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Zukunft des DeutschlandticketsDurch Deutschland mit 9 Euro – unbezahlbar

Der Erfolg des Deutschlandtickets schmälert die Einnahmen der Verkehrsverbünde. Sie fordern eine gesicherte Finanzierung von der nächsten Regierung.

Nach München mit dem Deutschlandticket? Bayern will, dass der Bund dafür zahlt Foto: Michael Nguyen/NurPhoto/imago

BERLIN taz | Die Zukunft des Deutschlandtickets für den Nahverkehr ist weiterhin offen. So hat der bayerische Verkehrsminister Christian Bernreiter angekündigt, dass Bayern sich nicht weiter an der Finanzierung beteiligen wird. Der Bund müsse die gesamten Kosten übernehmen, verlangt der CSU-Minister. Die Finanzierung im laufenden Jahr ist gesichert, die weitere Zukunft der bundesweit geltenden Zeitkarte für den Nahverkehr ist offen. 2025 schießen Bund und Länder je 1,5 Milliarden Euro dazu, die Einnahmeausfälle der Verkehrsverbünde ausgleichen sollen.

Doch das reicht nicht. Ausgerechnet der Erfolg des Tickets schmälert deren Einnahmen. 13,5 Millionen Kunden fahren derzeit mit dem Einheitsticket. Immer mehr Fahrgäste sind im vergangenen Jahr aus anderen Tarifen auf das Deutschlandticket umgestiegen. Die aus den anderen Tarifen resultierenden Einnahmen sind im vergangenen Jahr deshalb um mehr als 3 Milliarden Euro gesunken.

„94 Prozent der Nahverkehrsunternehmen arbeiten nicht wirtschaftlich“, beschreibt Info Wortmann, Präsident der Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) die Folgen. Da zugleich die Kosten, etwa für Personal und Energie, gestiegen sind, droht laut VDV in vielen Regionen eine Einschränkung des Nahverkehrsangebots.

An ein Ende des Einheitsfahrscheins glaubt VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff jedoch nicht. „Das Deutschlandticket wird bleiben“, verspricht er. Doch wie die Zukunft aussieht, weiß auch er nicht. Die neue Bundesregierung müsse schnell Entscheidungen treffen, fordert der Verband, „es muss Planbarkeit geben“.

Außer Union wollen alle großen Parteien das Deutschlandticket weiterführen – aber zu verschiedenen Preisen

Eine Stellschraube ist der Preis des Tickets. Seit Jahresbeginn kostet es 58 Euro im Monat, 9 Euro mehr als im vergangenen Jahr. Die überwiegende Mehrheit der Kunden hat die Anhebung nicht abgeschreckt. Die durchschnittliche Kündigungsquote ist Wortmann zufolge nur geringfügig angestiegen.

Kostendeckend kann das Angebot wohl kaum gestaltet werden. Wie teuer das Deutschlandticket werden kann, ohne dass die Fahrgäste aussteigen, müssen die Unternehmen noch ausloten. „Wir haben keine riesige Preiselastizität“, weiß Wolff. Allzu groß werden weitere Preissprünge demnach nicht ausfallen. Auch zusätzliche Abonnenten könnten einen Beitrag dazu leisten, die Einnahmeausfälle zu verringern. „Wenn irgendwo Musik drin ist, dann beim Jobticket“, sagt Wolff. Solange die Zukunft ungewiss ist, erwartet er aber keine weitere Verbreitung in den Betrieben.

Nun ist die nächste Bundesregierung gefragt. Sie muss die Rahmenbedingungen für die Weiterführung des Deutschlandtickets setzen. Am schwersten dürfte es für das Angebot im Falle einer unionsgeführten Bundesregierung werden. Die CSU ist von jeher kein Freund des Tickets, und auch CDU-Chef Friedrich Merz will sich auf eine Fortführung des Angebots nicht festlegen.

Dagegen bekennt sich die SPD dazu und will auch ein attraktives Preisniveau erhalten. Die Grünen gehen noch einen Schritt weiter und setzen sich für eine Absenkung des Preises auf wieder 49 Euro ein. Die AfD will das Ticket ebenfalls beibehalten, aber zu einem „ehrlichen“ Preis. Über die Höhe sagt das Wahlprogramm nichts aus. Radikaler gibt sich die Linke. Die Partei will daraus ein dauerhaftes 9-Euro-Ticket machen. Auch FDP und BSW stehen zum Einheitsfahrschein.

Die Branche selbst will das Angebot weiterentwickeln. So haben die einzelnen Verkehrsverbünde zum Beispiel immer noch unterschiedliche Zusatzleistungen in ihr Deutschlandticket eingebaut. Dazu gehören beispielsweise die kostenfreie Mitnahme von Fahrräder oder Kindern. Der VDV hätte lieber ein einheitliches Leistungsangebot. Für die weitere Finanzierung hat der Verband auch einen Vorschlag parat. Der Ticketpreis solle an einen Preisindex gekoppelt werden, der sich an der Kostenentwicklung bei den Unternehmen orientiert, schlägt Wortmann vor.

Reform des Trassenpreissystems gefordert

Die Verkehrsunternehmen plagen aber auch noch andere existenzielle Sorgen. Das betrifft die vom VDV vertretenen Güterbahnen. Auf sie kommen erhebliche Erhöhungen der Nutzungsgebühren für das Schienennetz zu. Das hängt mit der Entscheidung der Ampel zusammen, die Deutsche Bahn mit zusätzlichem Eigenkapital auszustatten. Diese Finanzspritze müssen die Nutzer der Trassen dem Bund über Gebühren hoch verzinsen. Das betrifft vor allem den Fern- und Güterverkehr.

Die Cargounternehmen befürchten, dass sie im Wettbewerb mit dem Lkw angesichts drastisch steigender Kosten nicht mehr mithalten können. Eine geplante Förderung der Trassenpreise als Ausgleich liegt seit dem Scheitern der Ampel auf Eis. Der VDV verlangt von der künftigen Regierung eine Reform des Trassenpreissystems.

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4 Kommentare

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  • Nach Ihren Zahlen beträgt die staatliche Förderung zusammen 18.5 Euro pro Nutzer und Monat. Ein kostendeckender Preis wäre demnach schmerzhaft aber machbar, vor allem weil jeder Nutzer von den 18.5 Euro im Monat schon jetzt mehr als drei selber trägt. Die übrigen 15 zahlen Monat für Monat ungefragt die Nichtnutzer.



    Ganz lächerlich ist aber der Vorschlag der Linken. Ein Symbolpreis von 9 Euro bei Kosten 76.5 ist sinnlos. Dann ergäbe es mehr Sinn, einen steuerfinanzierten Nahverkehr für alle anzubieten. Die Einsparungen für Kartenverkauf, -kontrolle und Finanzwirtschaft dürften die lächerlichen 9 Euro erheblich überwiegen und stellten Personal für sinnvollere Aufgaben frei.

    • @Axel Berger:

      Weil Sie die Kosten anführen, die Monat für Monat ungefragt die Nichtnutzer zahlen - Es wird jede Menge Geld in den Autobahnbau gepumpt, was ich als Sehr-Wenig-Nutzer mit Trage. Auch habe ich nichts von anderen Steuervergünstigungen, siehe Pendlerpauschale, Dienstwagenprivileg, als Beispiel.



      Ich will damit nur andeuten, dass es eine enorme Schieflage diesbezüglich im Verkehrssektor liegt, die immer noch den MIV deutlich bevorteilt.

    • @Axel Berger:

      Der fahrscheinlose ÖPNV wurde schon Anfang der 2010er Jahre im Umfeld der Piratenpartei gefordert, aber irgendwie ist es darum ruhig geworden.

  • taz: *Kostendeckend kann das Angebot wohl kaum gestaltet werden. Wie teuer das Deutschlandticket werden kann, ohne dass die Fahrgäste aussteigen, müssen die Unternehmen noch ausloten.*

    "Schätzungsweise 35 Milliarden Euro Schäden entstanden durch Hitze und Dürre in den Jahren 2018 und 2019. Die Folgekosten der Sturzfluten und Überschwemmungen im Juli 2021 summieren sich auf mehr als 40 Milliarden Euro. Weitere Schäden in Höhe von rund 5 Milliarden Euro wurden durch vereinzelte Sturm- und Hagelereignisse verursacht.", hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz 2022 geschrieben. Und was wird uns der Klimawandel in den nächsten Jahren kosten? Aber darüber möchte mal wieder keiner nachdenken. Dann lieber weiterhin auf das Deutschlandticket schimpfen und den Bürgern erzählen, dass die Finanzierung nicht bezahlbar ist.

    taz: *Die CSU ist von jeher kein Freund des Tickets, und auch CDU-Chef Friedrich Merz will sich auf eine Fortführung des Angebots nicht festlegen.*

    Wer hätte das gedacht? Aber so sind sie nun einmal, die Freunde der CO2-Autoindustrie. So wird es natürlich nie etwas mit der dringenden Verkehrswende werden.