: Demokratische Lücke wird nicht kleiner
Einbürgerungen gehen weiter zu langsam, kritisiert Elif Eralp (Linke) und fordert „Wahlrecht für alle“
Von Susanne Memarnia
Die Unzufriedenheit von Menschen, die schon lange auf ihre Einbürgerung warten, wächst rasant: Die Zahl der Untätigkeitsklagen stieg von 402 im Jahr 2023 auf 1.662 im vergangenen Jahr. Das geht aus bisher unveröffentlichten Antworten der Innenverwaltung auf eine Anfrage der Linke-Abgeordneten Elif Eralp hervor, die der taz vorliegen. Die Zahlen zeigten, dass es ein Fehler gewesen sei, bei der Umstellung des Einbürgerungsprozederes im vorigen Jahr nicht die „Altfälle“ unter den Anträgen vorzuziehen, kritisiert Eralp. „Schnell hohe Einbürgerungszahlen über Online-Anträge zu präsentieren war leider wichtiger als eine gerechte Bearbeitung für alle.“
Im Januar 2024 hatte das Landesamt für Einwanderung (LEA) die Zuständigkeit für Einbürgerungen von den Bezirken übernommen. Dort hatten sich mehr als 40.000 Anträge auf Einbürgerung angesammelt, über die noch nicht entschieden war – manche waren schon fünf Jahre alt. Diese „Altfälle“ werden seither aber nicht prioritär bearbeitet, sondern parallel zu Neuanträgen, die seit Anfang 2024 digital beim LEA eingereicht werden. Dies führt dazu, dass neue Anträge teils nach wenigen Monaten zur Einbürgerung führen, während viele „Altfälle“ weiter warten müssen.
Besonders wichtig ist Eralp die Beschleunigung bei den Einbürgerungen auch wegen des „massiven Demokratiedefizits“. Immerhin haben in Berlin rund 20 Prozent der Erwachsenen kein Wahlrecht, weil sie keinen deutschen Pass besitzen. „Diese Menschen sind nicht an Entscheidungen beteiligt, die sie selbst betreffen.“
Laut der vorgelegten Zahlen haben im Bezirk Mitte sogar 34 Prozent der Erwachsenen keinen deutschen Pass. Davon sind 10 Prozent EU-Bürger, dürfen also bei Kommunalwahlen abstimmen – aber nicht kommenden Sonntag bei der Bundestagswahl. Insgesamt gab es in Berlin laut der Anfrage zum Stichtag Ende Juni 2024 rund 2,4 Millionen erwachsene deutsche Staatsbürger, 242.783 erwachsene EU-Bürger sowie 590.178 erwachsene Nicht-EU-Ausländer.
Eralp geht davon aus, dass die „demokratische Lücke“ nicht so bald durch Einbürgerungen geschlossen wird. Dafür gebe es auch nach der Reform des Staatsbürgerschaftsrechts zu viele Hürden, etwa Einkommensvoraussetzungen und „entwürdigende Einbürgerungstests“, sagt sie der taz. Eine Lösung sieht sie im „Wahlrecht für alle“. Der Senat lehnt eine Ausweitung des Wahlrechts auf Nicht-EU-Bürger allerdings ab.
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