Vorschläge für Staatsreform: Das neue deutsche DOGE?!
Die Initiative für einen handlungsfähigen Staat will, dass dieser schlanker und büger:innennäher wird. Ein Digitalministerium gehört dazu.

„Es ist viertel nach 12. Wir stehen massiv unter Druck“, glaubt Andreas Voßkuhle, ehemaliger Richter am Bundesverfassungsgericht und einer der Initiatoren. „Wenn die Bürgerinnen und Bürger den Staat nicht als handlungsfähig erleben, wenden sie sich von der Demokratie ab“, warnte er in der Berliner Bundespressekonferenz. Gemeinsam mit der Managerin Julia Jäkel und den ehemaligen Bundesministern Thomas de Maizière (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) hat er „in den Maschinenraum des Staates“ geblickt und Vorschläge erarbeitet, die den Staat schlanker, effizienter und bürger:innennäher machen sollen. Tenor: Weniger Berichtspflichten und mehr Vertrauen in die Menschen.
So soll die Zahl der Ministerien sinken und Zuständigkeiten sollen gebündelt werden. Statt fünf Ministerien, die 170 Sozialleistungen koordinieren, soll es eines geben. Und drei Gruppen von Leistungsempfänger:innen: Kinder und Jugendliche, Erwachsene und Haushalte. Leistungen sollen möglichst pauschaliert werden. Inwieweit es der Realität gerecht wird, wenn eine 15-jährige genauso behandelt wird wie eine 5-jährige, ist sicher diskutabel. Aber die Ampel ist schon an einer einfachen Kindergrundsicherung gescheitert, insofern wird auch dieser Vorschlag wahrscheinlich nie umgesetzt.
Bessere Aussichten hat die Empfehlung, ein Ministerium für Digitalisierung und Verwaltung einzurichten. Die Union hat sich dazu bereits bekannt, ein anderes soll wegfallen. Dass dieses Digitalministerium auch die Zuständigkeit für das Personal aller anderen Ministerien erhält, wie die Initiative empfiehlt, ist wenig wahrscheinlich.
Bund soll zentral abschieben
Die Initiative sieht außerdem die Notwendigkeit, wichtige Kompetenzen beim Bund anzusiedeln, vor allem für Sicherheit und Gefahrenabwehr. Die Abwehr von Cyberangriffen sollte komplett dem Bund obliegen. Ein nationaler Sicherheitsrat, ebenfalls eine Forderung der CDU, sollte als ständige ressortübergreifende Runde Sicherheitspolitik koordinieren.
Auch in der Migrationspolitik wünschen sich die Initiatoren mehr Durchgriff vom Bund. Die Verantwortung für Abschiebungen sollte künftig zentral bei der Bundesregierung liegen, so ihre Empfehlung. Dafür sollen die Länder für Integrationsmaßnahmen und Sprachkurse zuständig sein.
Der Vorschlag, die Aufgaben zwischen Bund, Ländern und Kommunen neu zu ordnen und die Finanzierung entsprechend anzupassen, ist konsequent. Allerdings haben zwei Föderalismuskommissionen in der Vergangenheit keine wirklich guten Ergebnisse produziert. Man denke nur an das sogenannte Kooperationsverbot, welches die Verantwortung für Schulen und Hochschulen in die Hände der Länder gelegt und dem Bund jede Einmischung untersagt hatte.
In Sachen Bildung macht das Quartett Vorschläge, die nicht wirklich neu sind. Einen Nationalen Bildungsrat hatte bereits die letzte Große Koalition unter Angela Merkel versemmelt. Und die Forderung, die Grundfinanzierung der Hochschulen anzuheben, damit diese nicht mehr so viele Ressourcen in die Akquise von Drittmitteln stecken müssen, laut Bericht „Haupttreiber von Bürokratisierung im Wissenschaftssystem“ – kann angesichts der chronisch knappen Länderhaushalte nur als Appell gelten.
Doch das Quartett ist zuversichtlich, dass ein großer Wurf jetzt gelingen könne. Sie hätten im Gespräch mit den Sondierer:innen viel Aufgeschlossenheit gespürt.
Allerdings weichen diese gerade von der ersten Empfehlung ab. Es brauche weniger, aber bessere Gesetze, und dafür mehr Beratungszeit, empfiehlt das Quartett. Es passiert das Gegenteil: Im Eilverfahren und mit der alten Mehrheit des Bundestages sollen ab Donnerstag drei Grundgesetzänderungen zur Umgehung und Reform der Schuldenbremse beraten werden. Zum konkreten Fall wollte Voßkuhle sich nicht äußern, nur so viel: „Schnellschüsse sind selten geeignet.“ Am 11. Juli soll der Abschlussbericht vorliegen.
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