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Katar bei BiennaleBroligarchie in der Lagunenstadt

Ingo Arend
Kommentar von Ingo Arend

Das autokratisch regierte Emirat Katar darf sich jetzt einen eigenen Biennale-Pavillon in den begehrten Giardini bauen. Ein Kotau vor Geld und Öl?

Rechts außen und autokratie-affin, Pietrangelo Buttafuoco ist wenig interessiert an Naturschutz Foto: Andrea Raffin/imago

Bunduqiyyah“ – Pietrangelo Buttafuoco verstieg sich zu einer abenteuerlichen Begründung, als er vergangenen Donnerstag bekanntgab, dass das Emirat Katar in Zukunft in Venedigs Giardini, Schauplatz der internationalen Kunst- und Architektur-Biennalen, einen eigenen Pavillon erhalten werde. Der Verweis auf den alten arabischen Namen für Venedig ist kaum mehr als eine etymologische Nebelkerze des, von der Neofaschistin Giorgia Meloni auf den Stuhl des Biennale-Präsidenten gehievten, Rechtsaußen-Journalisten.

In den letzten 50 Jahren durften nur zwei andere Länder – Australien 1987 und Südkorea 1994 – auf dem idyllischen Parkareal einen Pavillon eröffnen. Wer neu hinzukam, wie im letzten Jahr Senegal und Panama, musste auf einen Palazzo in der Stadt oder die Arsenale ausweichen.

Im Kern bedeutet die Entscheidung, einen der symbolträchtigsten Standorte im internationalen Kunstbetrieb einer der umstrittensten Autokratien am Persischen Golf zu übereignen, einen ähnlichen Kotau vor Geld und Öl wie die Vergabe der Fußballweltmeisterschaften 2022 an Katar und 2034 an Saudi-Arabien. Offenbar will Buttafuoco in die Fußstapfen von Fifa-Präsident Gianni Infantino treten. Auch auf dem Kunstterrain stecken die Buddies der Broligarchien ihre Claims ab.

Die Suggestion einer Großmacht

Auf diesen Moment hat das Emirat zielstrebig hingearbeitet. An der Spitze der katarischen Kunstoffensive steht mit Al-Mayasa bint Hamad bin Chalifa Al Thani die Schwester des regierenden Emirs Tamim bin Hamad Al Thani. Die Chefin aller Katar-Museen ist mit ihrem jährlichen Kunstetat von einer Milliarde Dollar ein gern gesehener Gast auf den Kunstmessen der Welt. Sie wird für den neuen Pavillon zuständig sein. Mit den in den letzten Jahren aus dem Wüstensand gestampften, megalomanen Museen und der Kunst im öffentlichen Raum von Isa Genzken bis Damien Hirst befriedigt das Emirat das Prestigebedürfnis seiner Herrscherfamilie. Zugleich arbeitet der zwischen Saudi-Arabien und Iran eingeklemmte, winzige Staat mithilfe der Kunst an der Suggestion einer zumindest kulturellen Großmacht. In Venedig ist diese Strategie aufgegangen.

Die Katarer haben es eilig. Schon im kommenden Mai, pünktlich zur Architektur-Biennale, soll dort die von der pakistanischen Architektin Yasmeen Lari entworfene Installation „Community Centre“ präsentiert werden. Der neue Pavillon soll direkt neben dem von Carlos Scarpa entworfenen Buchhandels-Pavillon am Eingang stehen. Einen Open Call für den überraschend frei gewordenen Bauplatz schrieb die Biennale nicht aus.

Wenn es ihr einzig um die arabische Referenz gegangen wäre, die Buttafuaco ins Feld führte, hätten womöglich auch Länder wie Marokko oder Mauretanien ein herausgehobenes Fenster der Sichtbarkeit verdient. In Sachen Menschenrechte stehen sie Katar in nichts nach.

Repräsentationsgerechtigkeit?

Wenn es um Repräsentationsgerechtigkeit gegangen wäre, hätte in den euroatlantisch dominierten Giardini ein Vertreter des Globalen Südens wie Fidschi einen Platz finden können. Und eine symbolische Geste wäre es gewesen, wenn die Biennale nicht einem der reichsten, sondern mit der Republik Burundi dem ärmsten Staat des Globus eines der begehrtesten Grundstücke eingeräumt hatte.

Einzelheiten des Deals mit Katar hat Präsident Buttafuoco nicht preisgegeben. Im Arabischen bedeutet Bunduqiyyah so viel wie „Feuerwaffe“. Wahrscheinlich war das Kleinod, mit dem Katar seinen Wunsch nach einem Platz an der Sonne der Lagune Nachdruck verlieh, aus Gold.

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Ingo Arend
Autor und Kritiker
Ingo Arend, Politologe und Historiker, Autor, Kritiker und Juror für Bildende Kunst, Literatur und Politisches Feuilleton. Lange Kulturredakteur des "der freitag", 2007 bis 2009 sein Redaktionsleiter. Redakteursstationen bei taz und Deutschlandfunk Kultur. 2015-2023 Mitglied des Präsidiums der neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (nGbK). Spezialgebiet: Global Art, Kunst und Politik, Kunst und Geschichte, Kunst und Kultur der Türkei. Weblog: Ästhetik und Demokratie.
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1 Kommentar

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  • Gab es hier in der TAZ nicht mal einen Report über die prekäre Lage osteuropäischer Bauarbeiter in Deutschland? Und wie sieht's mit den Erntehelfern aus, die während Corona in Container gepfercht und ohne Schutz eng nebeneinander auf den Gurkenernte-Plattformen platziert wurden - und dafür noch einen Teil ihres ohnehin nicht gerade üppigen Lohns (und nicht selten auch ihren Pass) abgeben mussten? Dass es nicht wesentlich mehr Tote in beiden Gruppen gibt, verdanken wir eigentlich nur der Tatsache, dass wir tagsüber keine 50 C haben. Dazu haben wir keinerlei Bedenken, Geschäftsbeziehungen mit Katar zu pflegen, Waffen zu liefern und uns 2022 via Flüssiggaslieferungen von Katar den Bürzel vor unserer eigenen Kurzsichtigkeit retten zu lassen. Insofern können wir uns das Moralisieren gern sparen.