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Arsen, Quecksilber und Blei im Blut

Eine Kupfermine in Mexiko verseucht die Umwelt, Betroffene beschweren sich in Deutschlandüber den Hamburger Konzern Aurubis, der das Metall importiert. Vielleicht ist das bald unmöglich

Die „Buena Vista“-Mine im Norden Mexikos Foto: Hector Guerrero/afp/picture alliance

Von Hannes Koch

„Metalle für den Fortschritt“ – mit dieser Botschaft wirbt der Kupfer- und Metall­hersteller Aurubis. Diesen Slogan halten An­woh­ne­r:in­nen des Sonora-Flusses im Nordwesten Mexikos für Schönfärberei. Aurubis habe „meine Gesundheit – wie die vieler Menschen – stark geschädigt“, schreibt die Mexikanerin Martha Patricia Velarde in ihrer Beschwerde gegen das in Hamburg ansässige Unternehmen.

Das Schreiben beim Bundesamt für Wirtschaft eingereicht hat die Christiliche Initiative Romero (CIR), eine Organisation für Menschen- und Arbeitsrechte. Die Aurubis AG sei mitverantwortlich für Umweltschäden und Wasserverschmutzung in der Region 50  Kilometer südlich des US-Bundesstaates Arizona, bemängeln die Initiative und die Beschwerdeführerin stellvertretend für über die 20.000 An­woh­ne­r:in­nen der Region. Begründung: Aurubis importiere Kupfer aus der dortigen Mine. Das Bundesamt muss die Beschwerde nun prüfen, kann eventuelle Gegenmaßnahmen der deutschen Firma veranlassen und grundsätzlich Geldbußen bis zu 2 Prozent des Jahresumsatzes verhängen.

Der Aurubis-Fall ist auch deshalb interessant, weil solche Beschwerden mindestens vorläufig nicht mehr möglich wären, sollte das Lieferkettengesetz abgeschafft werden, wie es Union und FDP im Bundestagswahlkampf propagieren.

Aurubis habe früher Kupfer beim Unternehmen Grupo México gekauft, dem größten Bergbaukonzern des Landes, und tue das seit 2023 wieder, schreibt CIR. In dessen Mine Buena Vista del Cobre sei 2014 der Damm eines Abwasserrückhaltebeckens gebrochen, wodurch sich „40.000 Tonnen kupfersulfathaltiger Schlamm“ in die benachbarten Flüsse ergossen hätten. Laut Untersuchungen staatlicher Behörden seien deshalb das Grund- und Oberflächenwasser sowie die Fluss­sedimente mit Arsen, Blei und Quecksilber belastet.

Außerdem beschreibt die Beschwerde die gesundheitlichen Folgen für die Bevölkerung. Im Blut der An­woh­ne­r:in­nen habe man erhöhte Werte unter anderem von Arsen, Blei, Kadmium und Quecksilber festgestellt. Leber- und Krebs-Erkrankungen seien dadurch ausgelöst worden. Die zugesicherte Wasseraufbereitung funktioniere schlecht. Eine angemessene Gesundheitsversorgung sei nicht vorhanden. Dass solche Schäden passieren, soll das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz eigentlich vermeiden helfen. Hiesige Unternehmen müssen sich danach darum kümmern, dass die Rohstoffe und Produkte, die sie aus dem Ausland importieren, dort unter Einhaltung der Menschenrechte der Beschäftigten und An­woh­ne­r:in­nen hergestellt werden. Dieser Mitverantwortung sei die Firma jedoch nicht nachgekommen, kritisiert CIR.

„Es ist davon auszugehen, dass Aurubis seine Sorgfaltspflichten verletzt hat“, da das Unternehmen „seit mindestens 2019 über die Situation im Umkreis der Mine informiert ist und unseres Wissens nach keine wirksamen Sorgfaltsmaßnahmen ergriffen hat“, erklärt CIR-Experte Christian Wim­berger. Er geht von einer Verletzung des Gesetzes aus, weil „der Zugang zu einwandfreiem Trinkwasser verwehrt ist, die Gesundheit der Bevölkerung geschädigt wird und die natürlichen Grundlagen zur Produktion von Nahrung beeinträchtigt sind“. Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft muss die Beschwerde nun prüfen und eventuell Gegenmaßnahmen der deutschen Firma veranlassen.

Beschwerdeführerin Martha Patricia Velarde und viele andere Leute in der Umgebung der Mine fordern, „die Bevölkerung mit 36 vertraglich zugesagten Trinkwasseraufbereitungsanlagen“ zu versorgen, die der Minenbetreiber schon seit Langem installieren wollte. Außerdem müsse „eine in Toxikologie spezialisierte Gesundheitsversorgung“ eingerichtet werden. Und schließlich gehe es darum, „weitere Katastrophen“ zu verhindern. Denn das Bergbauunternehmen hat mittlerweile ein neues, größeres Rückhaltebecken gebaut, dessen Zuverlässigkeit die An­woh­ne­r:in­nen allerdings nicht trauen.

„Aurubis ist seit 2019 über die Situation informiert“

Christian Wimberger, CIR

Auf Anfrage der taz äußert sich Aurubis nicht konkret zu den Vorwürfen. Man arbeite „nur mit Geschäftspartnern zusammen, die intensiv und kontinuierlich überwacht werden“. Für diese sei es „nicht tolerierbar, Materialien zu verarbeiten, die mit Menschenrechtsverletzungen in Verbindung gebracht“ würden. Die Firma betont, das deutsche Lieferkettengesetz einzuhalten.

Dieses Gesetz ist seit 2023 in Kraft und gilt für Unternehmen ab 1.000 Beschäftigte. Wirtschaftsverbände haben es stets bekämpft, angesichts der wirtschaftlichen Stagnation kritisieren viele Firmen jetzt den angeblich zu hohen Verwaltungsaufwand. Union und FDP wollen die Regulierung deshalb wieder abschaffen, auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich im Wahlkampf kritisch und wollte das Gesetz vorerst aussetzen. Allerdings: Ab 2027 soll eine ähnliche EU-Richtlinie in Kraft treten, die Deutschland anwenden muss – wenn sie nicht vorher aufgeweicht wird. Ohne derartige Gesetze gäbe es keine Beschwerden, wie sie CIR nun gegen Aurubis einreicht.

Ebenfalls unter Druck steht die EU-Richtlinie zur Berichterstattung der Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit, wozu Probleme wie jene bei Aurubis und Grupo México gehören können. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat versprochen, die Pflichten der Berichterstattung zu vereinfachen. Möglicher Nachteil: Investoren erhielten weniger Informationen, welche Risiken die Unternehmen mit sich schleppen, denen sie Kapital zur Verfügung stellen.

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