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Jobabbau in der StahlbrancheUnschöner Dominoeffekt

Ein großer Jobbau in der kriselnden Stahlindustrie würde bundesweit zehntausende Arbeitsplätze kosten. Umsteuern auf grünen Stahl wäre eine Chance.

Stahlproduktion bei Thyssenkrupp Steel Foto: Federico Gambarini/dpa

Berlin taz | Der Abbau von Jobs in der Duisburger Stahlindustrie hätte einen Dominoeffekt auf den bundesweiten Arbeitsmarkt. Einer Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Stadt Duisburg zufolge gefährdet der Abbau von 11.000 Arbeitsplätzen dort rund 55.000 Stellen in anderen Branchen.

Deutschland ist in der EU der größte Stahlhersteller, fast die Hälfte der Produktion kommt aus Duisburg. Hier sitzen Thyssenkrupp Steel, ArcelorMittal Germany und die Hüttenwerke Krupp Mannesmann. In der Stahlproduktion arbeiten knapp 18.000 Beschäftigte. Die Branche leidet vor allem wegen der Flaute in der deutschen Autoindustrie unter sinkender Nachfrage und hohen Energiekosten. Deshalb wollen die Hersteller die Produktion drosseln. Das Management von Thyssenkrupp etwa will 5.000 Arbeitsplätze abbauen und 6.000 durch den Verkauf von Firmenteilen auslagern.

Duisburger Stahl ist für viele Branchen ein wichtiges Ausgangsmaterial. Modellrechnungen des IW zeigen, dass der Verlust von 1.000 Arbeitsplätzen in der Duisburger Stahlindustrie und der damit verbundenen sinkenden Produktionskapazitäten bundesweit 5.000 Jobs in anderen Branchen bedroht. Ein Wegfall von 11.000 Stellen würde zu einer Minderung des Bruttoinlandsprodukts von 5,6 Milliarden Euro führen. Treffen würde der Wegfall der Produktion vor allem Firmen der Auto- und Maschinenbaubranche.

Heute ist die Produktion von Stahl extrem klimaschädlich, weil die Hochöfen mit Kohle befeuert werden und sehr viel CO2 freigesetzt wird. Eine Chance für die kriselnde deutsche Stahl­industrie ist die Umstellung auf eine klimaneutrale Herstellung. Die ist möglich, wenn statt Kohle Wasserstoff bei der Produktion eingesetzt wird.

Dazu seien gezielte Förderprogramme der ­öffentlichen Hand erforderlich, so die Studienautor:innen. „Setzt die neue Bundesregierung die richtigen Rahmen­bedingungen, kann Duisburg zum globalen Vorreiter in der grünen Stahlproduktion werden“, sagt Mitautorin Benita Zink. Die Ampelregierung hat ein entsprechendes Pilotprojekt von Thyssenkrupp mit 2 Milliar­den Euro gefördert.

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4 Kommentare

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  • Thyssen-Krupp leidet seit der Übernahme von Thyssen durch Krupp und der extrem Verschuldung, die dies ermöglichte. Anschließend hat das Unternehmen durch seine Fehlinvestitionen im Ausland sehr viel Geld verloren.

    Sogenannter "Grüner Stahl"unter Verwendung von Wasserstoff ist nur mit sehr hohen Dauersubventionen möglich. Ansonsten wäre das Stahl zu Apothekerpreisen.

    Ein weiteres Problem sind die hohen Energiekosten, die letzte Regierung zu verantworten hat.



    Eine Lösung sieht anders aus.

  • Wenn die Stahlindustrie in Deutschland international Wettbewerbsfähigkeit u.a. durch hohe Energiepreise eingebüßt hat und die Auftragslage im Allgemeinen schwächelt, wie soll sich das verbessern indem teurerer Strom aus „grüner“ Energie eingesetzt werden soll?

  • Solange woanders Stahl auf die herkömmliche Art produziert wird, wird "grüner" Wasserstoff-Stahl immer teurer sein und folglich dauerhaft subventioniert werden müssen. Wasserstoffgewinnung durch Elektrolyse ist teuer und wird dies wohl auch bleiben. Dies haben im letzten Jahr die Luftschlösser in Niedersachen und Schleswig-Holstein bewiesen (Power2Gas, wer erinnert sich noch daran?)



    Ich verstehe auch die Zahl von 5,5 Stellen, die von einem Arbeitsplatz in der Stahlindustrie abhängig sein sollen, nicht: "Treffen würde der Wegfall der Produktion vor allem Firmen der Auto- und Maschinenbaubranche." Nein, treffen würde es die Zulieferer der Stahlindustrie, die Schiffe bzw. Schiffsbesatzungen, die bisher die Kohle und den Stahl anliefern, die Logistikmitarbeiter, die Kantinenbeschäftigten im Stahlwerk selbst, die dortigen Wartungs- und Reinigungskräfte. Dazu der Kaufkraftverlust der Arbeiter, die dann weniger im Einzelhandel ausgeben können und der vor Ort dann auch schrumpft.



    Die Abnehmer des Stahls aber (die oben genannten Auto- und Maschinenbaubranche) würde ihren Stahl einfach von da beziehen, wo sie ihn billiger herbekommen.

  • Vielleicht sollte man für diesen gesamtem Komplex Stahlproduktion neben dem Klimaschutz auch strategische Aspekte bedenken. Wenn man gerade beginnt, die Waffenproduktion im eigenen Land hochzufahren, weil es eine akute und reale Bedrohung von außen gibt, scheint es doch sinnvoll, den Rohstoff dafür in ausreichender Menge ebenfalls im Land herzustellen (oderwenigsten die Kapazitäten und das Knowhow vorzuhalten).



    Wäre lustig, wenn man den Stahl für Leo, Boxer oder Munition aus China, Indien oder USA importieren muss. Glück, wenn die uns dann nicht am ausgestreckten Arm verhungern lassen.