: Nichts Neues für den Balkan
Auf dem EU-Westbalkan-Gipfel suchte man vergebens nach konkreten Plänen für einen Beitritt
Aus Split Erich Rathfelder
Es waren keine freundlichen Gesichter, die sich im Fernsehen der Länder des Westbalkan zeigten. Erneut hatte Brüssel entschieden, den Integrationsprozess der Westbalkanländer auf die lange Bank zu schieben. Am Donnerstag drängten die Verantwortlichen in Serbien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Nordmazedonien und Kosovo nicht gerade darauf, dieses Fazit ihrer eigenen Öffentlichkeit zu präsentieren.
Die Zeit drängt. Europa ist nicht die einzige Macht, die Einfluss auf dem Balkan gewinnen will. Vor allem mit China und Russland sind gewichtige Konkurrenten am Werk. China versucht mit dem Bau von Eisenbahnen und Autobahnen, wirtschaftlich in die Region einzusteigen. Russland will militärisch präsent sein.
Europa ist zwar im Balkan in wirtschaftlicher und ideologischer Hinsicht führend. Doch dass die USA Richard Grenell zum Sonderbeauftragten für außenpolitische Brennpunkte ernannt hat, verheißt für den Balkan nichts Gutes: Grenell gilt als Freund des serbischen Präsidenten Vučić. Er sieht in Serbien die zentrale Macht auf dem Balkan und wendet sich damit gegen all diejenigen, die in den letzten Jahrzehnten unter der serbischen Politik gelitten haben, allen voran Kosovo und Bosnien und Herzegowina.
Während in Bosnien und anderen Staaten die politischen Klassen mehr und mehr dazu neigen, vor allem eigene und auch persönliche wirtschaftliche Interessen zu verfolgen und das Schicksal des Staates hinten anzustellen, ist mit dem kleinen Kosovo unter der Führung von Albin Kurti eine Kraft entstanden, die nicht allem zustimmt, was in den Hauptstädten vorgeschlagen wird. Und so war es auch die Präsidentin des Kosovo, Vjosa Osmani, die beim Balkan-Gipfel als Sprecherin jener aufgetreten ist, die an den Prinzipien der liberalen Demokratie festhalten.
Dabei hat es auch die scheidende Ampel mit der Demokratie nicht immer ernst genommen. Bundeskanzler Olaf Scholz hat, als er im Juli in Serbiens Hauptstadt Belgrad Milliardenverträge zum Abbau von Lithium unterzeichnet hatte, Serbien und damit dessen autokratisches System hofiert. Das seltene Metall Lithium wird für Batterien und die Energiewende benötigt. Eine Zusammenarbeit mache „uns unabhängiger von Importen aus anderen Regionen“, sagte Scholz. „Mit dem Abbau von Lithium hier in Serbien erhöhen wir diese Resilienz“, so Scholz.
„Wenn wir nicht da sind, werden andere es sein“, warnte die slowenische Beitrittskommissarin Marta Kos mit Blick auf Russland und China. Und wieder demonstrieren Zehntausende gegen Lithiumabbau und das Vučić-Regime.
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