Zwecke verwendet zu haben – unter anderem für eine Familienstiftung, die er mit seiner Frau gegründet hat. Dokumentiert sind belegbare Ausgaben Ballwegs für die Querdenker-Bewegung in Höhe von 843.111,68 Euro.
Verteidigung aus der Querdenker-Szene
Über die juristische Bewertung von Ballwegs Umgang mit seinen Spenden hatte es schon vor Beginn des Prozesses Meinungsverschiedenheiten zwischen Staatsanwaltschaft und dem Landgericht gegeben. So hatte das Gericht zunächst die Anklage auf Steuerhinterziehung gestutzt, es aber abgelehnt, Ballweg wie von der Staatsanwaltschaft beantragt auch wegen Betrugs und Geldwäsche anzuklagen. Letztlich hatte das Stuttgarter Oberlandesgericht der Beschwerde der Ankläger stattgegeben. Nur der Geldwäschevorwurf blieb außen vor.
Der Vorstoß des Gerichts gibt dem Verteidigerteam von Ballweg – CDU-Politiker Reinhardt Löffler und Ralf Ludwig, der selbst der Querdenker-Szene nahesteht – begründete Hoffnung, ihr Ziel der „vollständigen Rehabilitierung“ ihres Mandanten zu erreichen. Ballweg hatte stets seine Unschuld beteuert und das Verfahren intensiv zu PR-Zwecken genutzt. Er und seine Anhänger hatten politische Motive hinter der Anklage vermutet und damit ihren Protest gegen staatliche Maßnahmen zur Coronazeit nachträglich legitimiert.
Es ist also kaum zu erwarten, dass Ballwegs Verteidiger bereit sein könnten, das Verfahren etwa gegen eine Geldstrafe vorzeitig zu beenden. Wenn sich die Parteien nicht doch noch auf eine Einstellung des Verfahrens einigen, wird der Prozess wie geplant bis in den Herbst fortgesetzt.
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