piwik no script img

Tsunami vor 20 JahrenBevölkerung gedenkt Tsunami-Opfern

Vor 20 Jahren starben mehr als 230.000 Menschen nach einem Tsunami. Mit Frühwarnsysteme soll vor weiteren Katastrophen gewarnt werden.

Der Tsunami traf die Menschen völlig unvorbereitet Foto: Foto: Dita Alangkara/ap

Berlin taz | Drei Minuten lang ertönt ein Sirenenton über Banda Aceh in Indonesien. Es ist 07:58:53 Uhr am 26. Dezember 2024, genau zwanzig Jahre nach dem schlimmsten Tsunami im Indischen Ozean. Am Jahrestag gedenkt die Bevölkerung den 230.000 Todesopfer.

Ein Erdbeben der Stärke 9,1 vor der Westspitze Sumatras löste eine Reihe massiver Wellen im Indischen Ozean aus. In den nach Indonesien am schlimmsten betroffenen Ländern Sri Lanka und Thailand wurden wie in der Baiturrahman-Moschee in Banda Aceh zum 20. Jahrestage Gedenkfeiern und religiöse Zeremonien abgehalten.

Mit mehr als 160.000 Toten hatte Aceh die höchste Zahl von Opfern zu verzeichnen. Bis zu 40.000 Menschen starben in Sri Lanka. In Thailand waren die Ferieninsel Phuket und mehr noch das vor allem unter Deutschen und Skandinaviern höchst populäre Ferienparadies Khao Lak auf dem Festland betroffen. 5.000 Menschen, gut die Hälfte davon Urlauber, starben.

Khun Sun hatte Glück im Unglück. Der Mitarbeiter eines Hotels in Khao Lak musste am 26. Dezember 2004 frühmorgens einen Gast zum Flughafen von Phuket fahren.

Verwüstung und Trauer

„Als ich am Morgen losfuhr, war alles normal. Bei meiner Rückkehr war alles zerstört. Überall Trümmer und Leichen. Menschen weinten, andere riefen die Namen vermisster Angehöriger“, erinnert sich Khun Sun. Das Hotel, in dem er arbeitete, sei aber stehen geblieben und seine Kollegen überlebten. „Die Zimmer vieler Gäste waren verwüstet. Alle schliefen in der Lobby“, erinnert er sich.

Der Tsunami traf die Menschen völlig unvorbereitet. Doch das sollte sich ändern. 2008 begann das „German-Indonesian Tsunami Early Warning System“ unter der Federführung des Geoforschungszentrums Potsdam. Drei Jahre später wurde es an Indonesien übergeben und umbenannt. Das „Indonesia Tsunami Early Warning System (InaTEWS)“ hat mehrere Tausend Beben analysiert und vor gut einem Dutzend Tsunamis erfolgreich gewarnt.

Der damalige Leiter des GITEWS-Projekts, Jörn Lauterjung, sagt in einer Erklärung des GFZ, die Katastrophe von damals habe zu Frühwarn- und Schutzprogrammen in der ganzen Welt geführt, so auch in der Karibik oder im Mittelmeerraum. Die meisten stünden unter dem Dach der UNESCO, der Wissenschafts- und Kulturorganisation der Vereinten Nationen.

Der inzwischen pensionierte Lauterjung betont aber auch: „Eine wichtige Rolle spielen auch natürliche Warnzeichen, die sehr viel früher zur Verfügung stehen können als eine offizielle Warnung, und die Interpretation dieser natürlichen Zeichen.“

Das wussten 2004 die Menschen auf der indonesischen Insel Simeulue vor der Nordküste Sumatras. Über Generationen war dort die Legende des Ungeheuers „S'mong“ weitergegeben worden, das 1907 Tausende Menschen mit einer Flutwelle in den Tod gerissen hatte.

Schutz in höher gelegenen Gebieten

Obwohl der Tsunami 2004 auch auf Simeulue enorme Höhen erreichte, starben dort nur sieben Menschen, da sich rechtzeitig mehrere Zehntausend in höher gelegene Gebiete retten konnten.

Im Alltag der Überlebenden hingegen ist der Tsunami kaum noch ein Thema. Zahlreiche wissenschaftliche Studien sind zu dem Schluss gekommen, dass die meisten Menschen im muslimischen Aceh sowie den überwiegend buddhistischen Ländern Thailand und Sri Lanka dank intakter familiärer und sozialer Strukturen als auch durch feste religiöse Bindungen das Tsunami-Trauma weitgehend überwunden haben.

Eine von indonesischen Wissenschaftlern im Fachmagazin Springer Nature veröffentlichte Studie nannte religiöse Sichtweisen zur Bewältigung wie „die Katastrophe war von Gott vorherbestimmt“, „man müsse beten, um Frieden zu finden“ oder „die Toten sind Märtyrer und werden von Gott mit dem Himmel belohnt“.

In einer 2022 im „Journal for international disaster reduction“ veröffentlichten indonesischen Studie hieß es, zwischen 15 und 20 Prozent der befragten Tsunamiüberlebenden litten „an einer anhaltenden mittelfristigen beziehungsweise verzögert einsetzenden posttraumatischen Belastungsstörung“.

Tsunami im Alltag verdrängt

Khun Sun, der weiterhin in Khai Laok in einem Hotel arbeitet, weiß. „Der Tsunami spielt im Alltag keine Rolle mehr. Manche Touristen besuchen die Tsunami-Denkmäler oder gehen ins Tsunami-Museum. Aber die Einheimischen leben ein normales Leben.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!