: Schriftsteller gegen das erzwungene Schweigen
Trotz Krieg bleibt die ukrainische Kunst lebendig. Schriftsteller und Künstler verarbeiten das Grauen der Front und schaffen eindringliche Werke
Von Alexander Kratochvil
Wenn die Waffen sprechen, schweigen die Musen: Inter arma silent musae. Diese Wendung aus dem Lateinischen nutzte der Kunsthistoriker Wilhelm von Bode Ende des Ersten Weltkriegs mit Blick auf die Künstler und Intellektuellen, die verstummten, als sie in den Krieg zogen. Das trifft wohl auch für die zahlreichen Opfer unter ukrainischen Künstlern zu, die von den russischen Aggressoren, oft ganz gezielt, zum Schweigen gebracht werden. So wie auch die gezielte Zerstörung der ukrainischen Kulturdenkmäler den Versuch darstellen, das kulturelle Gedächtnis der Ukraine auszulöschen.
Und wie die deutschsprachigen Künstler im Ersten Weltkrieg, so sind auch die Ukrainer im gegenwärtigen Krieg nicht verstummt, sondern ganz im Gegenteil. Sie versuchen, ihre Erfahrungen im Krieg und besonders an der Front künstlerisch zu reflektieren, dem Unfassbaren des Grauens eine Form zu geben, damit es andere erfassen können.
Ukrainische Künstler schaffen damit nicht nur Zeitzeugnisse, sondern wirkungsvolle Literatur, deren große literarische Bedeutung sich gegenwärtig kaum erfassen lässt – ähnlich wie während und nach dem Ersten Weltkrieg viele mitreißende Werke des literarischen Modernismus der Feder von Kriegsautoren und ihren Reflexionen entstammten.
Der Schriftsteller Artem Tschech war vor dem russischen Angriff auf die Ukraine 2014 ein angesagter Pop-Autor. Mit dem Maidan 2013/14 und seinem Wehrdienst 2015/16 an der Front der Ostukraine änderten sich sein Leben und Schreiben. Seine Erfahrungen aus der ersten Armeezeit finden sich im Prosaband „Nullpunkt“, auf Deutsch im Arco Verlag 2022 erschienen.
Es folgten weitere Romane, in denen psychische Wunden durch den Krieg thematisiert werden. Seit Februar 2022 ist er wieder in der Armee, an verschiedenen Frontabschnitten, er wurde in Bachmut verletzt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen