Rollenerwartung an Frauen: Und jetzt noch Oma
Frauen sollen sich nach Beruf und Mutterschaft liebevoll ihren Enkeln zuwenden, so wird es erwartet. Doch das passt nicht für alle. Drei Protokolle.
Umzug für die Enkel
Als meine Tochter geheiratet hat, da habe ich mir gesagt: Ich komme nach Hamburg, wegen meiner Enkelkinder. Ich bin dann 2014 von Nordrhein-Westfalen in eine Wohnung im Stadtteil Eimsbüttel gezogen. Anfangs habe ich mich dort sehr allein gefühlt. Geholfen hat mir der Seniorenkreis in der Kirche. Ich bin Katholikin. Dort mache ich alles mit, was sie anbieten.
Die längste Zeit meines Lebens habe ich in Nordrhein-Westfalen gelebt. Ich bin in den 70er Jahren aus Indien dorthin gekommen, habe die Sprache und dann Krankenpflege gelernt und 40 Jahre in Gladbeck als Krankenschwester gearbeitet. Hier habe ich auch meinen Mann kennengelernt und mit ihm unsere zwei Kinder großgezogen. Mein Mann ist vor 18 Jahren gestorben.
Als mein Enkelsohn auf die Welt kam, der erste, da habe ich mich sehr gefreut. Mittlerweile habe ich vier Enkelkinder, und die stehen bei mir an erster Stelle. Meinen ersten Enkelsohn und seine Schwester habe ich anfangs jeden Tag aus der Kita abgeholt. Jetzt sind sie 10 und 8 Jahre alt und in der Schule und wohnen etwas weiter weg, daher sehe ich sie jetzt etwa einmal im Monat. Die anderen beiden sind 3 und 6 Jahre alt. Das sind die Kinder von meinem Sohn, die sehe ich zwei- bis dreimal pro Woche.
„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es.“ Zum feministischen Kampftag am 8. März wird die wochentaz zur Frauentaz. Auf 52 Seiten blicken wir auf das gesamte Leben einer Frau – von der Geburt bis zum Tod. Auf taz.de widmen wir uns dem Thema ganze drei Tage.
Mein Sohn hatte erst noch in Siegen gewohnt. Nach seiner Hochzeit hat er mich gefragt, ob ich nicht zu ihnen in die Nähe ziehen würde. Aber ich habe ihm gesagt: Nein, jetzt bin ich hier in Hamburg und habe mich hier an vieles gewöhnt und es gefällt mir auch sehr gut hier. Er hat sich am Ende eine neue Arbeit gesucht und ist auch nach Hamburg gekommen.
Oma-sein bedeutet für mich, dass ich den Kindern von Gott und der Welt erzähle und für sie sorge, wenn die Eltern nicht da sind. So kenne ich das aus meiner Familie. Ein bisschen ein religiöser Touch kommt für mich dazu: Ich zeige ihnen auch Bilder von Jesus und erzähle von ihm. Manchmal stellen sie mir dann Fragen, etwa, warum aus Jesus Blut herauskommt oder warum er in einer Krippe liegt. Das kann ich noch nicht so konkret beantworten, sie sind ja noch so klein. Ich sage dann, dass es wichtig ist, für alles dankbar zu sein. Und ich sage, ihr müsst an etwas Gutes denken, wenn wir in der Kirche eine Kerze anzünden. Omas geben mal eine Schokolade oder ein paar Süßigkeiten mehr, und meine Tochter sagt mir dann: Mama, das sollst du nicht. Ansonsten haben wir kaum Konflikte.
Philomena K.
Manchmal sagen die Enkelkinder zu mir: Das bestimmst nicht du, sondern Mama und Papa. Als Oma bin ich nicht die allerwichtigste Person, und das soll auch so sein. Ich weiß noch nicht, wie es wird, wenn sie groß werden. Jetzt habe ich so viel Freude mit ihnen, wir laufen und sprechen viel miteinander. Wenn ich weit weg von ihnen wohnen würde, das wäre nicht so schön. Dann würde ich nicht sehen, wie sie wachsen, und ich könnte auch nicht richtig mitreden. Ich bin froh, dass ich für sie da sein kann.
Philomena K., 75, aus Hamburg
Unerfüllter Oma-Wunsch
Den Wunsch, Oma zu sein, habe ich schon immer gespürt. Ich wünsche mir Enkelkinder, und ich sehne mich danach, ihnen eine gute Oma zu sein. Ich war auch gern schwanger, da hatte ich gar keine Probleme, und ich fand es auch schön, Mutter zu sein. Dabei war meine Situation nicht immer einfach: Meine beiden Söhne habe ich im Prinzip allein aufgezogen.
Mein jüngerer Sohn ist jetzt 38, und er möchte keine Kinder in die Welt setzen. Er hat Sorge, dass wegen der Umweltverschmutzung, Klimaerwärmung und schlimmen Wetterereignissen keine Zukunft für die Generation nach ihm besteht. Dabei kann er so gut mit Kindern, die kommen immer schnell zu ihm und fassen Vertrauen. Ich denke aber, seine Entscheidung ist bei ihm eine ernst gemeinte Lebenseinstellung. Er hat sich sehr stark damit befasst, er lebt auch vegan und sehr bewusst. Als ich das verstanden habe, war ich traurig.
Die Freundin meines älteren Sohnes (er ist 40) hat ein Kind aus ihrer vorherigen Beziehung. Sie wohnen etwa 30 Kilometer von Lübeck entfernt. Der Kleine ist 8 Jahre alt, und ich würde ihn gern mehr sehen und auch eine gute Beziehung zu ihm aufbauen. Aber wenn ich komme, ist die Freundin oft mit ihm bei ihren Eltern, und ich sitze dann mit meinem Sohn allein am Tisch.
Dann gibt es noch meine Nichte in Hamburg. Sie hat zwei kleine Töchter, 5 und 2, und die waren auch schnell vertraut mit mir. Als die Ältere noch kleiner war, hat sie von sich aus zu mir gesagt: „Das ist Omi Tina. Keine Tante.“ Auch in der Kita hat sie zu den Erzieherinnen gesagt: Das ist meine Omi, und sie sagt es auch heute noch. Wir hatten dann aber etwa zwei Jahre lang fast gar keinen Kontakt. Meine Nichte meinte damals, sie hat nicht so viel Zeit, sie zieht es vor, sich mit ihren gleichaltrigen Freundinnen zu treffen, die stehen ihr näher. Dabei will ich gar nicht zum Kaffeekränzchen kommen, sondern gern auch Oma-Aufgaben übernehmen, also die Kinder von der Kita abholen oder mit ihnen spielen und die Eltern entlasten. Auch der regelmäßige Kontakt zu den Kindern war mir wichtig. Inzwischen hat sie sich wieder mehr angenähert.
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taz talk zum Frauentag 2025

Live am 7.3.25 ab 19 Uhr
Ich fühle mich oft isoliert, und das tut mir sehr weh. Ich würde in meiner Familie gern mehr Nähe und Zusammengehörigkeit erleben. Wenn meine Söhne am Abend Freunde zur Geburtstagsfeier einladen und mich und die Eltern der Freundin zum Brunch, dann ist nach zwei, drei Stunden die Erwartung, dass ich nach Hause gehe, auch wenn ich gerne noch bleiben würde. Ich verstehe mich gut mit ihren Freunden. Aber sie wollen wohl mehr unter sich sein.
Oma-sein bedeutet für mich Geborgenheit geben und Ruhe. Manchmal denke ich, mit einer Tochter wäre das vielleicht klarer. Meine Schwester, die wollte eigentlich gar keine Kinder. Sie bekam dann doch eine Tochter und hat jetzt zwei Enkelkinder. Ich habe auch schon darüber nachgedacht, mich als „Oma auf Zeit“ zu engagieren. Das hat sich bisher aber noch nicht richtig ergeben. Dabei merke ich: Der Umgang mit Kindern, der liegt mir einfach.
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Das Soziale ist mir allgemein sehr wichtig. Beruflich habe ich auch oft Kinder betreut, erst im Frauenwerk im Spielkreis für alleinerziehende Mütter, wo wir auch damals schon sehr kleine Kinder aufgenommen haben, was zu der Zeit etwas Besonderes war, später auch als Betreuerin. Zurzeit passe ich einmal die Woche auf eine Vierjährige auf, die ist sehr temperamentvoll. Das genieße ich richtig, wenn ich da bin, auch die Gespräche mit ihrer Mutter. Das ist für mich seelisch toll, ich fühle mich viel besser und ganz beschwingt, wenn ich dann nach Hause fahre. Und weniger allein.
Martina P., 67, aus Lübeck
Unterstützend aus der Ferne
Ich bin selbstständig und noch voll berufstätig. Und dann habe ich noch eine 50-Prozent-Arbeitssituation in der Politik, da engagiere ich mich für Frieden, für Frauen, Antifa, im Eine-Welt-Netz und im Arbeitskreis zur Verkehrsinfrastruktur Fahrrad in Oberhausen. Das Übliche halt. Es gibt wenige Menschen, die sich bewegen wollen, und die, die sich bewegen, sind dann schnell überall mit drin.
Angefangen habe ich mit Amnesty International, ich komme also aus der Menschenrechtsarbeit, und wenn ich mich heute für gefahrloses Radfahren in Oberhausen einsetze, dann hat das für mich auch etwas mit Menschenrechten zu tun. Einmal war ich bei einer Veranstaltung der jüdischen Gemeinde und habe mich da mit dem Rabbiner unterhalten. Ich habe ihm gesagt: Ich bin nicht religiös, aber Menschenrechte liegen mir am Herzen. Da hat er gesagt, das versteht er, man muss keinen Gott haben.
Konkret bin ich in mehreren Vereinsvorständen und auch im Arbeitskreis Frauen und Migration. Ich organisiere Demos, mache Flyer und betreue Infostände. Letztens habe ich die Kundgebung zum Hanau-Gedenken angemeldet und davor die Demo gegen rechts, nachdem die CDU mit der AfD gestimmt hat, die war sehr erfolgreich mit rund 500 Leuten. Das nächste ist jetzt der 8. März, da machen wir etwas zu „Starke Frauen, starke Geschichten“.
Ich bin dreifache Oma, die drei Mädchen sind die Kinder meiner ältesten Adoptivtochter und sie sind jetzt 12, 10 und 1,5 Jahre alt. Ich fühle schon Verantwortung. So wie ich sie auch für meine Kinder habe. Mein erstes eigenes Kind habe ich mit 45 bekommen, da waren andere schon im Oma-Alter.
Insgesamt habe ich fünf Kinder, die älteren drei habe ich adoptiert, sie sind heute 36, 34 und 29. Sie sind die leiblichen Kinder von meinem Mann. Er hat sich erst so richtig gekümmert, als wir geheiratet haben, da haben wir sie zu uns geholt. Sie hatten vorher im Familienzusammenhang in Côte d’Ivoire gelebt. Das war nicht einfach für sie, und der Jüngste ist hier nicht so richtig angekommen. Ihn zu holen, das war vielleicht doch ein Fehler.
Meine Tochter sagte mal zu mir: Du bist viel gereist, als du so alt warst wie ich. Das kann ich mir nicht leisten, daher habe ich die Kinder. Klar, mit Kindern war auch für mich damals das Herumreisen vorbei. Sie ist jetzt in Elternzeit. Ich sehe mich in der Verantwortung, die Familie zu supporten, auch finanziell, mit einem Gehalt wird es halt knapp.
Über Weihnachten und den Jahreswechsel waren sie alle hier. Ich habe noch das Haus, in dem wir früher zusammen gewohnt haben. Es gibt also Platz. Und sie kommen dann her und überfallen mich. Aber es entsteht nicht so sehr die typische Enkel-Situation, wo die Oma sich mit dem Kind zurückzieht.
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Ich arbeite normal weiter, von zu Hause. Und die Kinder wissen das auch und gehen dann leise an meinem Büro vorbei. Sie kennen mich als Berufstätige. Und ich finde es gut, dass ich mich auch zurückziehen kann. Meine Tochter kümmert sich um das Kochen für alle. Klar, das ist nett, wenn mich die 1,5-Jährige morgens anstrahlt. Aber ich kann auch ohne.
Meine Rolle beschränkt sich darauf, die Enkel aus der Ferne zu unterstützen. Ich freue mich, wenn sie da sind. Aber ich freue mich auch, wenn ich wieder meinen eigenen Alltag habe.
Andrea-Cora Walther, 70, aus Oberhausen
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