: Propaganda im Sinne der Partei
Die rechtsextreme FPÖ plant einen radikalen Umbau der österreichischen Medienlandschaft nach Vorbild Viktor Orbáns. Bei den Koalitionsverhandlungen steht besonders der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Fokus
Aus Wien Florian Bayer
Bei den aktuellen Koalitionsverhandlungen in Wien zwischen der rechtsextremen Freiheitlichen Partei (FPÖ) und der konservativen Volkspartei (ÖVP) ist einer der größten inhaltlichen Streitpunkte die künftige Medienpolitik Österreichs. „Machen wir es dem Orbán nach“, lautete das erklärte Motto von FPÖ-Chef Herbert Kickl im Wahlkampf. Damit meint er vor allem die restriktive Zuwanderungspolitik und eine russlandfreundliche Außenpolitik. Gemeint ist aber auch, und daran lässt die FPÖ keinen Zweifel, ein Umbau der Medienlandschaft.
Am 24. September fand die Nationalratswahl in Österreich statt. Die FPÖ wurde unter Kickl erstmals zur stärksten Kraft mit 28,8 Prozent der Stimmen. Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen zwischen der ÖVP, den Sozialdemokraten und den liberalen Neos beauftragte Bundespräsident Alexander Van der Bellen den FPÖ-Chef im Januar mit der Regierungsbildung. Die Verhandlungen dauern an. Und die Angriffe auf die Presse nehmen in der Zwischenzeit zu.
„Fünf gute Jahre, wenn es dieses Scheißblatt nicht mehr gibt“, schrieb der Wiener Landesparteiobmann Dominik Nepp kürzlich über die Tageszeitung Der Standard in einem X-Posting. Nachsatz: „Presseförderung nur mehr für echte Qualitätsmedien.“
Stein des Anstoßes war kritische Berichterstattung über einen öffentlichen „FPÖ-Stammtisch“ im französischen France Télévisions, die der Standard aufgegriffen hat. Weil die französischen Journalisten trotz intensiver Versuche keinen offiziellen Termin bekamen, besuchten sie die Veranstaltung mit versteckter Kamera. Dort fielen etliche problematische Aussagen zweier anwesender FPÖ-Parlamentsabgeordneter: Sie bezeichneten Geflüchtete aus Afghanistan etwa als „Gesindel“ und sprachen sich für einen EU-Austritt Österreichs aus.
Anhand der Berichterstattung darüber fühlte sich die FPÖ einmal mehr als Opfer der „Mainstreammedien“. Wie offen und unverhohlen sie aber mittlerweile Drohungen ausspricht, ist selbst für ihre Maßstäbe neu. Beflügelt von mehreren Wahlsiegen in Serie, tritt die Partei selbstbewusster denn je auf.
Dass Medienpolitik in Österreich jahrzehntelang vernachlässigt und allenfalls für Parteiinteressen missbraucht wurde, erleichtert der FPÖ die Argumentation. Doch auch das Vertrauen ist stark gesunken: Nur 35 Prozent der Bevölkerung vertrauen laut Reuters Institute Digital News Report 2024 den hiesigen Medien, so wenige wie nie zuvor. In der Schweiz liegt der Wert immerhin bei 41, in Deutschland bei 43 Prozent.
Für den Vertrauensverlust gibt es viele Gründe, unter anderem das tatsächlich zu enge Verhältnis mancher Medien zur Politik. Dazu zählt auch die lange Zeit von vielen Österreicher:innen als zu unkritisch empfundene Berichterstattung zur Pandemiepolitik. Vor allem die von ÖVP und Grünen beschlossene (wenn auch nie umgesetzte) Impfpflicht stieß vielen im Land sauer auf. Die FPÖ hat frühzeitig auf dieses Thema gesetzt und davon nachhaltig profitiert.
Wie schnell der Umbau der Medienlandschaft gehen kann, sieht man wenige Kilometer östlich von Wien. Die ungarische Regierung ließ unter Viktor Orbán zahlreiche Zeitungen aufkaufen, um Kontrolle auf sie auszuüben. Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk machte sie zum reinen Propagandafunk. Auch die slowakische Regierung setzt Medien aktuell zunehmend unter Druck. Und ein Blick nach Polen zeigt, wie schwer sich einmal zerstörte Strukturen, etwa der öffentlich-rechtliche Rundfunk TVP, wieder reparieren lassen.
Ähnliches droht nun auch in Österreich, daran lässt die FPÖ keinen Zweifel. Im Visier hat sie dabei vor allem den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ORF. Er ist mit 1,1 Milliarden Jahresumsatz das mit Abstand größte Medienhaus Österreichs, kämpft aber mit trägen Strukturen, nötigen Einsparungen und politischem Einfluss auf die Führungsebenen. Relevante politische Debatten und investigativer Journalismus finden überwiegend anderswo statt. Auch Selbstkritik und Transparenz sind nicht seine Stärken, dennoch bietet der ORF verlässlichen Journalismus in hoher Qualität.
Wenn es nach der FPÖ geht, soll der ORF künftig mit weniger Geld auskommen. Sie will dem Haus mindestens 15 Prozent zusätzliche Kürzungen auferlegen sowie, so ein zentrales Wahlversprechen der Partei, die erst kürzlich reformierte ORF-Gebühr abschaffen.
Denn die ORF-„Haushaltsabgabe“ wurde erst 2024 in dieser Form eingeführt. Anders als früher müssen nun alle Haushalte zahlen, unabhängig davon, ob es ein Radio- bzw. Fernsehgerät gibt oder nicht. Damit wurden 400.000 zusätzliche Haushalte abgabenpflichtig. Die FPÖ will die Abgabe abschaffen und den ORF aus dem Bundesbudget finanzieren. Damit hätte die Regierung größeren Einfluss auf die Finanzierung.
Im ORF steigt angesichts dieser Pläne die Nervosität. „Die Zerstörung des ORF beginnt“, schrieb der ORF-Redakteursrat jüngst. „Statt Information durch unabhängige Medien wie dem ORF und andere Qualitätsmedien, soll es Propaganda ganz im Sinne der Partei geben“, heißt es in einer Aussendung.
Außer einer etwas platten Werbekampagne („ORF. Für dich und mich und alle“) fällt dem Unternehmen wenig ein, seinen Wert zu vermitteln. Mehr denn je bemüht sich das Haus, der FPÖ keine Angriffspunkte zu bieten. So bat ORF-Generaldirektor Roland Weißmann seine Mitarbeiter per Mail um „besonderes Augenmerk auf die Einhaltung des Objektivitätsgebots“ während der laufenden Regierungsverhandlungen.
Doch auch die Printmedien will die FPÖ stärker an die Kandare nehmen, Stichwort „Scheißblatt“. Der größte Hebel ist auch hier das Geld. Nicht nur über die verschiedenen Medienförderungen, die nicht unbedingt immer Innovation und Qualität fördern, dabei aber wenigstens transparent vergeben werden.
Finanziell deutlich gewichtiger sind Werbeschaltungen der Regierung. Seit Jahrzehnten verteilen Bundeskanzleramt und Ministerien nach Gutdünken Inserate in zweistelliger Millionenhöhe an die Zeitungen. Am besten steigen dabei die Boulevardmedien aus, was mit deren Auflagen argumentiert wird. Doch auch Qualitätsmedien lassen sich auf diese Art subventionieren und sorgen dafür, dass dieses System Bestand hat.
Die Vergabe dieser Inserate ist undurchsichtig, Kriterien gibt es nicht. Medien machen sich dadurch erpressbar, wenn sie von denjenigen, die sie kritisch kontrollieren sollen, Geld entgegennehmen. Selbst nach den Vorwürfen, dass unter Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz Umfragen im Tausch gegen verstärkt geschaltete Anzeigen quasi gekauft worden sein sollen, blieb eine Systemänderung aus. Das rächt sich nun.
Die FPÖ will die Inseratenvergaben, von denen jahrzehntelang vor allem die einstigen Großparteien ÖVP und SPÖ profitierten, keineswegs sinnvoll reformieren. Vielmehr will sie die Medienförderung nun auch auf rechtspopulistische „Alternativmedien“ wie AUF1 und „unzensuriert.at“ ausweiten. Auch das parteieigene Mediennetzwerk mit Fokus auf Youtube (FPÖ-TV) und soziale Medien soll weiter wachsen, unter anderem mit einem eigenen FPÖ-Radiosender und einer neuen Nachrichtenseite.
Der Presseclub Concordia, eine Vereinigung österreichischer Journalist:innen, appelliert nun an die Volkspartei: „Die Medienlandschaft und damit der öffentliche Diskurs dürfen nicht einer Partei ausgeliefert werden, die unabhängigen Journalismus systematisch sabotiert.“
Ob es der FPÖ gelingt, ihre Vorhaben umzusetzen, liegt jetzt vor allem an der ÖVP und der Frage, wie weit sie Herbert Kickl entgegenkommt. Zuletzt gab es Unstimmigkeiten in den Verhandlungen, weil sich die FPÖ bei mehreren Kernthemen wie etwa der EU-Ausrichtung offenbar wenig kompromissfähig zeigte. Zuletzt stand auch ein Platzen der Verhandlungen im Raum.
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