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Neues beschädigtes OstseekabelWieder ein Frachter unter Sabotageverdacht

Diesmal wurde ein Kabel zwischen der schwedischen Insel Gotland und Lettland beschädigt. Schweden leitet Ermittlungen auf dem festgesetzten Fahrzeug.

Das Frachtschiff „Vezhen“ liegt vor Karlskrona, Schweden, vor Anker und wird von den schwedischen Behörden untersucht Foto: Johann Nilsson/TT News Agency/ap/dpa

Härnösand taz | Da ist es wieder passiert: Ein Glasfaserkabel in der Ostsee wurde beschädigt, es verläuft zwischen der schwedischen Insel Gotland und Lettland, in 50 Metern Tiefe. Der Schaden entstand in der schwedischen Wirtschaftszone. Der schwedische Geheimdienst Säpo teilte am Sonntagabend mit, ein Schiff sei beschlagnahmt und festgesetzt worden. Ermittelt werde wegen des Verdachts auf schwere Sabotage.

Der Geheimdienst begründete seine Zuständigkeit damit, dass es sich um ein zumindest teilweise gegen schwedische Interessen gerichtetes, ernstes Verbrechen handeln könne. Bei den eingeleiteten Ermittlungen arbeite die Säpo mit der schwedischen Küstenwache, dem Militär und der Polizei zusammen.

Der zuständige Staatsanwalt Mats Ljungqvist erklärte am Montag, dass er die Festsetzung des Schiffes und dessen Durchsuchung angeordnet habe. „Natürlich gibt es Gedanken, die Besatzung zu verhören“, sagte er laut der Nachrichtenagentur TT. Aus Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen könne er darüber hinaus nichts sagen.

Frachter fuhr angeblich aus russischem Hafen ab

Das beschlagnahmte Fahrzeug liegt nun vor der Stadt Karlskrona am südöstlichsten Ende des Landes vor Anker. Ein Video des schwedischen Fernsehens zeigt, wie Mitarbeiter der Küstenwache bei Dunkelheit an Bord gehen. Auf TT-Fotos vom Montag bei Tageslicht ist der Name „Vezhen“ zu erkennen, außerdem Beschädigungen an einem Anker.

Offizielle Angaben zur Identität des Fahrzeugs gab zunächst nicht, aber schon früh kursierten Angaben der Seite Marine Traffic, dass es sich um den unter maltesicher Flagge fahrenden Frachter „Vezhen“ handele. Er soll demnach am Freitag den russischen Hafen Ust-Luga verlassen und in der Nacht zu Sonntag die infrage kommende Stelle passiert haben.

Der Besitzer des Schiffes, die bulgarische Reederei Navibulgar, schloss unterdessen nicht aus, dass es den Schaden verursacht haben könnte. Einer der Anker sei bei einem Sturm über den Meeresboden geschleift worden, wie die Reederei laut Reuters am Montag mitteilte. Das sei nicht absichtlich geschehen.

„Schweden, Lettland und Nato arbeiten eng zusammen“

Den Schaden am Kabel hatte am Sonntagnachmittag das staatliche lettische Radio- und Fernsehzentrum (LVRTC) als Betreiber gemeldet. Die Nachricht erreichte den schwedischen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson kurz vor einem Arbeitsessen in Kopenhagen mit den dänischen und norwegischen Amtskollegen Mette Frederiksen und Jonas Gahr Støre sowie dem finnischen Präsidenten Alexander Stubb. Dabei sollte es just um Themen wie die maritime Sicherheit in der Ostsee gehen.

Auf der Plattform X schrieb Kristersson zu dem jüngsten Vorfall, er stehe in engem Kontakt mit seiner lettischen Amtskollegin. Und: „Schweden, Lettland und die Nato arbeiten in der Angelegenheit eng zusammen.“

Evika Silina, die lettische Premierministerin, hatte noch am Sonntag die zuständigen Ministerien ihrer Regierung zusammengerufen. Sie sei mit Schweden und mit den anderen baltischen Staaten in Kontakt, sagte sie laut dem lettischen Rundfunk LSM. Schweden habe alle nötige Hilfe zugesichert.

Ähnliche Vorfälle in den vergangenen Wochen

Zwischen dem letzten Vorfall am ersten Weihnachtstag, als insgesamt fünf Kabel in der finnischen Bucht gekappt worden waren, und diesem, hatten die Nato-Mitglieder unter den Ostsee-Anrainern Mitte Januar in Helsinki den Start ihrer Mission „Baltic Sentry“ bekanntgegeben. Zum Schutz der Infrastruktur in der Ostsee vor Sabotageakten würden Schiffe und ein Überwachungsflugzeug entsendet.

Mehrfach wurde bei dem Treffen betont, man werde auf diese Vorfälle „robust“ reagieren, bei denen Schiffe der sogenannten russischen Schattenflotte unter Verdacht stehen, in Russlands Auftrag Sabotageakte in der Ostsee vorzunehmen.

Und so ist jetzt auch das Protokoll ein anderes. Die schwedische Marine sagte laut Dagens Nyheter (DN): „Die maritime Leitung der Nato hat uns die Informationen gegeben.“ Natoschiffe und -Flugzeuge arbeiteten mit den Ostsee-Anrainern zusammen. Es hieß laut DN, die verstärkte Präsenz in der Ostsee ermögliche einen schnellen und koordinierten Einsatz, sollte es nötig sein.

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12 Kommentare

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  • Gerd Grözinger , Autor , Prof., Europa-Univ. Flensbu

    Parallel lese ich in der Washington Post vor kurzem, heute positiv aufgegriffen in der FAZ (!), dass westliche Geheimdienste zu dem Ergebnis kamen, dass die bisherigen Vorfälle nicht als Absicht zu werten sind, sondern durch Fehler unerfahrener Mannschaften zu erklären sind. Erinnert alles ein bischen an die Sprengung der North-Stream-Pipelines, hielt man ja auch lange für eine Tat des Putin-Schurken.

    • @Gerd Grözinger:

      Dem Artikel wurde vom zuständigen Finnen bspw. widersprochen.

  • Dieser niederträchtige Putin. Was für ein Feigling. Wie muss man drauf sein, solch hinterlistige Aktionen zu planen ? Tiefer kann Mensch nicht sinken! Napoleon Komplex ausleben .. igitt

  • Sind die Reedereien bzw. ihre Eigentümer und Aktionäre, die Schiife sammt Ladung nicht haftbar für die Schäden?

  • Muss erst eine Öl-Havarie passieren, bevor man solche Schrottschiffe auf den Meeren verbietet? Diese Schiffe sind der absolute Schrott.

    • @Hans Dampf:

      Es mag wirtschaftlich nicht langfristig tragbar sein, aber die Überlegung sollte sein, ob das nicht das passende "Geschäftsmodell" für solche Ereignisse wäre: Reederei haftbar für den Schaden machen, festgesetztes Schiff als Sicherheitsleistung einbehalten und gegebenenfalls erst Ladung, dann den Pott zum Schrottwert verkaufen.



      Signal: Wenn wir ein Schiff erwischen, ist es weg vom Fenster.



      Könnte auf lange Sicht aber ähnlich blöd sein wie Billigdrohnen mit Hightech abzufangen.

      • @travellingpete:

        Wenn ein Schrott-Öltanker havariert, dann ist der Umweltschaden hundert- bis tausendfach höher als der Schrottwert des Tankers.



        Aber ja, eine Weltweit geregelte Versicherung sollte her.

  • Wenn die Skandinavier so weiter machen, haben sie eine schöne Sammlung von alten Schiffen. Man sollte dann die Ladung als Schadenersatz verkaufen und könnte die Seelenverkäufer abwracken.

    • @Axel Schäfer:

      Und wer ersetzt die beschädigten und verlorenen Anker? Diese gefährlichen Glasfasern überall - das musste ja so kommen. Darüber macht man wirklich keine Witze.

  • Bulgarische Reederei, Flaggenstaat Malta, beides in der EU. Scheinbar sind die Sanktionen der EU nicht so richtig wirksam, wenn die noch im Russlandgeschäft sind.



    Und ein Sturm soll schuld sein? Das Schiff hatte am Freitag den Hafen verlassen, und in der Nacht von Samstag auf Sonntag ist das "Malheur" passiert. Mittlerweile sind die Wettervorhersagen für die nächsten 2 Tage sehr zuverlässig. Wenn es so ein schlimmer Sturm war, warum ist das Schiff überhaupt ausgelaufen, oder wurden hier wieder alle Sturmwarnungen überhört?

    • @Offebacher:

      Der Vorteil daran: Wenn EU-Staaten Seelenverkäufer anderer EU-Staaten einkassieren, darf das Rumpelstilzchen im Kreml mal die Klappe halten.

    • @Offebacher:

      Es sind ja nicht alle Produkte aus Russland "sanktioniert".



      Bulgarische Reederei und Flaggenstaat Malta spricht gegen die These einer geplanten Sabotage, sondern eher für Inkompetenz. Auslaufen bei schlechtem Wetter ist nicht ungewöhnlich. Die Kapitäne werden ja oft auch von den Reedereien unter großen Druck gesetzt.