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Ukraine, Trump, BundestagswahlAbsurde Folgen

Scholz ist nicht mehr der merkelste, Trump ein Comedy-Autor, die Grünen Aggro-Menschenrechtler. Und Kaiser Franz stylte gern mit Bartschere.

Das Bannon-Konzept „to flood the media with bullshit“ bindet Aufmerksamkeit, und, wer weiß, vielleicht meint Trump alles ernst Foto: Evan Vucci/AP/dpa

t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?

Friedrich Küppersbusch: Nach „X“ werden auch facebook und Insta ausgewildert.

taz: Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Argumente für Öffentlich-Rechtliche.

taz: Armin Laschet hat die Union aufgefordert, im Wahlkampf geschlossen aufzutreten. Hat Ihnen das ein unkontrolliertes Lachen entlockt?

Küppersbusch: Das toxische Foto von Laschet bei den Flutopfern als rheinische Rohnatur hat ihm geschadet. Zudem demolierte Söder den Kandidaten – mit der gern übersehenen Folge, dass genau dies auch Söder selbst verunmöglichte. So konnte ein dritter Aspekt zum Tragen kommen: Scholz war von allen noch am merkelsten. Der Vizekanzler war vielen eine kommode Kommode, ein gewohntes Machtmöbel für verunsicherte Zielgruppen. Nun musste Söder Merz vorlassen, den man schon sehr lange kennt, und Scholz ist nicht mehr der merkelste, sondern halt: Scholz. Das macht den Unterschied: Für die SPD wird´s diesmal nicht reichen, in der Fußgängerzone zu stehen und zu warten, bis der Gegner geblitzt wird.

taz: Trump sagt, er bereite ein Treffen mit Putin vor, der zeigt sich „offen“. Sollte das der gegenwärtige oder zukünftige Bundeskanzler auch sein?

Küppersbusch: Nach dem „Bürgenstock“-Gipfel vergangenen Juni in der Schweiz drängte der ukrainische Präsident Selensky: „Wir haben keine Zeit…“: auf einen Gipfel mit Russland. Neben täglichem Tod, Verstümmelung und Grauen sollte er dabei die US-Wahl dräuen gesehen haben. Die Frage an den Kanzler ist also weniger, ob er sich von Roderich Kiesewetter in die Schmuddelecke lügen lässt – also empört Treffen mit Putin dementieren muss. Sondern umgekehrt: Warum das vor Trump nicht zustande gebracht wurde.

taz: Trumps Grönland-Phantasien werden gern belächelt. Aber das Eis schmilzt und darunter gibt es Rohstoffe. Dürfen wir weiter lächeln?

Küppersbusch: Trump ist ein Comedy-Autor, der das nicht weiß. Das Bannon-Konzept „to flood the media with bullshit“ bindet enorme Aufmerksamkeit, und, wer weiß, vielleicht meint er das auch alles ernst. Es entsteht das Bild von drei Premiumschurken – Russland, China, USA – die ihre Claims neu abstecken. In ingrimmiger Feindschaft einig darin, dass sie das dürfen. Weil ihnen danach ist. Fertig. Absurde Folge: Die Rufe nach Hochrüstung und Sozialabbau hier – um den Mächten trotzen zu können. Indem wir sie nachmachen.

taz: Die UN in der Ukraine beklagt zunehmende zivile Opfer durch russische Fliegerbomben. Kanzler Scholz stellt sich laut Spiegel gegen weitere Waffenlieferungen, darunter auch Flugabwehrsysteme. Wird er sich bald daran nicht erinnern können?

Küppersbusch: Kann man auch als Täter-Opfer-Umkehr erzählen: Die alte Ampel hat vier Milliarden frische Hilfen für die Ukraine bewilligt, nun satteln vor allem Grüne und FDP weitere drei drauf. Statt nun – zusammen mit der Union – das im Bundestag zu beschließen, verprügeln die üblichen Verdächtigen zum hundertsten mal den Zauderkanzler. Mag sein, dass es den Aggro-Menschenrechtlern von den Grünen im Wahlkampf hilft. Oder der inzwischen jeder Genscher-Politik abholden Kampfsportgruppe Lindner. Und sogar dem sowohl-als-auch-Kanzler. Sicher ist hingegen – der Ukraine hilft das garnicht.

taz: Matthias Sammer findet, es sei „für mich nicht mehr wiedergutzumachen, was wir ihm angetan haben“, es geht um Franz Beckenbauer. Was haben Sie dazu beigetragen?

Küppersbusch: Ok, ich bin im Kaufhaus immer stehen geblieben, wenn aus einem Monitor schallerte „Machen Sie´s wie Franz Beckenbauer“, und da demonstrierte der Kaiser dann, wie er sich mit einer Bartschere die Frise stylte. Mein kindlicher Reflex war, die sportliche Lichtgestalt vor diesen niederen Formen der Prostitution irgendwie schützen zu wollen. Später sah ich Beckenbauers routinierten Griff zum einen Nasenloch, um sich mit ordentlich Puste durch´s andere den oberen Atemweg auf den Rasen zum entschleimen. Wenn keiner guckt, mache ich das heute noch so beim Radfahren. Ja, auch ich verdanke ihm viel.

taz: Der SPD-Sozialpolitiker Rudolf Dreßler ist gestorben. Haben Sie eine Erinnerung?

Küppersbusch: Dass „August Bebel“ ein Spottname für Dreßler wurde rings um seinen Hader mit Schöders Agenda-Politik markierte damals, wo die SPD gelandet war.

taz: Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Was soll man mehr bewundern? 300 Essener Fans setzen ihre Urlaubstage ein, um dem Team im türkischen Lara beim Training zuzuschauen. Oder türkische Gastgeber, die aus dem 700 Km entfernten Istanbul für sie eine portable Tribüne herbeischaffen?

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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