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Der Irrsinn der Tech-OligarchenSchäbige Visionäre

Den Planeten zerstören und dann nichts wie weg: Der frühere Cyberpunk Douglas Rushkoff gibt in seinem Buch Einblicke ins Mindset von Tech-Oligarchen.

Private Fluchtfantasien: zum Mars, auf die Insel oder in die Cloud Foto: SpaceX/imago

Berlin taz | Im Cartoon-Universum der „Looney Tunes“ gibt es die grandiosen Geschichten von Wile E. Coyote und Roadrunner. In den kurzen TV-Episoden versucht der hinterhältige Kojote immer wieder, den Roadrunner mit seinen ausgeklügelten Fallen zu fangen. Doch der flinke Vogel schnappt sich jedes Mal den Köder, ohne dass die Falle zuschnappt und rast mit einem unbekümmerten „meep-meep“ davon.

Mit jedem Scheitern baut Coyote eine noch größere und komplexere Falle, die jedoch nie funktioniert. Seine Vorrichtungen gehen ein aufs andere Mal nach hinten los und er muss sich einer noch größeren Niederlage hingeben.

Für den Medientheoretiker Douglas Rushkoff ist Coyote ein Sinnbild für die Tech-Milliardäre und ihre Hybris: „Egal wie schlau sie sind, wie überlegen sie ihrer Beute sein mögen, wie technologisch fortschrittlich und finanzstark sie sind und wie gut sie sich auch abschotten mögen: Sie betrügen sich selbst, wenn sie glauben, sie seien in Sicherheit. Niemand kann sich den Auswirkungen der eigenen Handlungen auf Dauer entziehen. Am Ende gehen wir alle gemeinsam in die Falle, die wir selbst gebaut haben.“

„Survival of the Richest“

Das Buch

Douglas Rushkoff: „Survival of the Richest. Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind“. Aus dem Englischen von Stephan Gebauer. Suhrkamp, Berlin 2025, 281 Seiten, 22 Euro

Das schreibt Rushkoff in seinem vor zwei Jahren erschienenen Buch „Survival of the Richest. Warum wir vor den Tech-Milliardären noch nicht einmal auf dem Mars sicher sind“, das nun auf Deutsch vorliegt. Das Buch könnte kaum aktueller sein, bedenkt man die gegenwärtige Demontage der amerikanischen Demokratie, der die Tech-Oligarchen willfährig beiwohnen.

Rushkoffs Ausführungen durchleuchten ihren ideologischen Kern und liefern ein tieferes Verständnis für deren Größenwahn, der in seinem Heilsversprechen nur weiter in den ökologischen und gesellschaftlichen Abgrund führt.

Ausgangspunkt seines Buches war eine Einladung in ein exklusives Wüstenressort. Entgegen seiner Annahme, dort über Zukunftstechnologien zu referieren, befragten ihn die Milliardäre zu Spezifika von Luxusbunkern, wie sie im Falle einer Katastrophe die Kontrolle über ihr Sicherheitspersonal behalten können und ob Alaska oder Neuseeland am wenigsten unter dem Klimawandel leiden würde.

Die Gruppe von Männern, der er dort gegenübersaß, sind ihm zufolge in einer Denkweise gefangen, in der „gewinnen bedeutet, genug Geld zu verdienen, um sich von dem Schaden abzuschotten, den sie verursachen, indem sie auf diese Art und Weise Geld verdienen. Es ist als wollten sie ein Auto bauen, das schnell genug fährt, um seinen eigenen Abgasen zu entkommen.“

Extraktion, Wachstum und Beherrschung

Diese Geisteshaltung, in der deutschen Übersetzung wird sie wie im Englischen als „Mindset“ bezeichnet, beschreibt ein stetiges Vorwärtsstreben, das selbst angesichts der hereinbrechenden Katastrophe der Agenda aus Extraktion, Wachstum und Beherrschung folgt. Man könnte einwenden, dass es sich dabei schlicht um das Grundbestreben kapitalistischen Wirtschaftens handelt.

Die taz bei der Leipziger Buchmesse

Die taz ist bei der Leipziger Buchmesse vom 27. bis 30. März mit einem eigenen Stand vor Ort in Halle 5, Stand G500. Dort werden auch wieder in zahlreichen Talks taz-Autor:innen lesen und diskutieren. Die taz Talks werden auf dem youtube-Kanal der taz live gestreamt. Zur Buchmesse erscheint am 27. März auch wieder die literataz, eine taz mit 12 Extraseiten. Die vergangenen Ausgaben können Sie hier downloaden.

Unser Programm

🐾 Donnerstag 27.03.25

11:00 Uhr: „Post-“ – Nachruf auf eine Vorsilbe – Dieter Thomä

11:45 Uhr: Lauf, Mama, Lauf! – Mareike Barmeyer

12:30 Uhr: Als wäre es vorbei – Katja Petrowskaja

13:15 Uhr: Macht im Umbruch – Herfried Münkler

14:00 Uhr: Zuhause ist das Wetter unzuverlässig – Carolin Würfel

14:45 Uhr: Das Deutsche Demokratische Reich – Volker Weiß

15:30 Uhr: Ginsterburg – Arno Frank

16:15 Uhr: Klapper – Kurt Prödel

19:00 Uhr @Galerie KUB: Was wäre, wenn wir mutig sind – Luisa Neubauer

🐾 Freitag 28.03.25

11:00 Uhr: Trotteln – Robert Seethaler, Rattelschneck

11:45 Uhr: Fischtage – Charlotte Brandi

12:30 Uhr: Russische Spezialitäten – Dmitrij Kapitelman

13:15 Uhr: Schwebende Lasten – Annett Gröschner

14:00 Uhr: Oh! Dalmatien – Doris Akrap

14:45 Uhr: Reise in die Mediengesellschaft USA – Julia Belzig

15:30 Uhr: Meine Sonnenallee – Jan Feddersen

16:15 Uhr: Digitale Diagnosen – Laura Wiesböck

17:00 Uhr: Traumaland – Asal Dardan

🐾 Samstag, 29.03.2025

10:15 Uhr: Edition Le Monde diplomatique: Indien – Modi und die Farbe der Macht – Sven Hansen, Jakob Farah

11:00 Uhr: Pazifismus, ein Irrweg? – Pascal Beucker

11:45 Uhr: Kipppunkte – Georg Diez

12:30 Uhr: Zuhören – Bernhard Pörksen

13:15 Uhr: Die dunkle Seite der Sprache – Tim Henning, Nikola Kompa, Christian Nimtz

14:00 Uhr: Norwegen, wir kommen auf Umwegen! – Wahrheitsklub mit Harriet Wolff, Andreas Rüttenauer, Rattelschneck aka Marcus Weimer, LAMINATOR

14:45 Uhr: Die Spree – Uwe Rada

15:30 Uhr: Der 7. Oktober und der Krieg in Gaza – Muriel Asseburg

16:15 Uhr: Autoritäre Rebellion – Andreas Speit

17:00 Uhr: Frau Zilius legt ihr erstes Ei an einem Donnerstag –Friederike Gräff

🐾 Sonntag, 30.03.2025

10:00 – 13:00 Uhr: Hilfe in Sachen ePaper und Abo – taz Seitenwende

14:00 Uhr: Wruuum! Crash! Boom! – Comicworkshop mit Michel Esselbrügge

Der entscheidende Punkt liegt jedoch in dem, was Rushkoff als „Meta gehen“ bezeichnet. Damit sind Abstraktionssprünge gemeint, die im Zeitalter der digitalen Technologien ungeahnte Höhen erreichen. Mark Zuckerbergs Meta ist nicht mehr nur eine Social-Media-Plattform, sein Unternehmen möchte mit Virtual und Augmented Reality vielmehr ein ganzes „Metaverse“ schaffen. Kryptowährungen ermöglichen Transaktionen ohne Banken und Gebühren. Und nicht mehr Menschen handeln mit Wertpapieren, sondern Algorithmen, die die Daten der Handelsplattformen im Hochfrequenztrading verarbeiten.

Peter Thiels Aussage, Freiheit sei mit Demokratie nicht vereinbar, verträgt sich blendend mit den Umsturzfantasien, die im Weißen Haus gerade unter reger Beteiligung eines Elon Musk zur Realität werden.

So geht es längst nicht mehr um Konkurrenz. Für Peter Thiel, Gründer von Paypal, ist Wettbewerb gar etwas für Verlierer. Die sich als gottgleich gerierenden Tech-Bros wollen durch ihre technologischen Innovationen selbst auf die nächste Abstraktionsebene gelangen, wie Rushkoff schreibt: „Stößt das Wachstum auf einer Ebene an seine Grenzen, so können einige wenige Glückliche den Sprung auf die nächste Abstraktionsebene wagen.“

Rushkoff wird an diesem Punkt jedoch widersprüchlich. Denn für den Fall, dass der von ihnen auf der Erde hinterlassene Schaden zu groß wird, ergehen sich die Tech-Oligarchen in keineswegs abstrakten Hirngespinsten. Elon Musk träumt von der Flucht auf den Mars, während Peter Thiel sich auf seine schwimmenden Städte retten und KI-Entwickler Ray Kurzweil sein Bewusstsein in die Cloud hochladen will.

Advokat eines digitalen Humanismus

Als einstiger Cyberpunk-Aktivist in den Anfangstagen des Internets und Advokat eines digitalen Humanismus richtet Rushkoff den Blick in seinen pointierten und fundierten Überlegungen ebenso auf die Ursprünge des Silicon Valley wie auf einen aus der Aufklärung resultierenden „materialistischen Szientismus“ dessen blinde Technikgläubigkeit dem „Mindset“ genauso zugutekomme wie der Einfluss der Alt-Right-Bewegung.

Peter Thiels Aussage, Freiheit sei mit Demokratie nicht vereinbar, verträgt sich blendend mit den Umsturzfantasien, die im Weißen Haus gerade unter reger Beteiligung eines Elon Musk zur Realität werden.

Der einzige Lichtblick in diesem Irrsinn ist die Gewissheit, dass Musk und seinesgleichen gerade rege daran arbeiten, bald nicht mehr als große Visionäre gefeiert zu werden.

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1 Kommentar

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  • Danke für diesen Artikel zu einem von vielen äussert aufschlussreichen Büchern, die sich mit dem, eigentümlich "diversen" (wie in "viele verschiedene ideologische Anschlusspunkte bietenden") daherkommenden Technikfaschismus befassen.

    Ist es nicht erstaunlich, dass ultralibertäre Brandstifter wie Milei, Musk und Thiel, fundamentalistische Evangelikale, Neonazis und Old-School-Rassisten à la KKK, "besorgte" Patrioten aus aller Herren Ländern und andere unappetitliche Zeitgenossen zumindest temporär sehr effizient zusammenarbeiten, ihre kruden, offen menschenverachtenden Ansichten und Thesen in atemberaubender Geschwindigkeit von Land zu Land, von Partei zu Partei verbreiten können, während die traditionelle, sich als internationalistisch wahrnehmende, Linke mehr und mehr in konkurrierende, sich teils offen feindselig gesinnte Klein- und Kleinstgruppen zu zerfallen droht?

    Es ist tragisch, aber solange ultranationalistische, rechtsextreme Hardliner über die Landesgrenzen hinweg besser zusammenarbeiten können als ihre Gegner, zweifle ich an einem Ende ihres Triumphzugs. Ich hoffe, dass ich mich irre.