: Wie im Wilden Westen
Systematischer Betrug ist auf dem Wohnungsmarkt keine Seltenheit. Das Recht bietet kaum Schutz
Von Ivana Sokola
Der Aushang an einer Straßenlaterne am Kottbusser Damm erinnert an ein Kopfgeldgesuch aus dem Wilden Westen: „Warnung! Deniz K. mietet Wohnungen, zahlt keine Miete, vermietet illegal weiter und fordert Vorauszahlungen. Er hinterlässt seine Opfer finanziell und persönlich geschädigt.“ Auf dem Flyer zwei Fotos eines Mannes, vielleicht Mitte 40, die Haare zurückgegelt, gepflegter Bart.
Was verbirgt sich hinter dem Aushang? Einer der mutmaßlich Geschädigten, Lukas G. (Name geändert), berichtet der taz, Deniz K. habe seriös gewirkt. Über WG-Gesucht.de habe G. gemeinsam mit seiner Frau nach einem Untermieter gesucht, während die beiden in Ägypten waren. Ledermantel und enge Hose habe K. getragen, sofort Englisch gesprochen, sei mit großer Selbstverständlichkeit durch die Wohnung gelaufen. Er tätige „Business in Berlin“, da sei die Kreuzberger Wohnung des Paares für zwei Monate perfekt.
K. gibt sich als Unternehmer, eine Zeitung hat ihn 2015 porträtiert, als Gründer eines Cafés in Istanbul. K. ließ Lukas G. dann aber mit der Miete warten, Nachrichten blieben unbeantwortet, wie der Geschädigte berichtet. Er kündigt K., zieht mit einer Räumungsklage nach. Noch während das Paar in Ägypten ist, besucht ein Freund die Wohnung – doch das Schloss ist ausgetauscht.
Von Kairo aus konnte das Paar verfolgen, wie Deniz K. die Wohnung auf Ebay-Kleinanzeigen anbietet, dabei Fotos und Sprache der originalen Anzeige übernimmt: Die vielen Pflanzen seien ihm wichtig, hieß es da, genau wie im Gesuch des Paares. Derweil seien Dinge aus der Wohnung gestohlen worden: Designerstuhl, Sideboard, Platten fehlten, der Sachschaden beläuft sich laut G. auf Tausende Euro. Deniz K. soll sich auf seinem Instagram-Account mit den Kopfhörern des Kreuzbergers gezeigt haben.
Inzwischen ist Deniz K. weitergezogen, Lukas G. und seine Frau wohnen wieder in ihrer Wohnung. Sie haben sich mit einer Gruppe von mutmaßlich Geschädigten zusammengetan – darunter auch Menschen, die auf einer Besichtigung in der Wohnung von G. gewesen und von Deniz K. um Kaution gebeten worden sind.
Auch Taryn F. gehört zu den Geschädigten. Die Australierin habe sich eine Wohnung in der Reichenberger Straße angeschaut, erzählt sie. Nach der Zusage habe sie Kaution und Miete gezahlt und sogar einen Schlüssel erhalten. Danach habe K. sie allerdings hingehalten, meinte, das Schloss sei gewechselt worden, er müsse ins Ausland wegen eines familiären Notfalls. Als F. bei der Wohnung vorbeiging, habe sie Deniz K. dort vorgefunden. Sie habe die Polizei informiert, die dann vor ihr und K. stand, sagte, da könne man nichts machen – es sei eine Sache des Zivilrechts.
Auch Lukas G. fühlt sich von der Polizei alleingelassen. Die Polizei riet ihm, den Mann anzuzeigen, die Schadenswerte möglichst genau anzugeben. Zu einem Verfahren kam es bislang nicht. K. geistert nun im Leben des Kreuzbergers herum, der weiter mit der Polizei spricht, einen Zeitstrahl mit den Ereignissen führt – und Spuren bis nach Bayern folgt. So ist er nach Bamberg gefahren, da K. dort gesichtet worden sein soll. Wieder Aushänge, Befragungen, wieder nichts.
Die Berliner Polizei hat 2021 und 2022 jeweils rund 1.400 Fälle von Wohnungsvermittlungsbetrug registriert. Laut Polizeistatistik wurden 2022 238 solcher Fälle erfasst, 2023 waren es 340. Ein Fall in einer solchen Komplexität, wie ihn die mutmaßlichen Betroffenen beschreiben, sei ihm bisher nicht bekannt, sagt Sebastian Bartels, Geschäftsführer vom Berliner Mieterverein. Es käme vor, dass Untermietverhältnisse ausgenutzt würden – allein schon deswegen, weil sie leichter zu bekommen sind. Rechtlich sei das kompliziert: „Das Strafrecht perlt am Mietrecht ab wie Wasser und Fett.“ Vieles sei schwer greifbar, weil das Mietrecht komplexe Prüfungen voraussetze.
Deniz K. hat auf die Bitte um eine Stellungnahme nicht reagiert. Einer der mutmaßlich in die Irre geführten Mieter hat zuletzt eine Mail von K. erhalten: Er habe eine Anzeige wegen Verleumdung gestellt und verbitte sich weiteren Kontakt.
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