piwik no script img

Neuer Planungsstand: A20 schützt vor Putin

Schleswig-Holsteins Verkehrsminister übt Druck auf Umweltverbände aus: Wer wieder gegen den Autobahn-Weiterbau klage, gefährde Europas Sicherheit

Lichter der Autobahn: das westliche Ende der A20 vor Bad Segeberg Foto: Carsten Rehder/dpa

Von Eiken Bruhn

Die Segeberger Fledermäuse und ihre menschlichen Freun­d:in­nen in den Umweltschutzverbänden werden schuld daran sein, wenn Russland sich Osteuropa einverleibt, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Das legte jetzt Schleswig-Holsteins Wirtschafts- und Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) in einer Pressemitteilung vom Freitag nahe. In der verkündete er, die Autobahn A20, die Polen mit den Niederlanden verbinden soll, könne jetzt endlich nach zwölf Jahren weitergebaut werden – „sofern es nicht durch erneute Klagen zu einem gerichtlichen Baustopp kommt“.

Diesen hatten die Umweltschutzverbände Nabu und BUND erzwungen, als sie im November 2013 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Klage gewonnen hatten. Das Gericht hielt den Planfeststellungsbeschluss für den Bauabschnitt drei, die Ortsumfahrung von Bad Segeberg, für rechtswidrig, weil die Pla­ne­r:in­nen nach Auffassung des Gerichts unter anderem den Schutz der Fledermäuse nicht ausreichend berücksichtigt hätten.

In der Kalkberghöhle in Bad Segeberg überwintern bis zu 30.000 Fledermäuse von sieben Arten. Die Höhle ist damit eines der größten Überwinterungsquartiere in Europa. 2018 hatte das Bundesverwaltungsgericht erneut zugunsten der klagenden Verbände entschieden und eine Nachbesserung der Pläne für unzureichend erklärt.

Jetzt aber könne es nichts mehr zu beanstanden geben, nahm Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Madsen am Freitag schon einmal alle möglichen Einwände vorweg – obwohl der neue Planfeststellungsbeschluss noch gar nicht veröffentlicht wurde. Aber so gibt er eine Lesart vor, die ihn und alle anderen, die ein Interesse am Weiterbau haben, in einem guten Licht erscheinen lassen: Das Land und die bundeseigene Projektgesellschaft Deges liefern, der Bau könne jetzt „unmittelbar beginnen“, und die Bremser wären die Umweltverbände, die mit einer erneuten Klage jetzt auch noch die Sicherheit Europas gefährden würden.

Denn, so heißt es in Madsens Pressemitteilung weiter, auf den Baubeginn des Autobahn-Teilstücks im Osten Schleswig-Holsteins warteten „seit mittlerweile über drei Jahrzehnten nicht nur die staugeplagten Menschen in der Region, sondern auch die Wirtschaft – und neuerdings auch die Bundeswehr und unsere europäischen Nato-Partner“. Die kurz nach der Wiedervereinigung geplante A20, auch Küstenautobahn genannt, habe „militärische Bedeutung“, weil sie die Nordseehäfen mit der Ostsee verbinde.

„Beängstigend“ finde er diese Argumentation, sagt dazu Ole Eggers, Geschäftsführer des BUND Schleswig-Holstein. Denn es zeige wieder einmal, wie wenig es bei der A20 um Fakten gehe –Hauptsache, die vor 30 Jahren geplante Autobahn werde gebaut.

„Das Kriegs-Argument trägt überhaupt nicht“, sagt Eggers, „die A20 ist frühestens in zehn Jahren fertig und schwere Kriegsfahrzeuge werden auf der Schiene transportiert und nicht auf Straßen“. Ob er wieder klagen werde, könne er zudem gar nicht sagen, ohne die aktuellen Pläne zu kennen. Bis Ende Oktober 2023 hätten im laufenden Verfahren Einwände vorgebracht werden können. Dass die Deges diese in nur anderthalb Jahren habe prüfen und einarbeiten können, sei ungewöhnlich schnell. Eine Lösung hatte der BUND für das Problem angemahnt, dass aufgrund von Neubauten in Bad Segeberg zahlreiche Flugrouten für Fledermäuse weggefallen seien. Viele Arten bräuchten „Dunkelkorridore“; auf Luftbildern der Stadt ist zu erkennen, dass es von diesen immer weniger gibt.

„Das Kriegs-Argument trägt überhaupt nicht, die A20 ist frühestens in zehn Jahren fertig“

Ole Eggers, BUND

Ein Drittel der Fledermäuse würden den Kalkberg in der Innenstadt aus südlicher Richtung anfliegen, sagt Arne Hansen, der sich ehrenamtlich im Vorstand des BUND Kreis Segeberg engagiert und sich seit 30 Jahren mit dem Thema beschäftigt.

Hier gebe es nur noch zwei Flugrouten, die genutzt würden – eine davon, im Osten der Stadt, würde nach den aktuellen Autobahn-Planungen abgeschnitten, weil eine Unterführung unterhalb einer Bundesstraße aufgrund des Autobahnanschlusses wegfalle. Deshalb seien die für die A20 geplanten Unter- und Überführungen so weitgehend nutzlos. „Da fliegt einfach nichts mehr“, sagt Hansen.

Auch ganz unabhängig von Fledermäusen ist der Verlauf der A20 in diesem Gebiet problematisch, weil sich hier das geschützte Travetal befindet. Das führt unter anderem dazu, dass auf einer Strecke von 4,5 Kilometern auf der Autobahn ein Tempolimit von 60 Stundenkilometern gilt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen