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Lieferando kassiert Diensthandys ein

Der Lieferdienst muss seinen Kurieren das Fahrrad und ein Handy stellen – so sieht es ein Bundesarbeitsgerichtsurteil aus 2021 vor. Die Firma weigert sich. Das will der Betriebsrat in Hannover nicht hinnehmen

Bei Wind und Wetter auf Achse: Lieferando-Fahrer Foto: Jan Woitas/dpa

Von Nadine Conti

Eigentlich sollte der Fall klar sein: 2021 urteilte das Bundesarbeitsgericht über die Klagen zweier ­„Rider“, wie die Fahrradkuriere bei Lieferando heißen. Die hatten sich durch drei Instanzen geklagt, um feststellen zu lassen: Fahrrad und Handy sind Arbeitsmittel, die prinzipiell der Arbeitgeber zu stellen hat. Das darf er nicht einfach auf die Fahrer abwälzen. Wenn er erwartet, dass hier private Güter eingesetzt werden, muss er das zumindest angemessen kompensieren. Damals ging es allerdings auch noch vor allem um die Fahrräder, für die den Fahrern ein Reparaturzuschlag von 0,25 Euro pro Stunde gewährt wurde – der dann aber auch nur in bestimmten Werkstätten einzulösen war.

In der Zwischenzeit ist die Liste der Dinge, die Lieferando seinen Fahrern stellt, deutlich angewachsen: Fahrrad, Jacke, Tasche, Helm, Handyhalterung, Thermounterwäsche und Handschuhe im Winter, Käppis und Sonnencreme zählt der Sprecher des Unternehmens auf. Das gilt zumindest für die Fahrer, die bei Lieferando direkt beschäftigt sind. Es gibt aber auch einige, die bei den Restaurants angestellt sind, die Lieferando als Bestellplattform benutzen.

Nur das mit den Diensthandys habe sich halt leider nicht bewährt. „Viele Fahrer haben uns – teils vehement – gemeldet, dass sie nicht zwei Handys nutzen möchten“, sagt Lieferando-Sprecher Oliver Klug. Wer bereitwillig sein privates Handy nutzt, bekommt dafür eine Kompensation von zehn Cent pro Arbeitsstunde.

Für Gregor Jäger, Betriebsrat am Standort Hannover und seit 2019 Fahrer bei Lieferando, ist das eine Rechnung, die nicht aufgeht. „Man hat eben schon einen ganz schönen Verschleiß dadurch, dass das Handy bei Wind und Wetter am Lenker hängt“, sagt Jäger. „Und manchmal fällt einem das Ding ja auch runter.“ Da wolle nicht jeder sein privates Handy einsetzen, schon gar nicht ein teureres Modell.

Aber dann – argumentiert wiederum Lieferando – könnte man sich für dieser Kompensation doch ein einfach ein billiges Zweithandy zulegen. Ein Vollzeitfahrer erhält immerhin rund 17 Euro pro Monat, dafür lässt sich in den einschlägigen Vergleichsportalen schon das ein oder andere günstige Modell inklusive Vertrag auftreiben.

Auch diese Rechnung, sagt der Betriebsrat, haut so nicht wirklich hin. Auf 16 bis 17 Euro kommen eben nur die Vollzeitkräfte. Die machen in Hannover ungefähr 20 Prozent der Belegschaft aus. Der viel größere Teil sind Teilzeitkräfte, Werkstudenten, Mini- und Midijobber. Die kommen mit ihrem Stundenumfang dann auf irgendetwas zwischen 2,18 Euro und 10,05 Euro im Monat, rechnet Jäger vor. Und dafür gibt es nun garantiert kein Handy mit Vertrag.

Außerdem gibt es bei dieser Variante auch noch ein weiteres Problem: Bei Vertragsabschluss werden ja erst einmal höhere Kosten fällig. Und dann hat man einen Vertrag mit mindestens zwei Jahren Laufzeit. Wenn das Handy in der Zwischenzeit kaputt geht, gibt es in der Regel keinen Ersatz – zumal bei den meisten Anbietern solche Verträge auf Privatkunden zugeschnitten sind und nicht auf gewerbliche Nutzer.

„Man hat eben schon einen ganz schönen Verschleiß dadurch, dass das Handy bei Wind und Wetter am Lenker hängt“

Gregor Jäger, Betriebsrat Lieferando

Jäger glaubt auch nicht, dass wirklich so viele Rider wild darauf sind, ihr privates Handy zu nutzen. Einige der Kollegen, deren Diensthandys jetzt einkassiert werden sollen, haben dem jedenfalls widersprochen und überlegen sich zu klagen. Das Problem dürfte eher sein, dass Lieferando die Kosten aus dem Ruder gelaufen sind, vermutet er. „Natürlich gab es da auch immer viel Ärger: Da sind Handys verschwunden und bei Ebay wieder aufgetaucht, Datenvolumen massiv überschritten worden und Ähnliches.“ Aber auch Fahrer beklagen, dass ihnen mit hohen Vertragsstrafen gedroht wird, weil die Rückgabe des Handys nicht ordnungsgemäß registriert wurde.

Es ist eben nicht einfach, das im Griff zu behalten, sich auf klare Spielregeln zu verständigen und die dann auch durchzusetzen, wenn man es mit einer Belegschaft zu tun hat, in der viele nicht gut Deutsch sprechen und die Fluktuation hoch ist. Möglicherweise hat der Dienstleister, den Lieferando mit der Verwaltung und IT-Betreuung dieser Handys beauftragt hat, deshalb gekündigt.

Trotzdem glaubt auch Michael Belamon, der bei der Gewerkschaft NGG für Lieferando zuständig ist, dass es sich das Unternehmen zu einfach macht, wenn es die Verantwortung und das Risiko für ein so essenzielles Betriebsmittel einfach auf die Fahrer abwälzt und die Kompensation dafür so niedrig ansetzt. Dass sich dieser Konflikt nun gerade in Hannover auftut, liege daran, dass man hier einen starken Betriebsrat habe, aber eigentlich betreffe dies die Fahrer bundesweit.

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