: Der Aufstieg der rechten Entrepreneure
Elon Musk setzt sein Geld ein, um einen digitalen Faschismus voranzutreiben – auch in Deutschland. Doch das Problem wächst über ihn hinaus. Was steht uns also bevor?
Von Tatjana Söding und William Callison
Elon Musk ist auf einem Kreuzzug. Der Tech-Milliardär will rechtsextreme Positionen politisch legitimieren und in der breiten Öffentlichkeit normalisieren. Als reichster Mann der Welt hat er das Potenzial und den Willen, weit über die Beeinflussung der Wahlen in Deutschland hinaus einen globalen Rechtsruck zu befeuern – und er ist gewillt, über den parlamentarischen Arm hinaus mit Rechtsextremen zusammenzuarbeiten. Eines der jüngsten Beispiele: Musk teilte etwa einen Post des Verschwörungstheoretikers Alex Jones, der behauptete, die Waldbrände in Los Angeles seien Teil eines größeren „globalistischen“ Planes, die USA zu deindustrialisieren.
Musk ist die fleischgewordene Manifestation des „Move Fast and Break Things“-Mottos des Silicon Valley der frühen 2000er. Dabei setzt er auf die größtmögliche Disruption. Dem Motto folgend geht es Musk nicht darum, strategisch und kalkuliert ein frühzeitig gesetztes Ziel zu erreichen. Schnelligkeit und Schnelllebigkeit sind seine Devisen. Grund dafür ist auch, dass sich Musk selbst in einem Radikalisierungsprozess befindet: Denn er ist nicht nur Besitzer von und Stimmungsmacher auf X, sondern auch Konsument seines Algorithmus, der rechtsextremen Positionen immer mehr Reichweite gibt.
Politiker*innen suchen dabei Musks Unterstützung. „Only the AfD can save Germany“, schrieb Musk auf X über die vom Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestufte Partei. Kurz darauf bettelte FDP-Chef Christian Lindner, seinerseits ausgesprochener Fan von Rechtslibertären wie Elon Musk und Javier Milei, den X-Inhaber an, der FDP seine Gunst zu schenken. Doch die Politik der Freien Demokraten ist Musk bislang nicht migrationsfeindlich, nicht rassistisch, nicht verschwörungstheoretisch genug.
Stattdessen trat Musk im Live-Space mit der AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel auf. Dort gab er ihr eine Bühne, um Adolf Hitler als Kommunisten zu framen. Für die rechte Kanzlerkandidatin ist die Unterstützung durch Musk kurz vor der Wahl wie ein Sechser im Lotto. Gleichzeitig verstärkt Musk damit die Rolle, die Weidel in der AfD einnimmt: Sie ist das konservativ anmutende Gesicht einer sich stetig radikalisierenden Partei, in der das Höcke-Lager längst die Führung übernommen hat.
Sich mit Musk einzulassen, ist für Politiker*innen allerdings ein Spiel mit dem Feuer, denn sein Drang zur Zerstörung und seine Bereitschaft zur Verwüstung können auch sie treffen. Obgleich Musks Fürsprachen rechte Politik normalisieren und international legitimieren können, kann seine zerschmetternde Ablehnung Personen und Entscheidungen in Windeseile diskreditieren.
Wie schnell das passieren kann, zeigt ein Blick nach Großbritannien. Nigel Farage, der Vorsitzende von Reform UK, musste dort schmerzhaft erfahren, dass eine Liaison mit Musk für rechte Politiker*innen nicht zwingend von Dauer oder Vorteil ist. Noch im Dezember lungerten die beiden gemeinsam in Trumps Residenz in Mar-a-Lago herum, um zwielichtige Parteispendenabwicklungen zu planen. Im Januar forderte Musk dann aber auf X Farages Rücktritt, da er nicht in der Lage sei, die Reformpartei anzuführen.
Was war passiert? Farage hatte Musks Forderung nach der Freilassung des inhaftierten britischen Rechtsextremen Tommy Robinson nicht mittragen wollen. Robinson sitzt derzeit in Haft, weil er wiederholt falsche Behauptungen über einen syrischen Flüchtling verbreitete. Nach Musks Frontalangriff ruderte Farage bald zurück. In einem Interview mit dem Sender Great Britain News, das britische Pendant zu dem Trump-Haussender Fox News, schwächte Farage seine Kritik an Robinson ab. Anschließend hob er fast prahlend hervor, dass Musk seine Beiträge auf X weiterhin teilte.
Wie der Fall Farage zeigt, könnte sich Musks Positionierung auch auf innerparteilichen Kämpfe um die Ausrichtung der AfD auswirken. Sollte sich Weidel, die das selbsternannte „libertär-konservative“ Lager der Partei vertritt, der tieferen Faschisierung der Partei ihrer Partei entgegenstellen, könnte sie das gleiche Schicksal wie Farage ereilen.
Dass Musk mit seiner Taktik Erfolg hat, liegt vor allem daran, dass seine politische Radikalisierung und sein unternehmerischer Erfolg nach wie vor getrennt betrachtet werden. Für viele gilt Musk weiterhin vor allem als genialer, disruptiver Erfinder und Unternehmer. Zwar wird anerkannt, dass er vermehrt radikale politische Meinungen vertritt. Doch gilt dieser Fakt oft als zweitrangig, ganz nebensächlich. Wegen Musks beispielloser Wirtschaftsmacht in Schlüsselindustrien – den sozialen Medien, Elektromobilität, und Internetsatelliten – ringen Politiker*innen verschiedenster Couleur um seine Gunst als Investor.
Gleichzeitig profitiert Musk von einem verharmlosenden Umgang mit ihm. Nicht nur wird er als genialer Unternehmer dargestellt. Parallel – und fast schon widersprüchlich – wird er beinahe kindlich behandelt, als sozial-unbeholfener Jugendlicher hingestellt, der sich zu früh auf die Spielwiese der Großen begeben und sich eben im Ton vergriffen hat.
Ganz ernst genommen werden seine politischen Interventionen selten. Als Musk sich offen für die AfD aussprach, äußerte sich FDP-Generalsekretär Marko Buschmann mit den Worten, jeder Mensch habe das Recht, „auch dumme Vorschläge zu machen“. Und Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte auf einen X-Beitrag Musks („Olaf ist ein Narr“) mit der Weisung, man müsse bei solchen Kommentaren „cool bleiben“.
Längst hat Musk mächtige Nachahmer*innen gefunden. Die Unterstützung rechter Parteien und Politiker*innen verspricht den Tech-Milliardären nämlich auch wirtschaftliche Vorteile. Laut dem Milliardärs-Index von Bloomberg ist das Vermögen der zehn reichsten Menschen der Welt – und insbesondere derer, die Trump unterstützen – nach dem Wahlsieg des Republikaners kollektiv um 64 Milliarden US-Dollar gestiegen. Musk allein fuhr mit einem Vermögensanstieg von 26,5 Milliarden US-Dollar mehr als ein Drittel der Summe ein.
Doch nicht alle gingen mit noch volleren Taschen aus der Wahlnacht hervor. Miese machte etwa Facebook-Gründer und Meta-Chef Mark Zuckerberg, der mit Musk in Rivalität steht und von einem Wahlaufruf für Trump absah. Erst nach dem Attentat auf Trump im Juli bewegte er sich langsam auf den Republikaner zu.
Zuckerbergs politische Wende deutete bereits eine weitere politische Radikalisierung an. Dass Facebook und Instagram in den USA Anfang Januar fast über Nacht die Zusammenarbeit mit Faktencheck-Redaktionen beendeten und die Regeln für Hassrede aufweichten, ist die logische Konsequenz des Musk-Effekts, der auch bei Zuckerberg fruchtet. Nur wenige Tage nachdem sich Zuckerberg dem Feldzug der Desinformation angeschlossen hatte, öffnete Trump dem Meta-Chef die Türen in Mar-a-Lago.
Elon Musk mag mit seiner Radikalisierung nach rechtsaußen ein Vorreiter gewesen sein. Doch Musk ist keineswegs einzigartig. Das Zeitalter des digitalen Faschismus, das er als Galionsfigur anführt, wurde gerade erst eröffnet.
Welche Lehren sollten wir aus dem Aufstieg rechter politischer Entrepreneure ziehen? Um diesen Entwicklungen zu begegnen, hilft nur ein breites Register an Gegenmaßnahmen. Aktuell werden Musks Interventionen vor allem als unrechtmäßige Wahleinmischung bewertet. Ein zivilgesellschaftlicher Aufruf auf der Petitionsseite WeAcT, X im Rahmen des EU-Gesetzes über Digitale Dienste abzuschalten, hat über 500.000 Unterschriften gesammelt – das ermutigt.
Jenseits des Legalismus und des Fokus auf die anstehenden Wahlen braucht es gegen den Schulterschluss zwischen Tech-Milliardären und rechten Parteien robuste, antifaschistische Antworten.
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