ohne stimme: Carlos Canowill nach dem Master bleiben
Vor etwa drei Jahren habe ich mein Heimatland Ecuador verlassen und ein Masterstudium in Berlin begonnen. Mein Auslandssemester in Deutschland während des Bachelors war eine tolle Zeit, darum entschied ich mich, zurückzukommen.
Die Arbeitschancen sind für mich hier besser als in Ecuador und auch die Lebensbedingungen, insbesondere mit Blick auf Sicherheit, Gesundheit und Ausbildung. Ich hoffe, nach meinem Master Arbeit zu finden und bleiben zu können.
Meine Erfahrungen mit Deutschen waren meistens sehr angenehm, auch wenn ich die meiste Zeit mit anderen Ausländern verbringe. Dennoch gab es Situationen, in denen ich für mein Nicht-deutsch-Sein diskriminiert wurde. Dass dieses ausländerfeindliche und faschistische Gedankengut immer stärker auch in deutschen politischen und gesellschaftlichen Debatten durchdringt, beunruhigt mich.
Umso mehr frustriert es mich, dass ich in dem Land, in dem ich lebe und in dem ich auch in Zukunft leben möchte, nicht wählen kann. Weil ich nicht die deutsche Staatsbürgerschaft habe. Die Person, die gewählt wird, wird Entscheidungen treffen, die sich auf uns alle, die wir in diesem Land leben, auswirken werden.
Ich habe das Gefühl, dass viele Menschen ihr Wahlrecht unterschätzen – insbesondere dann, wenn sie es nicht nutzen. Für mich ist es ein sehr wichtiger Teil der Demokratie. Bis ich mich allerdings einbürgern lassen kann und damit ebenfalls das Recht bekomme, einer Person oder Partei meine Stimme zu geben, ist es ein langer Weg.
Zuerst will ich mich beruflich etablieren. Außerdem muss ich bestimmte Voraussetzungen erfüllen, zum Beispiel ein fortgeschrittenes Deutschniveau. Deshalb ist die Einbürgerung eine Entscheidung, die ich zu einem späteren Zeitpunkt treffen muss.
Für mich ist Deutschland ein Land, das seinen Bürgern eine ausgezeichnete Lebensqualität bietet. Jetzt muss ich sehen, ob das in den kommenden Jahren so bleibt. Ich hoffe, dass die neue Regierung in der Lage sein wird, die Wirtschaft des Landes weiter voranzubringen und dabei die Rechte aller Menschen, die Teil dieser Gesellschaft sind, zu respektieren. Und dass sie die Polarisierung und den Hass, die nach und nach entstehen, beenden kann. Ich glaube, viele Ausländer, die in Deutschland leben oder darüber nachdenken, zum Studieren oder Arbeiten hierher zu kommen, werden die Ergebnisse und Auswirkungen dieser Bundestagswahl bei ihrer Entscheidung berücksichtigen. Umso mehr wünsche ich mir, dass die Menschen, die ihr Wahlrecht ausüben können, dies verantwortungsbewusst und informiert tun werden.
Protokoll: Tabea Kirchner
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