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Trotzig gegen die 130 Millionen

Der Berliner Kulturetat wird drastisch gekürzt, dagegen trumpfte die Berliner Kulturszene mit einer abendfüllenden Leistungsschau im Festspielhaus auf

Von Andreas Hartmann

Rockmusik, Oper, Tanztheater, Schauspielkunst, Berlin hat von all dem reichlich und in allen Schattierungen zu bieten. Um eine Demonstration genau dieser Vielfalt der Berliner Kultur ging es auch bei der Soli-Gala „Das Konzert“ am Dienstagabend im Berliner Festspielhaus. Das Datum für die Veranstaltung, bei der fleißig Spenden für das Aktionsbündnis „Berlin ist Kultur!“ gesammelt wurden, war genau richtig gewählt. Im Laufe des Tages sickerte durch, dass die befürchteten Einsparungen für die Berliner Kultur tatsächlich kommen sollen. Und sie sollen sogar noch drastischer ausfallen als erwartet. Kürzungen von 130 Millionen Euro sind geplant, das sind nicht nur zehn, sondern fast zwölf Prozent des aktuellen Kulturetats.

Bei dem langen, zweieinhalbstündigen Abend herrschte nun aber keine Atmosphäre der Trauer, sondern eher des Trotzes. Die nächste Demo Ende des Monats gegen den nun drohenden Kulturabbau wurde bereits angekündigt, die Petition gegen diesen läuft weiter und ist fast bei 100.000 Unterschriften angekommen. Und aus all den Redebeiträgen und Grußbotschaften, die zwischen den künstlerischen Darbietungen zu vernehmen waren, ließ sich die weiterhin bestehende Hoffnung heraushören: vielleicht lassen sich die Pläne des schwarz-roten Senats doch noch irgendwie korrigieren.

Die Freie Szene genau wie die großen Kulturhäuser und Ensembles der Stadt äußerten sich bei den 25 Programmpunkten der Gala in unterschiedlicher Weise. Die Performance-Gruppe versuchte mit Galgenhumor auf die aktuelle Situation zu reagieren. Bei ihrer schrägen Darbietung forderten sie auf Englisch „Nimm nicht einfach die Kohle und hau ab“ und fragten: „Haben wir irgendetwas falsch gemacht?“ Die Berliner Philharmoniker sandten eine Botschaft direkt aus der Carnegie Hall in New York, wo das weltberühmte Orchester im Rahmen einer USA-Tournee gerade gastiert. Selbst in New York würde man Berlin für seine reichhaltige Kultur bewundern, ließ man ausrichten, versehen mit dem Appell an die Politik, der an diesem Abend mehrfach zu vernehmen war: „Sparen Sie die Berliner Kultur nicht kaputt.“

Musiker und Musikerinnen der Deutschen Oper Berlin, des Berliner Ensembles, der Staatsoper Berlin und vielen weiteren Leuchtturminstitutionen zeigten in kurzen Darbietungen, was sie können. Der Abend war auch eine Art Leistungsschau und reichte musikalisch von Rio Reiser über Mozart bis hin zu György Ligeti. Ein Promi wie der Schauspieler Matthias Brandt musste seinen Auftritt zwar absagen, dafür ließen bekannte Namen wie die Dirigenten Daniel Barenboim und Christian Thielemann das Publikum via Video- und Grußbotschaften das Publikum wissen, dass auch sie gegen die Pläne der Berliner Regierung sind. Nur aus der Berliner Clubszene trat niemand auf. Aber anders als die hier vertretenen Künste bekommt sie ja erst gar keine Subventionen, die ihr gekürzt werden sollen, sondern sie hätte gerne welche.

Dass von denjenigen aus der Politik, die federführend bei den geplanten Kürzungen sind, niemand zugegen war, verwunderte nicht. Mehr als ein paar Buhrufe hätten sie sich wohl kaum eingeholt. Vor allem für den Berliner Senator für Kultur, Joe Chialo, hätte es ungemütlich werden können. Dem wird nachgesagt, er habe kaum für seinen Etat gekämpft.

Annemie Vanackere, die Intendantin des Hebbel am Ufer, beklagte in ihrem Redebeitrag dann auch eine „fehlende Kommunikation“ in den letzten Monaten, gerade mit Chialo. Die Schriftstellerin Juli Zeh war auf einer Leinwand zu sehen und gab ihre Meinung in klaren Worten kund. Die Kürzungen nannte sie schlichtweg „grottendämlich“.

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