: Perfekter Kreislauf des Lebens
Yoga mit Tieren liegt im Trend. Aber wo kommen die Tiere alle her? Zu Besuch beim Puppy Provider
Von Ernst Jordan
Fast stolpert Heribert Michalski über die acht Rottweilerwelpen, die an acht karmisch aufgeladenen Leinen um seine Beine wuseln. Alltag für Puppy Provider, wie die Hundelieferanten der aufstrebenden Tier-Yoga-Szene heißen. Erst als alle Hunde gepieselt haben, gebietet Michalski dem Treiben Einhalt: „So, jetzt aber los. Wir wollen die jungen Damen nicht warten lassen.“ Mit einem einzigen Schwung seines muskulösen Armes schnappt er sich die Welpen und betritt das Yoga-Studio Animality in Dinslaken unauffällig über den Hintereingang. Dort lässt er die Welpen im noch leeren Studio wieder frei.
„Die Illusion soll natürlich aufrechterhalten werden“, erklärt der Hundelieferant sein klandestines Vorgehen. Denn dass hinter den trendigen Yoga-Angeboten mit Welpen, Kätzchen oder Ziegen schnöde Puppy Provider stehen, würde den Wohlfühlfaktor der Kursteilnehmerinnen wohl merklich verringern. „Aber irgendwo müssen die Tierchen ja herkommen“, führt Michalski entschuldigend aus. Und das irgendwo ist eben sein Zwinger in Hünxe bei Dinslaken.
In seinem ersten Leben war Michalski, Schalle, wie ihn die Kollegen nannten, Maurer. Als er vor zwölf Jahren mit kaputtem Rücken in Frührente ging, begann er Rottweiler zu züchten. Als Hobby. Irgendwann habe ihn die Freundin seiner Tochter dann gefragt, ob sie sich den neuen Wurf nicht mal fürs Puppy Yoga leihen könne. „Also eigentlich“, sagt Michalski, „eigentlich nutze ich die Tiere ja für Hundekämpfe.“ Nach ein paar Verrenkungen seiner Weltsicht ließ er sich jedoch breitschlagen. „Tja, und der Rest ist Geschichte – eine tierisch lukrative“, beendet der Ex-Maurer lachend seine Erfolgsstory.
Als 90 Minuten später im Animality in Dinslaken eine Gruppe vor Wohlbefinden strotzender Frauen das Yoga-Studio verlässt, ist das für Michalski das Zeichen, seine Hunde wieder einzusammeln. Etwas schwerfällig steigt er aus seinem rostigen Transporter, denn: „Jetzt kommt der traurige Teil des Dog Yoga, kurz Doga.“
Denn wie bei jedem Yoga mit Tieren dürfen auch Heribert „Schalle“ Michalskis Rottweiler nur eine einzige Session mitmachen. Sonst „geben sie die negativen Energien, die sie den Teilnehmerinnen abgenommen haben, an die nächsten Kursbesucherinnen weiter“. Aber, und jetzt grinst Michalski breit, „für Hundekämpfe sind die negativen Schwingungen genau das Richtige“.
Ganz schön verschwenderisch das Puppy-Provider-Business! „Ja, ich muss mich auch ständig hier im tierischen Bereich nach frischen Geldquellen umsehen“, meint der mehr als kräftige Hüne. Beim Tier-Yoga wolle er insgesamt allerdings fürs Erste bleiben: „Kursleiterinnen, die alle weltlichen Bedürfnisse regelmäßig wegatmen, zahlen einfach atemberaubend gut.“
Nur eigne sich eben lange nicht jedes Tier für ein lukratives Geschäft. Schlangen würden zu oft, versteckt in Yoga-Matten, mit nach Hause geschmuggelt. „Ziegen fressen einem im Unterhalt die Haare vom Kopf“, weiß Heribert Michalski. Und selbst die Frösche im Frosch-Yoga würden sich mit den Fliegen vom Fliegen-Yoga, in dem man Selbstbeherrschung lernen soll, nur schwer arrangieren.
Aktuell arbeitet der Hünxer mit einer befreundeten Yoga-Lehrerin an dem Konzept Aal-Yoga. Beim Aal-Yoga, so die Hoffnung, verleiht der Schleim der Tiere den Bewegungen der Menschen eine unvergleichliche Eleganz. Langfristig möchte Michalski dann aber doch weg vom Yoga mit Tieren. „Aber so Entspannungsalternativen wie Shiatsu mit Shih Tzu am Stuhl – auf so eine Shitshow lasse ich mich gar nicht erst ein.“
Erfolgversprechender klingen da für ihn schon Paddle-Board-Yoga und Brunch-Yoga. „Beim Paddle-Board-Yoga muss man im Prinzip nur die Bretter austeilen und aufpassen, dass keine der Teilnehmerinnen die Atemkontrolle dem Wasser überlässt.“ Bei ersten Testläufen, die der umtriebige Michalski schon veranstaltet hat, wurde auch die Kombination aus Brunch und Yoga „ausgesprochen gut aufgenommen“. Vor allem der Brunch-Anteil gefiel – und da „insbesondere die Ananas Asanas“. Mit dem, was davon übrig bleibe, könne er dann sogar noch seine Ziegen füttern, „der perfekte Kreislauf“.
Trotz seiner zahlreichen Geniestreiche glaubt Heribert Michalski aus Hünxe, dass seine aktuellen Angebote letztlich aber nur temporär Erfolg versprechen. „Das ist Zeug für Millennials, und die sind bald zu alt für solche Späßken“, erklärt er. Langfristig sei nur Geld mit der immer trendhungrigen Gen Z zu verdienen. Und da die nun mal total auf Spiritualität und Esoterik abfahre, „heißt der neue heiße Scheiß halt eben Geister-Yoga“. Für diese Variante muss Michalski dann nicht einmal mehr Tiere züchten. „Ab und an vom Hof aus in die Luftschächte pfeifen, reicht völlig aus.“
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