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Welthandball in Europa zu Hause

Bei der Handball-WM zeigt sich, wie eurozentristisch diese Sportart immer noch ist. Allein Deutschland wird innerhalb von 14 Jahren siebenmal Gastgeber von Großturnieren sein

Chancenlos: Algeriens Abdeldjalil Zennadi kann seinem dänischen Gegenspieler Rasmus Lauge nur hinterherschauen Foto: Fo­to: ­Soeren Stache/dpa

Aus Herning Frank Heike

Der dänische Handballspieler Mads Mensah Larsen hatte einen kuriosen Blick auf die ersten Spiele seiner Mannschaft: „Ich fand es ganz gut, um ins Turnier zu kommen.“ Gemeint waren das 47:22 gegen Algerien und das 32:21 gegen Tunesien zu Beginn dieser Weltmeisterschaft. Mensah von der SG Flensburg-Handewitt meinte das gar nicht res­pekt­los: „Als wir uns Algerien angeschaut haben, haben die richtig gut Handball gespielt und hatten gute Ergebnisse. Aber wenn Mannschaften, die das nicht gewohnt sind, hier einlaufen vor 15.000 Menschen und es bei uns gut läuft, wird es schwierig für sie.“

Die aktuellen Ergebnisse dieser Weltmesse in Dänemark, Norwegen und Kroatien befeuern wieder einmal die Diskussion, ob man Handball-Weltmeisterschaften braucht, wenn doch neben den europäischen Teams nur Ägypten und Brasilien einigermaßen mithalten können. Hohe Siege für die Favoriten sind normal, Spannung ist nicht vorhanden, und das Argument, man leiste den schwächeren Nationen Entwicklungshilfe, ist spätestens zwei Jahre später entkräftet – weil diese dann genauso hoch gegen die Topteams untergehen.

Doch der Handball braucht den internationalen Anstrich, um seinen Status als olympische Sportart nicht zu verlieren. Was die Ausrichter betrifft, bleibt dieser west- und nord­euro­päisch geprägte Sport bis 2032 unter sich – mit Deutschland als Kernland. Seit sich der Deutsche Handballbund (DHB) 2015 aufmachte, mit Großveranstaltungen die Kassen zu füllen und damit den gesamten Handball als Sport und Organisation zu modernisieren, hat sich dieses Modell unter der Überschrift „Jahrzehnt des Handballs“ als Erfolgsgeschichte erwiesen: Die Professionalisierung schreitet auf allen Ebenen voran, gefüttert durch die Einnahmen aus große Turnieren.

Dieses Eisen schmiedet der DHB weiter. So wird aus der Dekade im Zeichen des kleinen Balls eine Botschaft, die in die Dreißigerjahre abstrahlt, denn nach der Frauen-WM Ende des Jahres und der männlichen Weltmesse 2027 hat der DHB auch den Zuschlag für einen Teil der WM 2029 erhalten – eine frohe Botschaft gab es zudem aus Wien, dem Sitz des Kontinentalverbands: 2032 werden beide Europameisterschaften in deutschen Hallen stattfinden, im Januar und November. Das sind sieben Turniere in 14 Jahren.

Bei den Profis sorgt das für eine Mischung aus Kopfschütteln und Stolz. Tim Kastening ist einer, der über den Tellerrand schaut. Der Melsunger Rechtsaußen sagt: „Ich habe mir diese Frage auch gestellt. Wertest du das Turnier dadurch ab, dass du es immer in den selben drei, vier Ländern stattfinden lässt? Oder schaffst du es mit tollem Sport, vollen Hallen und super Stimmung den Sport in andere Länder zu transportieren?“

Der DHB erlebt einen Zustrom an Kindern, die offenbar die Bilder der Heim-EM noch im Kopf haben

Dass der Handball euro­zen­tris­tisch organisiert ist, will Mark Schober gar nicht leugnen. Aber dem 52 Jahre alten DHB-Vorstandsvorsitzenden ist qua Position an einer Differenzierung gelegen: „Bei einer WM mit 32 Teams wird es schwierig, einen einzelnen Ausrichter zu finden.“ Das schafft nur Deutschland mit seinen vielen großen Arenen. Schober weist darauf hin, dass auch die kommenden „deutschen Turniere“ mit Co-Gastgebern arbeiten werden: Bei der nächsten Frauen-WM nehmen die Niederlande den DHB huckepack (Finalrunde in Rotterdam), 2029 wird der DHB Frankreich mit einer Vorrunden- und einer Hauptrundengruppe nur assistieren. 2032 im Jahr der Doppel-EM werden den Deutschen sogar Frankreich, Polen und Dänemark bei den Austragungen helfen. Schober sagt: „Man muss sich schon etwas einfallen lassen. Wir geben jeder Veranstaltung eine andere Überschrift. Wir wollen junge Handballerinen und Handballer gewinnen, das Ehrenamt fördern, uns um Zugewanderte kümmern. Die Großveranstaltungen als Leuchttürme helfen uns dabei enorm.“

Gerade erlebt der DHB einen Zustrom an Kindern, die offenbar die Bilder der Heim-EM noch im Kopf haben. Diesen Effekt sieht der 29-jährige Kastening, der sich bezogen auf die eigene Karriere aber auch fragt: „Du hattest früher pro Spielergeneration einmal ein Heimturnier. Daraus zog es seine Wertigkeit. Jetzt hast du es gefühlt alles zwei, drei Jahre. Ich weiß nicht, was das mit den Spielern macht.“ Werden die Turniere gar beliebig?

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