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Polizei und „Clankriminalität“Nachnamen als Verdachtsmoment

Die Berliner Polizei führt eine Datei mit über 7.200 Datensätzen zu Personen, die arabischen Großfamilien zugeordnet werden – zum Teil willkürlich.

Razzia in Neukölln: Polizeieinsatz gegen sogenannte Clankriminalität Foto: Paul Zinken/dpa

Berlin taz | Regelmäßig führt die Berliner Polizei spektakuläre Razzien gegen die sogenannte Clankriminalität durch, der schwarz-rote Senat brüstet sich mit seiner „Null-Toleranz-Strategie“, entsprechende Schlagzeilen prägen die Medienlandschaft.

Dabei macht die sogenannte Clankriminalität nur 0,2 Prozent der erfassten Taten in Berlin aus. Pro Jahr zählen die Sicherheitsbehörden eine niedrige dreistellige Zahl an Tatverdächtigen im Bereich der „Clans“.

Mit Blick auf diese Fakten lässt eine Zahl aufhorchen, die jetzt durch die Antwort der Senatsinnenverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage des Linken-Abgeordneten Niklas Schrader bekannt wurde.

Demnach pflegt die Polizei eine Datei mit dem Titel „Gruppierungen aus dem arabischen Sprachraum“, in der derzeit die Daten von 7.208 Personen gespeichert sind. Wie passt diese Zahl zur deutlich geringeren Anzahl von Tatverdächtigen und zum geringen Anteil an der Gesamtkriminalität in Berlin?

„Falscher“ Name? Pech gehabt

Auf taz-Nachfrage erklärt ein Polizeisprecher, dass es bei der Datensammlung um „eine einzelfallbezogene Betrachtung der Strukturen der sogenannten Clankriminalität“ gehe. Und ergänzt dann: „In den Vorgängen, denen eine oder mehrere Personen dieser Definition zugeordnet sind, können auch weitere Personen erfasst werden, die nicht als Akteure der Clankriminalität gelten.“

Deutlicher formuliert: Auch Menschen, die nicht kriminell aufgefallen sind, landen in dieser Datei. Etwa weil sie mit Verdächtigen verwandt sind oder einfach nur ähnliche Nachnamen tragen: Remmo, Abou-Chaker, Al-Zein.

Wie die Aufnahme in die Datei konkret abläuft, bleibt offen, weil die Daten selbst nicht einsehbar sind. Dazu kommt, dass von Gerichten freigesprochene Verdächtige weiter in der Datei geführt werden, weil ein Abgleich mit Gerichtsurteilen nicht stattfindet.

Hier spielt der Datenschutz also eine wesentliche Rolle. Darüber wacht wiederum Berlins Datenschutzbeauftragte Meike Kamp. Ihre Behörde sieht in der Sammelpraxis der Polizei grundsätzlich kein Problem, sie habe Stichproben untersucht und dabei keine Auffälligkeiten gefunden.

Auf Anfrage der taz teilt Kamps Sprecher zwar mit: „Wir haben angeregt, dass die Polizei im Austausch mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft kontinuierlich die Erforderlichkeit spezifischer Merkmale für die Ermittlungsarbeit und Gefahrenabwehr überprüfen sollte.“ Ein datenschutzrechtliches Donnerwetter klingt gleichwohl anders.

Spiegel einer entgleisten Debatte

Niklas Schrader, der innenpolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, sieht bei der Datensammlung zu „Gruppierungen aus dem arabischen Sprachraum“ ein grundsätzliches Problem. Die Datei sei ein Spiegel einer entgleisten Debatte. „Eine Vielzahl von Menschen gerät in den polizeilichen Fokus, weil sie, auf welcher Grundlage auch immer, Großfamilien zugeordnet werden“, sagt Schrader.

Das sei nicht nur eine diskriminierende Praxis. „Es bringt auch aus kriminalistischer Sicht nichts, den Heuhaufen größer zu machen.“ Es sei legitim, ermittlungsrelevante Datensätze zu speichern, so der Linken-Politiker. Alle anderen müssten aber gelöscht werden.

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4 Kommentare

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  • Wie bitte, - die "sogenannte" Clankriminalität ?



    Was soll das denn aussagen ?



    Es gibt sie und damit Punkt.

  • Ein nicht unerheblicher Anteil der Verbrechen in Deutschland wird von diesen Mullers, Müllers, Millers, Muellers begangen. Obacht!

    Die Transkription aus einer anderen Schrift macht's extra bizarr.



    Mein Gefühl ließe sich von der CDU-Ablenktruppe vielleicht noch einseifen: keiner will Figlio Corleone am BKA-Computer sitzen sehen. Aber Menschen im Leben einfach so abstempeln, kann es nicht sein.



    Mal wieder zu simpel gedacht bei Wegner & Co. So langsam müsste Vornamen-Dings doch mal im Lernmodus ankommen.

  • "Dabei macht die sogenannte Clankriminalität nur 0,2 Prozent der erfassten Taten in Berlin aus."

    Man kann natürlich schwerste Verbrechen auf eine Stufe mit Schwarzfahren, Ladendiebstahl und anderen Massendelikten der Kleinkriminalität stellen.

  • Lieber Herr Amjahid,



    mit diesen Clans ist hier organisiertes Verbrechen nach Mafia-Art eingewandert. Menschenhandel, Mord, Drogenhandel etc. pp.



    Wie man in Italien sieht, kann man der Mafia nicht mit Datenschutz beikommen. Den Menschen entstehet ja kein Nachteil, dadurch dass sie auf der Liste stehen. Und ich als Bürgerin möchte, dass kriminellen Strukturen endlich mal zu Leibe gerückt wird.