: Zurück ins Altertum
Präsident Donald Trump entschied per Dekret, dass staatliche Bauten in den USA wieder klassizistisch aussehen sollen. Maga-Architektur steht konträr zum Stil, in dem sonst im Land gebaut wird

Von Sebastian Moll
Wenn Donald Trump vom Balkon des Weißen Hauses auf die National Mall schaut, den langgezogenen Bürgerpark im Zentrum des Washingtoner Regierungsviertels, bleibt sein Blick zur Linken unweigerlich am Museum für afroamerikanische Geschichte hängen. Das kantige Gebäude, erbaut nach einem Entwurf des ghanaisch-britischen Stararchitekten David Adjaye gemeinsam mit den US-Architekturbüros The Freelon Group und David Brody Bond Aedas, hat Barack Obama noch 2016 eingeweiht. Es wird in Fachkreisen als überaus gelungen betrachtet. Die ornamentale Bronzefassade mit ihren subtilen multikulturellen Anspielungen erweckt den Eindruck, als hätte man hier mehrere gekappte Pyramiden übereinandergestapelt, was als treffliche Repräsentation des komplizierten Ranges gesehen wird, den die afroamerikanische Geschichte und Kultur heute in den USA einnehmen.
Donald Trump dürfte der Bau hingegen ein täglicher Dorn im Auge sein. Wenn es nach einem seiner zahllosen Dekrete der vergangenen Wochen geht, dann wird so etwas in Zukunft nicht mehr gebaut. Mit Bundesmitteln finanzierte Bauten, so hat Trump verfügt, haben sich ab sofort an „regionale, traditionelle und klassische architektonische Traditionen zu halten“. Dazu gehören neoklassizistische und georgiansche Architektur sowie der „Federal Style“ der Herrenhäuser des alten Südens. Jugendstil und Art Déco werden gerade so noch toleriert. Modernistische Architektur, gar eine brutalistische oder zeitgenössische, findet Trump hingegen „uninspirierend und schlicht hässlich“.
Die Verordnung ist die Neuauflage eines Dekrets, das er während seiner ersten Amtszeit schon einmal erlassen hatte und das Joe Biden dann revidierte. Darin hieß es seinerzeit, dass die Gründerväter George Washington und Thomas Jefferson die wichtigsten Regierungsbauten in Washington bewusst an die klassische Architektur von Athen und Rom angelehnt hätten, um die Republik visuell mit den antiken Demokratien zu verbinden.
In Wirklichkeit erscheint die Mall in der US-Bundeshauptstadt mit ihrer langen grünen Tangente, die in der Kuppel des Kapitols auf einer Anhöhe mündet, aus heutiger Sicht eher imperial als demokratisch. Nicht nur das Weiße Haus und das Kapitol mit ihren klassizistischen Säulen und Bögen, sondern auch die Denkmäler für Washington, Jefferson und Lincoln stellen eher die Macht der Regierung in den Mittelpunkt als die der Bürger. Der Eindruck wird massiv durch das erst 2014 eingeweihte Denkmal für den Zweiten Weltkrieg verstärkt, dessen steinerne Säulen und goldene Adler einige Kritiker an die NS-Architektur von Albert Speer erinnerten. So etwas wie das afroamerikanische Museum, dessen erdig-bronzene Hülle weniger strahlt als Strahlen schluckt und Besucher:Innen eher nachdenklich zurücklässt, stört natürlich dieses glorreiche Bild. Zudem verwässert es mit David Adjayes gestalterischen Anklängen an die westafrikanische Kultur der Yarube das Narrativ der Vereinigten Staaten als Haupterben der westlichen Zivilisation, die vermeintlich ihren alleinigen Ursprung in Athen und Rom hatte.
Eben das ist jedoch das Narrativ, dessen Reinheit Trump mit seinem Architekturdekret wiederherzustellen sucht: Amerika als dezidiert westliche und zugleich vormoderne Kultur. Die internationale Moderne der Nachkriegszeit, etwa in Form des UNO-Hauptquartiers in New York, die durch Rationalität und Transparenz Demokratie sowie Weltoffenheit ausdrücken wollte, wird ausradiert. Ebenso der Brutalismus, dessen Formensprache ab den 1960er Jahren zahlreiche öffentliche US-Gebäude prägte: Man denke etwa an das riesige Bostoner Rathaus von Michael McKinnell und Gerhard Kallmann mit seiner aufgetreppten Betonstruktur. Oder gar zeitgenössische Entwürfe wie das Federal Building in San Francisco von der Gruppe Morphosis, mit seiner geschwungenen Fassade aus Edelstahl, das als das energieeffizienteste Verwaltungsgebäude der USA gilt. Zu allem Überfluss war das Gebäude ursprünglich nach der einstigen Sprecherin des Repräsentantenhauses Nancy Pelosi von den Demokraten benannt, eine der Lieblings-Hassfiguren Trumps.
Ganz besonders missfallen dürfte dem 78-jährigen Trump der neue Entwurf für den stark frequentierten Grenzübergang nach Mexiko zwischen Brownsville und Matamoros. Dessen Architektur möchte Offenheit und Gemeinsamkeit der Kulturen auf beiden Seiten des Rio Grande betonen. Die bereits bewilligten 264 Millionen US-Dollar für den Bau werden ganz gewiss unter die Lupe von Trumps Sparkommissar Musk kommen.
Derlei Bauten sind in Trumps Universum Produkte der gleichen urbanen Eliten, denen er Perversionen wie Genderwahn und Förderprogramme für Minderheiten vorwirft. Wie allerdings der Rückgriff auf Klassizismus und Neoklassizismus zu Trumps Programm des Populismus passt, ist eher fraglich. Schon seit der Renaissance werden klassisch-antike Formen für die Repräsentation von Macht verwendet. Nicht zuletzt die Tatsache, dass sämtliche Eliteuniversitäten der USA klassizistisch gestaltet sind, macht den Stil zum offensichtlichen Symbol der Exklusivität. Trumps Gedanken zu diesem Dekret dürften weitaus simpler und auch verwirrter sein. Die Formulierungen für das Edikt wurden ihm von der einflussreichen National Civic Arts Society eingeflüstert, einer konservativen Interessengruppe, welche die Klassik zur einzig wahren US-Formensprache erheben will. Ihr Direktor Justin Shubow ist Redakteur der neokonservativen Zeitschrift Commentary und hat Trump für seinen Wahlkampf reichlich Geld gespendet. In seinem Programm scheint ganz unverhohlen eine tiefe Abneigung gegenüber moderner oder avantgardistischer Formensprache durch. Die Civil Arts Society und Trump sprechen gar von einer „entarteten Architektur.“
Dass Bauherr Donald Trump mit dem Trump Tower und dem Trump International Hotel durchaus moderne New Yorker Wolkenkratzer verantwortete, erscheint da erst einmal widersprüchlich. Wenn man die Bauten mit ihren Vergoldungen oder den bronzen glänzenden Fenstern genauer anschaut, liegt jedoch schnell die Vermutung nahe, dass Trump den rationalen Geist des International Style nie wirklich begriffen hat. Vielmehr hat er ihn schlicht verkitscht. Genau so, wie er jetzt die amerikanische Nationalarchitektur verkitschen möchte.
Der New Yorker Architekt Jeremy Edminston sieht in dieser Haltung einen Willen, historisch zu sein, ohne wirklich historisch zu sein. Über alle US-Verwaltungsgebäude eine klassizistische Patina zu legen, sei nicht mehr, als der Versuch, ein vages Gefühl der Wiederkehr einer guten alten Zeit zu erzeugen. Insofern passt das Dekret bestens zu Trumps Motto „Make America Great Again“, wobei vollkommen unklar bleibt, auf welche Epoche sich dieses „Again“ eigentlich beziehen soll. Es spiegelt nicht mehr als die Sehnsucht nach einer idealisierten Vergangenheit wieder, die es so nie gab. Eine Sehnsucht, die Trump meisterhaft politisch instrumentalisiert.
Demokratisches öffentliches Bauen geht derweil anders. „Gute Architektur ist grundsätzlich maßgeschneidert“, sagt Edminston. Das bedeute, dass öffentliche Gebäude den lokalen Gegebenheiten, dem kulturellen Kontext und den Bedürfnissen der Nutzung entsprechen sollen. „Über all diese Faktoren einen einheitlichen Stil legen zu wollen, ist vollkommener Unsinn.“ Die Politik, glaubt Edminston, sollte deshalb auf die Architekten hören und nicht umgekehrt. Und die Architekten sollten gründlich auf die Menschen hören, für die sie bauen.
Tröstlich an der Sache ist lediglich, dass das Dekret am Ende wohl weitgehend folgenlos bleibt. Es mag Projekte geben, die auf Eis gelegt werden, aber der Bau einer Botschaft etwa dauert von der Ausschreibung bis zur Fertigstellung rund zehn Jahre. Und bis dahin weht – hoffentlich – in Washington wieder ein anderer politischer Wind.
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